Die Rolle der Frauen am leeren Grab Jesu

"Ostern wäre ohne Frauen nichts"

Alle vier Evangelien berichten von den Ereignissen am Ostermorgen. Dort wird deutlich: Es sind Frauen, insbesondere Maria Magdalena, die eine Schlüsselrolle spielen. Ein Gespräch mit der Theologin Angelika Strotmann.

Trauernde Maria von Magdala / © Harald Oppitz (KNA)
Trauernde Maria von Magdala / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Was wäre Ostern ohne die Frauen?

Prof. Dr. Angelika Strotmann (Professorin für das Neue Testament am Institut Katholische Theologie der Uni Paderborn): So wie wir die Evangelien vor uns haben, müsste man eigentlich sagen: Ostern wäre ohne Frauen nichts. Es hätte vielleicht noch ein bisschen länger gedauert bis die Jünger begriffen hätten oder bis ihnen Jesus erschienen wäre. Die Frauen sind deshalb zentral, weil die Jünger nach Zeugnis aller vier Evangelien, auf jeden Fall aller drei synoptischen Evangelien, die einzigen waren, die noch bei Jesus in seinem Leiden geblieben sind. Die Jünger sind ja direkt bei der Verhaftung geflohen. Petrus hat sich noch etwas vorgewagt, ist noch einmal zurückgegangen in den Vorhof des Hohen Priesters. Wir kennen ja alle die Geschichte, dass er Jesus verleugnet hat.

DOMRADIO.DE: Am dritten Tage nach dem Tod Jesu am Kreuz war das Grab leer und die, die es entdeckten, waren der Bibel nach die Frauen. Sie haben es ja gerade auch schon erwähnt. Welche Bedeutung hatte es denn, dass hier die Frauen das leere Grab entdecken und welche Aufgaben hatten sie dort?

Strotmann: Im Grunde hatten sie ja keine speziellen Aufgaben. Normalerweise ist es ja so, wenn jemand gestorben ist, dann wurde er mit Salben eingerieben. Das müsste dann eigentlich direkt nach der Kreuzigung passiert sein, es wird uns nicht berichtet. In den Erzählungen wird von Josef von Arimathäa erzählt, der Jesus dann bestattet hat in seinem eigenen Grab oder in einem Grab, das ihm gehörte. Auf jeden Fall von Salben ist da nicht die Rede. Möglicherweise ist diese Salbung, die im Markusevangelium erzählt wird und dann auch im Lukas- und im Matthäus-Evangelium, theologisch zu verstehen: In dem Sinne, dass die Frauen eigentlich nicht richtig reagiert haben, entsprechend dem, was dann natürlich passiert ist und was in den Evangelien ja vorausgesagt worden ist.

DOMRADIO.DE: Eigentlich hatten Frauen nicht das Zeugenrecht. Was eine Frau gesagt hat, das galt nicht unbedingt als bezeugt. Hat Jesus die Frauen aufgewertet?

Strotmann: Dieses Zeugenrecht ist ja nochmal etwas anderes als die Aufwertung von Frauen. Zunächst einmal bezieht sich das Zeugenrecht ja nur auf Prozesse. Das heißt, auf Strafprozesse beispielsweise. Da hatten die Frauen dann eben nicht das Zeugenrecht. Jedenfalls war es keine anerkanntes Zeugenrecht. Und in diesem Fall ist es ja kein Prozess, sondern die Frauen sind einfach Zeugen von Tod, Begräbnis und Auferstehung Jesu und damit wahren sie die Kontinuität. Also sie sind diejenigen, die Jesus begleiten auch dann noch als er schon am Kreuz hängt und stirbt.

DOMRADIO.DE: Sie sagen: Erst haben die Frauen diese wichtige Rolle als Zeugin auch bei der Auferstehung. Sie werden aber auch später wieder vergessen. Warum ist das so?

Strotmann: Es wird ja von einigen Exegeten auch gesagt, dass es merkwürdig ist, dass die Frauen, im Markusevangelium beispielsweise, vom Grab fliehen. Da gibt es unterschiedliche Erklärungen für diesen merkwürdigen ursprünglichen Markus-Schluss. Im Matthäus-Evangelium ist das nicht mehr so. Und im Lukas-Evangelium ist das auch nicht mehr so. Da gehen die Frauen hin und sagen dann das, was sie vom Engel gehört haben, den Jüngern weiter. Aber insgesamt war das natürlich ein Problem. Die Frauen sind ja eigentlich diejenigen, die legitimiert sind, die Auferstehung Jesu zu verkünden - dass er eben nicht im Tod geblieben ist. Derjenige, der zu einer so besonderen Aufgabe berufen ist, würde ich mal sagen oder zu dieser Aufgabe beauftragt ist, der hat dann auch eine gewisse Leitungsfunktion, könnte man sagen. Man würde erwarten, dass der dann auch für die Gemeinde entsprechend wichtig ist, Richtlinienkompetenz gibt und so weiter. Das ist dann nicht mehr geschehen und von daher ist das Ganze ein bisschen ambivalent. Eigentlich würde man das erwarten, was Augustinus, soweit ich das im Kopf habe, über Maria Magdalena sagt. Sie ist die Apostola Apostolorin, die Apostel der Apostel und dann würde ich ja eigentlich erwarten, dass Maria Magdalena dann auch Aufgaben eines Apostels übernimmt.

Das Gespräch führte Carsten Döpp.

 

Quelle:
DR