Warum Aberglaube anscheinend manchmal helfen kann

Einfach sich selbst austricksen

Die schwarze Katze, Freitag, der 13. oder der zerbrochene Spiegel: Selbst rational denkende Menschen können sich vom Aberglauben nicht befreien. Warum dieser hilfreich sein kann, erklärt Brauchtumsforscher Manfred Becker-Huberti.

Freitag, der 13. / © Marius Becker (dpa)
Freitag, der 13. / © Marius Becker ( dpa )

DOMRADIO.DE: Warum sind überhaupt viele Menschen abergläubisch?

Prof. Dr. Manfred Becker-Huberti (Brauchtumsforscher und Buchautor): Es liegt in unserer Natur, sich dort Hilfe zu suchen, wo man sie braucht und nötig hat. Der Fluch der Vernunft, unter dem wir leiden, die Notwendigkeit, alles mit dem Verstand zu regeln, kommt oft an ihre Grenzen. Dann gibt es Bereiche, wo uns die Vernunft nicht weiterbringt. Dann erinnert man sich daran, dass es Zeiten gab, wo man an eine beseelte Natur glaubte, in der Dämonen und Geister wirken.

Aus dieser Zeit hat man gelernt, dass man diese Geister auch in einem gewissen Sinn beherrschen kann, indem man sie bittet oder zwingt, einem zu helfen. Dadurch muss man bestimmte Regeln einhalten. So gibt es viele, viele Dinge, die uns daran erinnern, dass wir, wenn wir auf diese andere Welt vertrauen, sie uns nutzbar machen können und dabei auch Hilfsmittel benutzen, die uns dabei einen Weg aufzeigen, der der Vernunft unzugänglich ist. Es gibt die klügsten Leute, die trotzdem diesem Aberglauben anhängen.

DOMRADIO.DE: Das passiert manchmal ganz automatisch. Auch wenn wir wissen, dass Aberglaube überhaupt nicht rational ist. Wir wissen, dass eine schwarze Katze kein schlechtes Omen ist oder ein zerbrochener Spiegel kein Pech bringen muss. Trotzdem zucken wir zusammen. Warum ist das so?

Becker-Huberti: Weil das so tief in uns sitzt. Solche Dinge, wie zum Beispiel mit dem rechten Fuß zuerst aufzustehen oder aufzupassen, dass man nicht auf einem Stuhl sitzt, der die Nummer 13 trägt oder ein Hotelzimmer bekommt, wo die 13 draufsteht, haben wir fest verinnerlicht.

Allerdings kann man faktisch gar kein Hotelzimmer mit der Nummer 13 mehr bekommen, weil es in kaum einem Hotel noch die 13 als Zahl gibt. Das dreizehnte Stockwerk ist ausgespart. Auch im Flugzeug gibt es keine dreizehnte Reihe. Freitag der 13. ist gefährlich, so glauben viele Leute, weil Freitag der Todestag des Herrn ist. Ein Tag, der nicht der Freude dient. Und wenn der mit der Zahl 13 in Verbindung kommt, dann muss man ganz besonders aufpassen.

Wir suchen auch solche Dinge und wir pflegen das. Selbst wenn wir nicht dran glauben, sind wir immer noch davon bewegt und wir lächeln vielleicht wenn wir daran erinnert werden, dass wir da Aberglauben betreiben. Wir behaupten, wir würden nicht daran glauben. Aber die meisten halten sich doch irgendwie daran.

DOMRADIO.DE: Der Tod spielt eine ganz zentrale Rolle im Aberglauben. Warum ist das so?

Becker-Huberti: Es gibt wenige Dinge in unserem Leben, die wir so wenig beeinflussen können wie das, was im Tod und nach dem Tod mit uns geschieht. Deshalb greifen wir nach jedem Hilfsmittel, das uns dort eine Verbesserung garantiert.

Wenn wir uns auf das Sterben vorbereiten, dann gibt es bestimmte Regeln, die man beachten soll. Dazu gehört zum Beispiel der Umstand, dass die Vorbereitung auf den Tod das ganze Leben andauert. Man muss so leben, dass man jederzeit sterben kann.

So haben sich dann bestimmte Regeln herausgebildet, nach denen man sich richten muss. Oder bestimmte Heilige, die für das Sterben zuständig sind - wie Barbara und Christophorus. Oder, dass man im Schlafzimmer bestimmte Dinge beachtet, wenn jemand gestorben ist, etwa Spiegel verhängen und Fenster öffnen und solche Dinge mehr.

Wir haben uns Regelwerke geschaffen, um etwas, das wir nicht regeln können, geregelt zu bekommen. Das ist Aberglaube und der hilft uns in solchen Fällen.


Manfred Becker-Huberti / © Harald Oppitz (KNA)
Manfred Becker-Huberti / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR