Kardinal Müller: Befreiungstheologie bleibt weiter wichtig

Kritische Stimme

Nach Ansicht von Kardinal Gerhard Ludwig Müller spielt die Befreiungstheologie auch heute eine wichtige Rolle, insbesondere in Lateinamerika. Die Kirche müsse weiterhin ihre kritische Stimme gegen Ausbeutung und Unterdrückung erheben.

Gerhard Ludwig Kardinal Müller / © Hans Jeitner (DR)
Gerhard Ludwig Kardinal Müller / © Hans Jeitner ( DR )

Bei der Amazonassynode 2019 etwa werde man nicht an ihren Themen vorbeigehen können, "weil ja trotz mancher Verbesserungen die Situation für Millionen Menschen keineswegs befriedigend ist", sagte der frühere Präfekt der Römischen Glaubenskongregation im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) zum 90. Geburtstag des peruanischen Theologen Gustavo Gutierrez am 8. Juni.

Dieser war mit seinem Buch "Theologie der Befreiung" Mitbegründer und Namensgeber der Befreiungstheologie.

Stimme gegen Ausbeutung

In manchen Ländern gebe es einen Rückfall in rechte oder linke Diktaturen, dazu kämen problematische Folgen der Globalisierung, so Müller: "Hier muss die Kirche ihre kritische Stimme erheben gegen Ausbeutung, Unterdrückung und alle Angriffe auf die Menschenwürde." Sie müsse auch "immer wieder daran erinnern, dass Politik dazu da ist, das Gemeinwohl einer Gesellschaft zu garantieren".

Auch Papst Franziskus sei von seiner lateinamerikanischen Herkunft geprägt, zu der sicher auch Gedanken der Befreiungstheologie gehörten, so der Kardinal weiter: "Ich denke etwa an die Impulse, die Armen nicht zu vergessen und in der Verkündigung neben der spirituellen Seite auch die gesellschaftliche Dimension im Auge zu behalten."

Zölibat nicht dogmatisch mit Priestertum verknüpft

Eher skeptisch antwortete Müller auf die Frage nach theologischen Veränderungen im Rahmen der Amazonassynode. Wegen des Priestermangels in vielen Regionen Lateinamerikas wird unter anderem über die Priesterweihe für bewährte Männer ("viri probati") diskutiert.

Der Zölibat sei "mit dem Priestertum spirituell tief verknüpft", so Müller: "Das Zweite Vatikanische Konzil sagt aber, er ist dogmatisch nicht unbedingt damit verbunden."

Nicht nur pragmatisch argumentieren

So gebe es auch in der katholischen Ostkirche verheiratete Priester und evangelische oder anglikanische Geistliche, die katholisch werden, ergänzte der Kardinal: "Insofern haben wir auch im westlichen Ritus einige verheiratete Priester. Aber man muss unterscheiden und aufpassen, dass man nicht einfach rein pragmatisch argumentiert."

Das Ganze müsse theologisch begründet sein, so Müller weiter: "Und verheiratete Priester bringen ja auch neue Probleme mit und sind keinesfalls eine Garantie dafür, dass wir den großen Herausforderungen der Entchristlichung besser begegnen können."


Quelle:
KNA