Franz von Assisi (1181/82-1226) war der Begründer des Ordens der Franziskaner. Er wurde als Sohn eines reichen Tuchhändlers im italienischen Assisi geboren und sollte zunächst in die Fußstapfen seines Vaters treten und das elterliche Unternehmen übernehmen. Als 1202 ein langjähriger Krieg zwischen Assisi und Perugia tobte, geriet er in Gefangenschaft und wurde krank. Nach der Rückkehr in seine Heimatstadt Assisi steckte er in einer Lebenskrise und vernachlässigte immer mehr seine Aufgaben im elterlichen Geschäft. Dies forderte den Zorn seines Vaters heraus. 1206 kam es schließlich zum endgültigen Bruch: Vor den Augen des Bischofs und des Volkes von Assisi zog er seine Kleider aus und gab sie dem Vater zurück. Er kleidete sich mit einem einfachen Büßergewand aus brauner Wolle und zog sich zu einem Leben in Armut in abgelegene, zerfallene Kapellen zurück.
1209 wurde in der kleinen Kapelle von Portiunkula das Evangelium von der Aussendung der Jünger gelesen; dem zufällig anwesenden Franziskus gab dies den Anstoß, unter die Leute zu gehen und zu predigen. Bald scharten sich die ersten Gefährten um ihn. An Pfingsten 1217 trafen sich die Brüder in Assisi und beschlossen, auch in Frankreich, Spanien und Deutschland kleine Niederlassungen zu gründen. Franziskus selbst ging 1219, mitten in der Zeit der Kreuzzüge, zu den Sarazenen (Muslimen). Er schloss Freundschaft mit dem Sultan und setzte sich so für eine friedliche Lösung des Konfliktes zwischen den verfeindeten Religionen ein. Am 29. November 1223 bestätigte Papst Honorius III. endgültig die Lebensregel der Minderbrüder, die Franziskus zusammen mit einigen Vertrauten in einer Einsiedelei verfasst hatte. Am Abend des 3. Oktobers 1226 starb Franziskus an der Portiunkula, der Geburtsstätte seiner Bruderschaft. Bereits knapp zwei Jahre nach seinem Tod wurde er heiliggesprochen. (kna)
14.09.2018
Der evangelische Kirchenhistoriker Volker Leppin hat eine Biografie über Franz von Assisi geschrieben. Im Interview schaut Leppin unter die "eine dicke Schicht von Übermalungen" und verrät, warum der Heilige uns heute gut täte.
KNA: Herr Leppin, Sie haben sich in Ihrem neuen Buch auf die Suche nach Franz von Assisi begeben. Haben Sie ihn gefunden?
Leppin: Wenn das hieße, meine Suche wäre am Ende, müsste ich sagen: Nein. Ich habe nun eine Vorstellung von Franz von Assisi, von der ich meine, sie kommt der historischen Realität nahe. Ich bin auf einen Menschen gestoßen, der in faszinierender Weise auf der Suche ist. Ein ferner, tief im Mittelalter verwurzelter Mensch, der um seine Identität ringt: mit dem Vater, mit dem Umfeld, auch mit seinen Brüdern und mit seinen treuesten Anhängern. Insofern kann ich sagen: Ich habe auf meiner Suche nach Franz von Assisi vielleicht einen Zwischenstopp gemacht.
KNA: Warum ist es so schwer, sich Franziskus zu nähern? Wissen wir nicht eigentlich schon alles über ihn?
Leppin: Wir alle wissen irgendwie etwas von ihm, aber wir wissen nur das, was wir wissen sollen. Die tatsächlichen schmalen Überbleibsel von seiner Hand, die wenigen Schriften, die wir von ihm selbst haben, stehen in einem enormen Missverhältnis zu den übergroßen Anstrengungen, die von seinem Tod an andere gemacht haben, um ihn jeweils passend für ihre Anliegen zu schildern.
Schon die erste Lebensbeschreibung soll ihn vor allem als Heiligen darstellen. Da kann man keinen nüchternen, historisch präzisen Bericht erwarten. Später wurden seine Lebensbeschreibungen genutzt, um Politik im eigenen Orden zu machen. Immer wurde in ihn hineinprojiziert, was man brauchte und haben wollte – bis hin zum Ökologen und Friedensstifter. Das historisch belastbare Material hinter all diesen Erzählungen ist aber nur schwer zu finden. Da gibt es Anekdoten, Zuspitzungen, Legenden – eine dicke Schicht von Übermalungen über dem historischen Franz.
KNA: Haben Sie auf Ihrer Suche Überraschungen erlebt?
Leppin: Franz wird gerne als Kirchenkritiker vereinnahmt, oder vielleicht auch nur: als Institutionenkritiker. Das ist modernes Wunschdenken. Franz war viel, viel kirchlicher, als man das heute glauben mag. Sein Bischof hatte ihn gegenüber seinem Vater geschützt, das hat ein tiefes Vertrauen begründet, in den Papst, in alle Priester. Bis zum Lebensende forderte er seine Brüder dazu auf, den Priestern gehorsam zu sein. Zum Kirchenkritiker taugt er nicht. Das war gerade für mich als evangelischen Theologen eine besondere Entdeckung.
KNA: Der umbrische Heilige erlebte eine Gesellschaft im Umbruch und eine Kirche im Umbruch. Was bedeutete das für ihn?
Leppin: In erster Linie wohl: Verunsicherung. "Diskrepanzerfahrungen" nenne ich das gerne: Es ist ja nicht so, dass die Kaufleute von Assisi sich nicht christlich verstanden hätten. Beide Eltern waren fromme Christen. Aber Franz erlebte, dass diese Art von Christlichkeit nicht dem entsprach, was er aus der Bibel hörte. Insofern haben sich die Spannungen seiner Zeit auch in ihm abgebildet, aber eine ganz eigene, eng am Evangelium orientierte Form gefunden.
KNA: Was hat er seiner Zeit gegeben?
Leppin: Authentizität. Authentizität und dadurch: Irritation. Man muss sich das vorstellen: Der reiche Kaufmannssohn reitet auf einem Pferd aus – als verdreckter, verlumpter Mensch wieder, ein Außenseiter, für viele ein Verrückter. Und dann fängt er an, zur Buße zu rufen, hält seiner Gesellschaft den Spiegel vor die Augen und zeigt, dass etwas nicht stimmt.
KNA: Was sagt er uns heute?
Leppin: Authentizität täte gut in unserer Welt der Fake News. Und seine Kritik daran, dass Menschen, die sich nur noch durch Ökonomie verzwecken lassen, den Sinn und Halt ihres Lebens verlieren, klingt unglaublich aktuell. Wenn ich so darüber nachdenke, fürchte ich, ich würde auch zu denen gehören, die ihn als verrückt abstempeln – und trotzdem hat er mich gepackt.
Von Christiane Laudage
Franz von Assisi (1181/82-1226) war der Begründer des Ordens der Franziskaner. Er wurde als Sohn eines reichen Tuchhändlers im italienischen Assisi geboren und sollte zunächst in die Fußstapfen seines Vaters treten und das elterliche Unternehmen übernehmen. Als 1202 ein langjähriger Krieg zwischen Assisi und Perugia tobte, geriet er in Gefangenschaft und wurde krank. Nach der Rückkehr in seine Heimatstadt Assisi steckte er in einer Lebenskrise und vernachlässigte immer mehr seine Aufgaben im elterlichen Geschäft. Dies forderte den Zorn seines Vaters heraus. 1206 kam es schließlich zum endgültigen Bruch: Vor den Augen des Bischofs und des Volkes von Assisi zog er seine Kleider aus und gab sie dem Vater zurück. Er kleidete sich mit einem einfachen Büßergewand aus brauner Wolle und zog sich zu einem Leben in Armut in abgelegene, zerfallene Kapellen zurück.
1209 wurde in der kleinen Kapelle von Portiunkula das Evangelium von der Aussendung der Jünger gelesen; dem zufällig anwesenden Franziskus gab dies den Anstoß, unter die Leute zu gehen und zu predigen. Bald scharten sich die ersten Gefährten um ihn. An Pfingsten 1217 trafen sich die Brüder in Assisi und beschlossen, auch in Frankreich, Spanien und Deutschland kleine Niederlassungen zu gründen. Franziskus selbst ging 1219, mitten in der Zeit der Kreuzzüge, zu den Sarazenen (Muslimen). Er schloss Freundschaft mit dem Sultan und setzte sich so für eine friedliche Lösung des Konfliktes zwischen den verfeindeten Religionen ein. Am 29. November 1223 bestätigte Papst Honorius III. endgültig die Lebensregel der Minderbrüder, die Franziskus zusammen mit einigen Vertrauten in einer Einsiedelei verfasst hatte. Am Abend des 3. Oktobers 1226 starb Franziskus an der Portiunkula, der Geburtsstätte seiner Bruderschaft. Bereits knapp zwei Jahre nach seinem Tod wurde er heiliggesprochen. (kna)