Palliativmediziner gibt "Letzte-Hilfe"-Kurse

"Sterben ist normal"

In einem "Erste-Hilfe"-Kurs kann man sich zu einem Ersthelfer ausbilden lassen, um in Notfällen zu helfen. Wie kann man Menschen beistehen, wenn sie auf natürlichem Wege sterben? Für diesen Lebensabschnitt gibt es so genannte "Letzte-Hilfe"-Kurse.

Die "Letzte Hilfe" lindert in der letzten Lebensphase / © Harald Oppitz (KNA)
Die "Letzte Hilfe" lindert in der letzten Lebensphase / © Harald Oppitz ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie kamen Sie auf die Idee des "Letze-Hilfe"-Kurses?

Dr. med. Georg Bollig (Palliativmediziner): Ich finde die "Erste Hilfe"ist sehr wichtig. Ich bin, seit ich 17 Jahre alt bin, auch Ausbilder für "Erste-Hilfe"-Kurse und von daher bin ich sehr tief in der Thematik verwachsen. Ich bin auch Anästhesist und Notarzt, später dann auch Palliativmediziner geworden. Und ich habe mir einfach die Frage gestellt: Auf die "Erste Hilfe" verwenden wir richtig viel Energie, um das zu lernen. Das ist auch eine ganz wichtige Sache. Aber braucht es nicht auch eine "Letzte Hilfe"? Als normaler Mensch werde ich häufiger in meinem Leben mit Situationen in Kontakt kommen, in denen Menschen sterben – im Freundeskreis oder im Familienkreis. Das kommt in der Regel häufiger vor, als Menschen auf der Straße wiederbeleben zu müssen. Von daher macht es Sinn, sich darauf vorzubereiten. Deswegen haben wir einfach den "Letzte-Hilfe"-Kurse gestartet.

DOMRADIO.DE: Was lernen die Teilnehmer bei dem Kurs?

Bollig: Man kann es sich so vorstellen, dass ich mit dem Hintergrundwissen aus der "Ersten Hilfe" versucht habe, den Kurs so praxisnah wie möglich zu gestalten, dabei auch so einfach wie möglich. Man wird ja kein Notarzt in einem "Erste-Hilfe"-Kurs. Und auch kein Palliativmediziner oder Hospizhelfer im "Letzte-Hilfe"-Kurs. Es geht mehr darum, dass man einfach lernt, was wichtig ist.

Wir haben den Kurs in vier Module eingeteilt, in einem davon geht es um "Sterben ist normal". Dann geht es darum, wie ich eine Vorsorgeplanung machen kann. Wie kann ich für mich selber entscheiden, zum Beispiel wenn ich eine Verletzung oder Erkrankung habe? Dann gibt es die Möglichkeit einer Vorsorgevollmacht oder Patientenverfügung, da reden wir darüber. Im dritten Teil geht es um das, was man wirklich handfest machen kann. Das ist wahrscheinlich das, was einen am meisten an die "Erste-Hilfe" erinnert. Das heißt, wie kann ich jemandem helfen, der Schmerzen hat, wie kann ich jemandem helfen, der Atemnot hat? Da kann man durch eine Lagerung Linderung verschaffen, auch Akupressur kann helfen. Es gibt genauso Handgriffe und Maßnahmen zu erlernen, wie in der "Ersten Hilfe" auch.

DOMRADIO.DE: Wie wird das Angebot aufgenommen?

Bollig: Wir können uns kaum retten vor Anfragen. Mittlerweile bilden wir sehr viele Kursleiter aus, die dann selber die Kurse geben. Deutschlandweit sind wir schon bei 850 ausgebildeten Kursleitern. Wir haben insgesamt in Deutschland und in deutschsprachigen Ländern über 8000 Menschen ausgebildet.

DOMRADIO.DE: Haben Sie von Menschen Rückmeldungen bekommen, denen der Kurs dann bei einem Sterbefall wirklich geholfen hat?

Bollig: Wir bekommen schon Rückmeldungen von Leuten, die sagen, es war gut, dass ich es gemacht habe. Wir bekommen vor allem viele Rückmeldungen von Leuten, die den Kurs machen, und dann sagen: "Ich habe schon mal so eine Situation erlebt, und würde mich jetzt besser gerüstet fühlen".

DOMRADIO.DE: Sie haben auch ein Buch zu dem Thema veröffentlicht: "Letzte Hilfe – Umsorgen von schwer erkrankten und sterbenden Menschen am Lebensende". Was geben Sie den Lesern mit auf den Weg?

Bollig: Das ist eine Handreichung, die aus dem Kurs heraus entstanden ist, die man auch lesen kann, wenn man den Kurs nicht gemacht hat, hauptsächlich ist das Buch aber als Kursbegleitung gedacht. Da sind einfach die Tipps nochmal niedergeschrieben, die man im Kurs lernt. Da geht es um Akupressur bei Übelkeit, darin steht etwas zum Thema Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht. Es geht auch noch um das Thema Bestattung und Trauer, weil das natürlich auch damit im Zusammenhang steht.

Das Interview führte Katharina Geiger.


Quelle:
DR
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