Welche Rolle die Körperhaltung im Gottesdienst spielt

Stehen, knien, sitzen

Knien, sitzen, stehen, Hände falten – im Gottesdienst nimmt man viele unterschiedliche Körperhaltungen ein. Aber warum eigentlich? Die Antwort ist theologisch wichtiger, als man auf den ersten Blick meinen könnte.

Frau mit Gebetbuch / © Harald Oppitz (KNA)
Frau mit Gebetbuch / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Was bedeuten denn die unterschiedlichen Körperhaltungen im Gottesdienst?

Dr. Alexander Saberschinsky (Referent für Liturgie in der Hauptabteilung Seelsorge des Erzbischöflichen Generalvikariats Köln, Dozent der Erzbischöflichen Bibel- und Liturgieschule Köln): Die können ganz unterschiedliche Dinge bedeuten. Je nachdem, was man dort macht. Grundsätzlich ist zunächst wichtig, dass der Körper eine Rolle spielt. Das ist theologisch viel aufgeladener als man auf ersten Blick meinen könnte.

Der Körper spielt insofern eine wichtige Rolle, als ja der ganze Gottesdienst nicht nur ein inneres Gefühl oder ein geistiges Geschehen ist. Der Gottesdienst lebt von Abläufen. Wir reden von der Gottesdienstfeier – eine Feier ohne Äußeres gibt es gar nicht. Und dazu gehört natürlich auch, dass wir feiern und das tun wir mit unserem Körper. Das ist die grundsätzliche Bedeutung und das differenziert sich in den verschiedenen einzelnen Vollzügen.

DOMRADIO.DE: Stehen, gehen, sitzen, knien – da gibt es ganz unterschiedliche Dinge. Können Sie uns aufschlüsseln, was das im Einzelnen bedeutet?

Saberschinsky: Das kommt immer ein bisschen darauf an. Es kann tatsächlich mal vorkommen, dass die gleiche Haltung, Geste oder Gebärde Unterschiedliches bedeutet oder zumindest unterschiedliche Akzente setzt. Wenn ich zum Beispiel stehe, dann kann das Ausdruck von Ehrerbietung sein, wenn eine höher gestellte Persönlichkeit in den Raum kommt.

Gleichzeitig ist es aber auch symbolisch als eine Haltung der erlösten Menschen zu verstehen. Wir können aufgerichtet stehen und in dieser Haltung hören wir im Gottesdienst das Evangelium. Wir sind durch die Frohe Botschaft erlöste Menschen und wir stehen aufmerksam und ehrfurchtsvoll, wenn das Wort Gottes an uns geht, wenn letztendlich Christus selber zu uns spricht.

Aber auch das Sitzen heißt nicht einfach nur, ich verzichte auf eine liturgische Haltung und hänge halt so in der Bank rum. Auch das Sitzen kann ein Ausdruck sein – Ausdruck des gesammelten Hörens, wie wir es dann bei der ersten und zweiten Lesung einnehmen.

DOMRADIO.DE: Und wir knien, wenn es ernst wird im Gottesdienst.

Saberschinsky: Der ganze Gottesdienst ist ernst. Aber tatsächlich: Knien ist insofern ein Ausdruck dafür, dass es jetzt besonders ernst wird, als diese Haltung noch einmal intensiver ist. Also sitzen und stehen kennen wir aus dem Alltag. Aber wann knien wir im Alltag? Früher hat man vielleicht vor Kaisern oder Königen gekniet. Aber heute knien wir eigentlich nur noch vor Gott. Und das kann unterschiedliche Bedeutung haben.

Knien kann Ausdruck einer Bitte sein. Knien kann aber auch den Akzent der Ehrfurcht haben. Wenn wir zum Beispiel eine Kniebeuge vor dem Allerheiligsten machen, oder wenn wir bei der eucharistischen Anbetung knien – sofern es körperlich geht.

Das können wir fortsetzen bis hin zu dem, was wir mit den Händen machen. Das Interessante beim beten ist, dass man unterschiedliche Handhaltung einnehmen kann. Das Händefalten ist das Bekannteste und Verbreitetste als Ausdruck der Sammlung und der Konzentration.

Und dann kennen wir vor allen Dingen vom Vorsteher der Liturgie, dem Priester in der Messfeier, die ausgebreiteten Hände. Das ist ebenso eine Gebetshaltung. Nur hier ist der Akzent dann eher auf dem sich Öffnen nach Gott, zu Gott hin, nach oben hin. Und manchmal kann man ja auch beobachten, dass Gläubige beim Vaterunser diese offenen Hände haben. Das ist auch Ausdruck des sich Öffnens beim Gebet.

DOMRADIO.DE: Was machen diese einzelnen Haltungen mit mir als Gottesdienstbesucher?

Saberschinsky: Eigentlich zweierlei. Zunächst einmal drücken sie etwas aus. Es geht nicht darum, es dem Pfarrer oder der Kirche recht zu machen, weil die es gerne sehen würden, dass ich knie, sondern ich drücke damit vor Gott etwas aus.

Aber das Schöne ist, dass es wechselseitig ist. Ich drücke nicht nur etwas aus, sondern, indem ich diese Haltung einnehme, bekomme ich durch das, was ich tue, selber einen Eindruck. Das äußere Tun kann mir helfen eine innere Haltung einzunehmen.

DOMRADIO.DE: Wenn ich mich zum Beispiel hinknie, was passiert dann?

Saberschinsky: Dann erlebe ich ganz konkret, dass ich auf einmal nur noch halb so groß bin und mich klein mache. Und dieses körperliche Erleben des Sich-klein-machens kann mir helfen, in die innere Haltung der Anbetung zu kommen. Denn anbeten tue ich nur denjenigen, der unendlich größer ist als ich, in dem Fall Gott.

Insofern ist das eine wechselseitige Sache, die wir auch im Alltag beobachten können. Zum Beispiel wenn wir uns für einen Theaterbesuch vorbereiten, ziehen wir uns schön an. Und dann komme ich schon in eine andere Haltung, als wenn ich mit Jeans und T-Shirt dort hingehe. Das kann jeder machen, wie er möchte. Aber so hat jeder vielleicht auch seine kleinen Rituale, wie er sich innerlich in eine Haltung hineinbringt. Da bietet die Liturgie durch diese äußerlichen Körperhaltung Hilfen.

Und das ist ganz gut so, weil uns Menschen gibt es nicht nur als reine Geistwesen. Der Körper, den wir haben, ist nicht einfach nur an diesen Geist drangeklatscht, sondern wir bilden eine Einheit. Als ganzer Mensch soll ich im Gottesdienst anwesend sein – mit meiner Seele, mit meinem Geist, mit meinem Herzen, aber auch mit meinem Körper. Und insofern ist es gut, dass die Liturgie diesen Leib miteinbindet.

In der Liturgie haben wir eine besondere Stelle, wo das ins Wort gehoben wird, wenn es bei den Einsetzungsworten heißt: "Das ist mein Leib". Damit will Jesus nicht einfach nur sagen, dass ist ein Stück Fleisch vor mir, sondern: Das bin ich ganz und gar, der sich für euch hingibt. Der Leib spielt somit in der Liturgie eine sehr wichtige Rolle.

Das Interview führte Dagmar Peters.

 

Prof. Alexander Saberschinsky / © Tomasetti (DR)
Prof. Alexander Saberschinsky / © Tomasetti ( DR )
Quelle:
DR