Kardinal Marx kritisiert bayerische Kreuz-Pflicht

"Spaltung, Unruhe, Gegeneinander"

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Marx, kritisiert die Kreuz-Pflicht in bayerischen Behörden. Das Kreuz sei nicht nur "kulturelles Symbol". Auch andere Kirchenvertreter und Politiker äußerten Unverständnis.

Söder hängt ein Kreuz auf  / © Peter Kneffel (dpa)
Söder hängt ein Kreuz auf / © Peter Kneffel ( dpa )

In die Debatte über den Kreuzerlass der bayerischen Staatsregierung haben sich jetzt auch die Spitzenvertreter der beiden großen Kirchen eingeschaltet. Dabei warf der Münchner Kardinal Reinhard Marx Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vor, "Spaltung, Unruhe, Gegeneinander" ausgelöst zu haben."Wenn das Kreuz nur als kulturelles Symbol gesehen wird, hat man es nicht verstanden", sagte der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz der "Süddeutschen Zeitung" (Montag). "Dann würde das Kreuz im Namen des Staats enteignet." Es stehe dem Staat aber nicht zu, zu erklären, was das Kreuz bedeute.

Es sei "ein Zeichen des Widerspruchs gegen Gewalt, Ungerechtigkeit, Sünde und Tod, aber kein Zeichen gegen andere Menschen." Die gesellschaftliche Debatte über das Kreuz halte er für wichtig, ergänzte Marx. Man müsse diskutieren, was es heißt, in einem christlich geprägten Land zu leben. Dabei müssten aber alle einbezogen werden: Christen, Muslime, Juden und jene, die gar nicht gläubig seien.

Der Kölner Weihbischof Ansgar Puff findet den Beschluss des bayerischen Kabinetts grundsätzlich gut, kritisierte jedoch die Begründung Söders. Mutiger wäre eine andere Begründung gewesen. "Jeder, der ein öffentliches Gebäude betritt, soll sich fragen: Stehe ich an der Seite derer, die unschuldig Schlimmes erleiden müssen?" Wenn das die bayerische Lebensart wäre, wäre es ja für die Politik nur noch ein kleiner Schritt bis sie die Ankerzentren für Geflüchete abschaffen könnte oder die Sozialhilfe so bemisst, dass man als armer Mensch auch davon leben könnte, so der Kölner Weihbischof.

Künftiger Würzburger Bischof Jung: Kein Reduzieren auf bayerische Folklore

Der künftige Würzburger Bischof Franz Jung kritisiert die Position von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder und der CSU, das Kreuz vor allem als kulturelles Symbol zu sehen. "Ich halte diese Grundaussage für falsch", sagte Jung am Montag auf Anfrage: "Das Kreuz ist ein genuin religiöses Zeichen und darf nicht auf bayerische Folklore und heimatliches Brauchtum reduziert werden." Wer das Kreuz als christliches Symbol aufhänge, müsse sich in seinem Handeln am Kreuz und seiner Botschaft messen lassen, so der bisherige Generalvikar des Bistums Speyer.

Jung wird am 10. Juni in Würzburg zum Bischof geweiht. Vorher muss er vor Söder den Treueid auf Deutschland und Bayern ablegen, wie er nach dem Konkordat von 1933 zwischen dem damaligen Deutschen Reich und dem Heiligen Stuhl vorgesehen ist. Darin ist festgelegt, dass ernannte Bischöfe den Eid ablegen, bevor sie von einer Diözese Besitz ergreifen.

Der Limburger Bischof Georg Bätzing kritisiert den Erlass der bayerischen Staatsregierung ebenfalls. Dem Hessischen Rundfunk sagte Bätzing am Montag wörtlich: "Es ist zu vermuten, dass es bei dem Kreuz-Erlass darum geht, eine Identität durch Abgrenzung deutlich zu machen. Das kann ich als Bischof nicht mittragen, dafür steht das Kreuz nicht."

Bätzing äußerte die Vermutung, dass der Erlass «"icht allen Menschen gilt, sondern dass er eine ausschließende Tendenz hat". Es sei aber nicht so, dass die Kirche ihre Symbole verleugne, so Bätzing.

Bedford-Strohm: Kreuz nicht instrumentalisieren

Der Münchner Weihbischof Wolfgang Bischof betonte, das Kreuz sei kein Symbol für Bayern "und erst recht kein Wahlkampflogo". Wer im Geist des Kreuzes handeln wolle, "der muss die Menschen in den Mittelpunkt seines Handelns stellen, und zwar besonders die Menschen in Not".

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, äußerte sich auf Facebook zurückhaltend. Er wolle die Debatte nicht personalisiert führen, "sondern hart an der Sache". Wichtig sei ihm, die Inhalte, für die das Kreuz stehe, "in die Herzen der Menschen zu bringen". Es dürfe aber nie für irgendwelche Zwecke instrumentalisiert werden.

CSU-Landtagsabgeordneter Unterländer: Verständnis für beide Seiten

Der Vorsitzende des Landeskomitees der Katholiken in Bayern, der CSU-Landtagsabgeordnete Joachim Unterländer, hat Verständnis für die Kritik der Kirchen am Kreuz-Beschluss. Im Interview mit dem Bayerischen Rundfunk riet er am Montag dazu, bei der Umsetzung weiter das Gespräch mit den Kirchen zu suchen. "Wir brauchen bei dieser Frage ein gesellschaftliches Miteinander und nicht die Spaltung und Trennung."

Unterländer bezeichnete sich als "differenzierter Befürworter" des verpflichtenden Kreuzes in bayerischen Behörden. Dort verstehe er es "als Zeichen des Glaubens, aber auch als Zeichen der kulturellen Identität". Es sei notwendig, "hier im Dialog miteinander das Thema weiterzuführen". Er habe Verständnis für beide Seiten.

Bei der Umsetzung kann seiner Ansicht nach der Umgang mit Kreuzen in bayerischen Schulen Vorbild sein. Dies geschehe dort in einem "Klima des sozialen Friedens". Störe sich dann etwa jemand an dem Kreuz in Behörden, könne das Abhängen die Konsequenz sein. Die negative Religionsfreiheit sei grundgesetzlich garantiert, so Unterländer. "Das wird es auch im Einzelfall zu bedenken geben."

Die meisten Deutschen lehnen Kreuzpflicht ab

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt kritisiert den Beschluss, in allen bayerischen Behörden ein Kreuz anzubringen. "Als Christin fühle ich mich beleidigt", sagte sie der "Welt" (Montag). Aus ihrer Sicht sei das der "Missbrauch eines religiösen Symbols" durch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) und sein Kabinett.

Auf ihrem Schreibtisch stehe ein von ihrem Sohn geschnitztes Kreuz, so Göring-Eckardt weiter, "und wer hier reinkommt, muss das aushalten". Doch sei für sie eines klar: "Das Kreuz kann man nicht mal eben so zur Folklore erklären, wie das Söder getan hat. Söder meint es ausgrenzend, und das beleidigt das Christentum als solches."

In einer Umfrage lehnten unterdessen 64 Prozent der Befragten eine Kreuzpflicht für Behörden ab, 29 Prozent waren dafür. Bayerns Wissenschaftsministerin Marion Kiechle (CSU) sorgte für Unruhe: Zunächst bezeichnete sie in einer Talkshow den Erlass als "keine besonders kluge Idee". Später sagte sie in einer Erklärung der Staatsregierung: "Ich stehe klar zum einstimmigen Beschluss des bayerischen Kabinetts, (...) weil das Kreuz für die christliche Tradition Bayerns steht".

Staatsrechtler: Verfassungsrechtlich bedenklich

Söder selbst und andere CSU-Politiker verteidigten den Erlass. "Natürlich ist das Kreuz in erster Linie ein religiöses Symbol", räumte Söder ein. Doch in dem Symbol bündele sich auch die Grundidee eines säkularen Staates. Die Frage, ob sich die CSU bei christlichen Wählern anbiedern wolle, beantwortete er mit "Nein".

Der Würzburger Staatsrechtler Horst Dreier hielt den Beschluss, in allen bayerischen Behörden Kreuze anzubringen, für verfassungsrechtlich bedenklich. Insbesondere verstoße er gegen das Gebot religiös-weltanschaulicher Neutralität, schreibt er in einem Beitrag für die "Welt" (Montag).

Aus Dreiers Sicht verbietet es sich, "ein unbestrittenermaßen christliches Symbol von Staats wegen mit einer Deutung aufzuladen, die ihm seinen eigentlichen religiösen Sinn nimmt". So beraube man das Kreuz seiner eigentlichen Substanz und es "degeneriert zum behaglichen Gemütswert, zum musealem Traditionsgut".

Roth: Bewusste Vermischung von Religion und Politik

Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) warf Söder vor, nicht nur Religion zu instrumentalisieren, sondern auch Millionen Menschen auszugrenzen - Muslime, Atheisten und Juden: "Er missbraucht das Kreuz für seinen Wahlkampf und vermischt bewusst Religion und Politik."

Auch Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD), FDP-Chef Christian Lindner und der Leiter der Passionsspiele von Oberammergau, Christian Stückl, kritisierten den Erlass und warnten vor dem Missbrauch eines religiösen Zeichens. Der katholische Theologe Hans-Joachim Sander warf Söder vor, das Kreuz für Machtdemonstrationen zu nutzen und Nicht-Christen an den Rand zu drängen.

Theologieprofessor: Nicht-Gläubige an den Rand

Der katholische Theologieprofessor Hans-Joachim Sander warf dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) vor, das Kreuz als zentrales christliches Symbol für eine persönliche Macht-Demonstration missbraucht zu haben. "Mit dem Kreuz-Symbol als Ausdruck einer angeblich christlichen Macht drängt er andere Religionsgemeinschaften und deren Gläubige, aber auch Nicht-Gläubige an den Rand", sagte der Salzburger Dogmatiker dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Montag).

Söder habe das Symbol menschlicher Ohnmacht sogar als persönlichen Macht-Gestus benutzt, indem er sich vor die Kameras gestellt, das Kreuz aufgehängt und der Öffentlichkeit erklärt habe, wie es zu verstehen sei, sagte der Theologie-Professor der Uni Salzburg. Er rechne damit, dass der CSU-Politiker für seine "präpotente Kreuzdemonstration" einen politischen Preis zahlen werde.

Kreuz als Ausdruck der "kulturellen Prägung"

Das bayerische Kabinett hatte in der vergangenen Woche die allgemeine Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaats geändert.Im Eingangsbereich aller staatlichen Dienstgebäude muss ab 1. Juni als Ausdruck der "geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns" deutlich wahrnehmbar ein Kreuz als sichtbares Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung angebracht werden.


Quelle:
KNA , epd