Warum Tod und Aberglaube eng verbunden sind

"Das Gefühl der Machtlosigkeit reduzieren"

Der November steht in der katholischen Kirche wie kein anderer Monat im Zeichen des Totengedenkens. Aber noch bis heute wird der Tod mit Aberglaube in Verbindung gebracht. Was steckt dahinter? Und welche Rolle spielen dabei die Raben?

Der Rabe spielt im Aberglauben eine große Rolle / © Peter Steffen (dpa)
Der Rabe spielt im Aberglauben eine große Rolle / © Peter Steffen ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wenn Salz verschüttet wird, bringt das Unglück, ein zerbrochener Spiegel ebenfalls. Aber wo ist die Verbindung von Aberglaube und Tod?

Gerold Eppler (Stellv. Direktor des Museums für Sepulkralkultur in Kassel): Es ist natürlich klar: Der Tod ist eine Situation, die alle Beteiligten extrem verunsichert und dieses "abergläubische Verhalten" soll dazu dienen, eine Situation, die man nicht mehr unter Kontrolle hat, wieder zu kontrollieren. Es geht natürlich auch darum, dieses Gefühl der Machtlosigkeit zu reduzieren. In dem Augenblick, in dem ein Mensch stirbt, verliert der Sterbende die Kontrolle über sich selbst und die Beteiligten verlieren die Kontrolle über ihn - sie können ihn nicht mehr am Leben erhalten und deshalb versucht man alles, um diese Situation irgendwie wieder in den Griff zu bekommen.

DOMRADIO.DE: Da kommt dann der Aberglaube ins Spiel. Wenn jemand von sich sagt, er oder sie sei nicht abergläubisch und geht dann durch ihre Ausstellung, wird er oder sie dann doch Aberglauben bei sich selbst entdecken?

Eppler: Ja, da gibt es einiges. Wir haben auch Fragen quasi am Ende der Ausstellung formuliert und da kann man seine Abergläubigkeit ganz gut überprüfen.

DOMRADIO.DE: Was sieht man sonst in Ihrer Aberglaube-Ausstellung?

Eppler: Der Tod ist ein Ereignis, von dem wir Menschen wissen, dass es uns bevorsteht und auf dieses Ereignis müssen wir uns hier in irgendeiner Art und Weise vorbereiten. Es ist natürlich klar, dass man erwartet, dass sich der Tod in irgendeiner Form ankündigt. Deshalb beginnt die Ausstellung mit Todes-Vorzeichen. Bei diesen Todes-Vorzeichen muss man sich natürlich fragen: Wenn diese Zeichen alle ihre Berechtigung gehabt hätten, warum ist die Menschheit dann noch nicht ausgestorben?

DOMRADIO.DE: Was ist so ein Zeichen?

Eppler: Schon der Titel der Ausstellung "Tutenfru", der Balzruf der Ringeltaube -  im Mecklenburgischen wurde der verstanden als der Ruf nach der Tutenfru, der Totenfrau, oder als Hinweis darauf, dass eine Frau bald sterben wird.

DOMRADIO.DE: Tiere sind ja oft im Zentrum von Aberglauben, wenn es sich um den Tod dreht. Warum ist das so?

Eppler: Das sind sehr spezielle Tierarten, die in diesem Zusammenhang Angst und Schrecken verbreiten. Es sind beispielsweise Rabenvögel, Krähen und Kolkraben. Das hängt einerseits damit zusammen, dass man früher Hinrichtungsopfer auf dem Schindanger liegen ließ, beziehungsweise man ließ sie am Galgen hängen. Diese Tiere sind aasfressende Tiere. Von daher sind sie schon einmal negativ besetzt, weil sie sich über den Leichnam von Delinquenten hergemacht haben, von Menschen die Böses getan haben. Sie verleiben sich quasi den Körper des Bösen ein und werden dann zu einem Tier, das eben bedrohlich ist.

Hinzu kommt bei den Rabenvögeln dieser Ruf, dieses "starb, starb", das man als Hinweis sieht, dass jemand bald sterben wird. Und wenn sich drei Krähen auf einem Dachfirst versammeln, ist es klar, in dem Haus muss unbedingt jemand sterben.

DOMRADIO.DE: Was ist das Gruseligste, was man bei Ihnen sehen kann.

Eppler: Ich glaube, das Gruseligste ist die Abteilung, in der es um Schadenszauber, aber auch um Heilzauber geht. Und da sieht man natürlich auch organische Materialien, die man als Schutzzauber verwendet hat, die man aber auch eingesetzt hat, um Leute zu verhexen. Man muss nicht unbedingt in die Karibik fahren, um irgendwelche Voodoo-Praktiken zu erlernen, sondern man kann hier zu uns ins Museum für Sepulkralkultur kommen, in die Bibliothek des Zentralinstituts und dann nimmt man sich das Handwörterbuch des Aberglaubens zur Hand und erfährt einiges, was man irgendwie tun kann oder lassen sollte, wenn man Einfluss nehmen will auf die Lebensgestaltung anderer Menschen.


Quelle:
DR