Warum Familienväter katholische Priester werden konnten

Wohlbegründete Ausnahmen

Dass Augsburgs Bischof Konrad Zdarsa am vergangenen Sonntag zwei Männer zu Priestern weihte, ist nicht ungewöhnlich. Aber schon, dass sie Familienväter sind. Wie kann das angesichts des Zölibats sein? Können sie gar Bischöfe werden?

Symbolbild Priesterweihe / © Andrew Medichini (dpa)
Symbolbild Priesterweihe / © Andrew Medichini ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die Familienväter waren vorher evangelisch und sind zum Katholizismus konvertiert. Sie werden also in Zukunft katholische Priester sein und nicht zölibatär leben müssen. Warum geht das?

Jan Hendrik Stens (Theologie-Redaktion): Hier geht es um ein einfaches Weihehindernis, das im Kirchenrecht beschrieben wird. Ein verheirateter Mann ist am Empfang der Weihen gehindert – Ausnahme ist hier der Ständige Diakonat (vgl. Can. 1042 CIC). Von einem solchen einfachen Weihehindernis kann aber eine Dispens, also eine Ausnahmegenehmigung erteilt werden. Diese Ausnahme kann allerdings nur der Apostolische Stuhl, also der Papst bzw. die zuständige Kongregation erteilen (vgl. Can. 1047 CIC). Der Ortsbischof – hier war es der von Augsburg – hat ein entsprechendes Gesuch an die Kleruskongregation gerichtet. Und wenn die Dispens vorliegt, kann die Weihe erfolgen.

DOMRADIO.DE: Wie oft kommt das vor?

Stens: Es kommt eher selten vor und muss wohlbegründet sein. In diesem Fall handelt es sich um zwei ehemals evangelische Pfarrer, die zur römisch-katholischen Kirche konvertiert sind. Ihren Beruf als evangelische Pfarrer können sie nicht mehr ausüben. Auch wenn ein ordinierter evangelischer Pfarrer von seinem Selbstverständnis her nicht dasselbe ist wie ein geweihter katholischer Priester, so anerkennt die römisch-katholische Kirche dennoch, dass dieser Beruf nicht null und nichtig ist, sondern seine Bedeutung hat.

In Köln hatten wir vor einigen Jahren auch so einen Fall, dass ein evangelischer Pfarrer und Hochschullehrer katholisch geworden ist und sich zum Priester hat weihen lassen. Das hat dann Kardinal Meisner nach Erteilung einer Dispens auch gemacht, was der Kölner Stadtanzeiger mit den bösen Worten kommentierte, man feiere die Konversion zur katholischen Kirche als Triumph. Dabei wurde diese Weihe eher zurückhaltend zur Öffentlichkeit in der Kirche des Kölner Priesterseminars und nicht im Dom gefeiert.

DOMRADIO.DE: Aber ist das doch nicht gerecht: Die einen müssen sich an den Zölibat halten, die anderen nicht….

Stens: Da stellt sich die Frage, was dann mit denen ist, die sich bewusst und aus freien Stücken für die Ehelosigkeit entscheiden. Die tun das vermutlich ebenso gern wie jemand, der sich für Ehe und Familie entscheidet. In beiden Fällen ist die Entscheidung bindend. Dass der Priester in der römisch-katholischen Kirche im Regelfall unverheiratet ist, daran ändern auch diese Ausnahmefälle nichts. Dennoch wird auch deutlich, dass das Priesteramt in seiner Gültigkeit nicht am Zölibat hängt.

DOMRADIO.DE: Könnte ein verheirateter Priester auch zum Bischof gewählt werden?

Stens: Da sehe ich größere Schwierigkeiten. Im Fall der Bischofsweihe kommt eine Dispens nicht in Betracht. Wir lesen zwar in der Bibel, dass Petrus eine Schwiegermutter hatte und von Bischof Severus von Ravenna im 4. Jahrhundert heißt es auch, dass dieser verheiratet war und eine Tochter gehabt haben soll. Das Bischofsamt ist aber seit langer Zeit ehelos Lebenden vorbehalten. Das ist auch in der Ostkirche so, wo die Priester meist verheiratet sind, die Bischöfe aber ehelos leben. Es gibt aber auch aktuelle Beispiele von anglikanischen Geistlichen, die nach ihrer Konversion zur römisch-katholischen Kirche zwar zum Priester geweiht wurden. Die Bischofsweihe konnten sie aber nicht empfangen, weil sie verheiratet sind.

DOMRADIO.DE: In katholischen Ostkirchen dürfen verheiratete Männer Priester werden. Wieso?

Stens: Man unterscheidet hier zwischen einem Mönchspriester, der ehelos lebt, und einem Weltpriester, der Frau und Kinder hat. Die Ostkirchen haben hier eine andere Kultur entwickelt. Bischöfe sind aber auch hier nicht verheiratet.

DOMRADIO.DE: In Kirchenkreisen wird ja durchaus darüber diskutiert, ob man sogenannte "viri probati" – also Männer, die verheiratet sind, sich aber in Ehe und Kirche bewährt haben – zur Weihe zulassen sollte. Auch weil 2019 eine Synode im Amazonasgebiet ansteht, wo der Mangel an Priestern sehr groß ist. Wie verläuft die aktuelle Diskussion?

Stens: Die Diskussion um den Zölibat ist schon sehr alt und wird meist auch recht emotional geführt, weil nicht selten Männer, die sich als geweihte Priester später dann doch für die Ehe entschieden haben, sehr darunter leiden, dass ihr erster Lebensentwurf gescheitert ist. Ob sich die genannten Probleme wirklich mit den "viri probati" lösen lassen, darüber herrscht Uneinigkeit. Hier in Deutschland, wo der Priestermangel bei weitem nicht so extrem ist wie im Amazonasgebiet und auch die Infrastruktur um einiges komfortabler ist, hängt der Rückgang der Priesterzahlen auch stark mit dem Rückgang an Gläubigen und kirchlichem Leben zusammen. Im Falle einer Zulassung von "viri probati" müsste aber auch ein Weg gefunden werden, wie die Kirche dann mit Priestern umgeht, deren Ehe gescheitert ist. Denn das würde dann sicherlich auch immer wieder vorkommen.

Das Interview führte Martin Mölder.


Jan Hendrik Stens / © Gerd Lödige (DR)
Jan Hendrik Stens / © Gerd Lödige ( DR )
Quelle:
DR