Eine geistliche Betrachtung für die Zeit um den Jahreswechsel

Sich selbst in Ordnung bringen

Geschenkte Bücher lesen, neue Spiele ausprobieren, ausschlafen, sich mit Freunden treffen – an den Tagen "zwischen den Jahren" lassen es viele entspannt angehen. Warum nicht auch auf das alte und neue Jahr blicken?

Autor/in:
Kerstin-Marie Berretz OP
Gebet im Meditationsraum / © Harald Oppitz (KNA)
Gebet im Meditationsraum / © Harald Oppitz ( KNA )

Was machen Sie "zwischen den Jahren"? Ausruhen von den Weihnachtsfeiertagen, die Silvesterparty vorbereiten, Urlaub oder die stille Zeit im Büro genießen? Dabei könnte die erste Frage lauten: Was ist überhaupt die Zeit zwischen den Jahren? Denn kalendarisch geht ein Jahr in das andere über, und es gibt de facto keine Zeit "dazwischen". Dennoch weiß jeder, was gemeint ist, wenn man von den Tagen zwischen den Jahren spricht.

Bräuche und Glauben

Die Begriffe für die letzte Woche im Jahr sind vielfältig. In manchen Gegenden heißt sie Unter- oder Obernächte, in anderen Regionen Rau- oder Rauhnächte. Wie auch immer die Tage genannt werden, klar ist, dass sie offensichtlich schon sehr lange eine bestimmte Bedeutung für die Menschen haben. Ursprünglich kam das wohl daher, dass die Zeitrechnung sich am Mond orientierte und deshalb am Ende des Jahres einige Tage übrig waren, die nicht in einen Monat passten, also gefühlt zwischen den Jahren lagen. Somit mussten sie auch ganz besondere, eben nicht normale Tage und Nächte sein, in denen andere Dinge passierten als sonst und in denen man sich besonders verhalten musste.

In manchen Regionen glaubte man daran, dass die Tiere in diesen Nächten sprechen können, in anderen Gegenden durften Frauen und Kinder nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr auf die Straße, weil man sich vor Geistern und Werwölfen fürchtete, und in weiteren Landstrichen durfte in der Woche zwischen Weihnachten und Neujahr keine weiße Wäsche aufgehängt werden, da man davon ausging, dass Reiter kämen, die weiße Wäsche stehlen und diese dann im neuen Jahr als Leichentuch verwenden würden. Außerdem durfte das Haus auf keinen Fall unordentlich sein.

Rückschau halten

Auch wenn der Aberglaube keine Rolle mehr spielt und man getrost die Wäsche hängen lassen darf, können die Tage zwischen den Jahren dennoch eine besondere Zeit sein. Schließlich beginnt mit Heiligabend erst die Weihnachtszeit. Das kann ein Grund sein, nur die allernötigsten Arbeiten im Haushalt zu verrichten. Es können auch Tage sein, in der man nach dem Vorweihnachtsstress vor allem sich selber in Ordnung bringt. Warum nicht die dunklen Tage dazu nutzen, um persönlich Rückschau auf das vergangene Jahr zu halten?

Im Licht des Sterns von Bethlehem kann man die vergangenen 365 Tage betrachten und darüber nachdenken, was gut war, was gelungen ist und was noch zu Ende gebracht werden muss. Man kann die schönen Momente des vergangenen Jahres entdecken und sie zu den übrigen Weihnachtsgeschenken legen. Man kann die schmerzlichen Erfahrungen – das, was noch nicht heil ist – dem Kind in der Krippe hinhalten, damit das Jesuskind sie heilt. Man kann zu Ende bringen, was noch nicht fertig ist.

"Blick frei für das, was kommen will"

Vielleicht wollte man sich das ganze Jahr schon bei Bekannten melden, vielleicht ist es die Gelegenheit, um sich für liebe Weihnachtspost zu bedanken oder jemanden aufzusuchen, mit dem man sich gestritten hat. Es kann auch die Zeit sein, um sich von eigenen Vorhaben und Plänen zu verabschieden, weil man ehrlich sagen kann, dass man es ja doch nicht macht. Auch der Blick auf das Scheitern darf sein. Das Gute wie das Schlechte können wir im alten Jahr zurücklassen. Wer das vergangene Jahr mit den liebenden Augen Gottes angeschaut hat, der hat den Blick frei für das, was kommen will.

Die schönen und ermutigenden Erfahrungen der vergangenen zwölf Monate können zugleich Antrieb sein für das kommende Jahr. So kann man auch überlegen, was im neuen Jahr Raum bekommen soll – andere Prioritäten im Leben, neue Erfahrungen und Verhaltensweisen vielleicht.

Zwischen Furcht und Hoffen

Einst fürchteten sich die Menschen in den Rauhnächten vor bösen Geistern. Sie räucherten in Haus und Stall, um Segen zu erbitten für das neue Jahr. Heute wissen wir, dass die Tage um den Jahreswechsel nicht begleitet oder überschattet sind von bösen Geistern, Werwölfen und anderen Ungestalten, sondern von einem Gott, der seine unendliche Liebe zu den Menschen zeigt, indem er Kind wird in der Krippe.

Deshalb dürfen wir gewiss sein, dass Gott uns auch im neuen Jahr durch alle Höhen und Tiefen begleiten wird.


Betende im Meditationsraum / © Harald Oppitz (KNA)
Betende im Meditationsraum / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
KNA