65 Jahre Katholische Fernsehgottesdienste

Für die Mitfeier von zu Hause aus

Vor 65 Jahren wurde der erste römisch-katholische Fernsehgottesdienst aus Köln übertragen. Grund genug, die besonderen Herausforderungen und Abläufe sowie Hintergründe zu erfahren. 

Seit 65 Jahren: Gottesdienste im TV / © Nicolas Ottersbach (DR)
Seit 65 Jahren: Gottesdienste im TV / © Nicolas Ottersbach ( DR )

DOMRADIO.DE: Was ist die größte Herausforderung, wenn man einen Fernsehgottesdienst vorbereitet?

Martin Korden (Redakteur bei der Katholischen Fernseharbeit): Das ist zum einen die Anforderung, einen Sonntagsgottesdienst in 44,5 Minuten zu zeigen. Zum anderen die Auflage, dass der Fernseh-gottesdienst, der noch dazu live ausgestrahlt wird, in dieser Länge auch liturgisch korrekt sein sollte. Man weiß ja von herkömmlichen Sonntagsgottesdiensten, dass es gar nicht so einfach ist, in dieser Zeit einen normalen Sonntagsgottesdienst unterzubringen.

DOMRADIO.DE: Das heißt, der Priester darf eigentlich nicht so lange predigen?

Korden: Das ist das eine. Das würde sich auch aus dramaturgischen Gründen nicht so gut machen, wenn jemand eine Viertelstunde predigt. Ich würde mal sagen die Durchschnittspredigt in einem ZDF-Gottesdienst liegt bei fünf bis sechs Minuten, das ist schon sehr knapp. Für den Feiernden zu Hause am Fernseher ist das von der Empfindung her gerade lang genug. Es gibt noch einen anderen Punkt: alle Abläufe, die man in der Kirche erlebt – aufstehen, zum Ambo gehen oder sich setzen – fallen weg. Für den Betrachter zu Hause sind das stille Zeiten, die im Fernsehen nicht funktionieren. Da könnte man schnell denken, da geht gerade etwas schief. Damit spart man natürlich einiges an Zeit.

DOMRADIO.DE: Kritiker sprachen damals bei den ersten Fernsehgottesdiensten von einer "Profanierung des Gottesdienstes". Sie beklagten, dass die heilige Würde des Gottesdienstes verweltlicht würde. Gibt es diese Bedenken heute immer noch?

Korden: Ich glaube, man darf es nicht vergleichen damit, dass es dasselbe wäre, als würde man einen Gottesdienst besuchen. Man muss die pastorale Not dahinter sehen. Es gibt viele Menschen, die nicht mehr in der Lage sind, in die Kirche zu gehen. An die richtet sich der Fernsehgottesdienst aus pastoraler Sicht in erster Linie. Die Menschen haben trotzdem die Möglichkeit, einen Gottesdienst mitzufeiern. Das ist nicht vergleichbar mit einem Kirchgang, weil man die Eucharistie nicht empfangen kann. Aber man versucht einen kleinen geistlichen Ersatz zu zeigen, denn während der Kommunionausteilung wird ein Impuls gezeigt, der den Mitfeiernden an den Fernsehgeräten helfen soll, zumindest geistlich in eine etwas tiefere Stimmung zu kommen.

Es ist natürlich alles in allem nicht ersetzbar mit einer leibhaftigen Teilnahme am Gottesdienst. Das Mitfeiern ist aber vielleicht eine bessere Lösung, als gar nicht zu gehen. Noch besser wäre es vielleicht, dass Gemeinden den Fernsehgottesdienst mit dem Dienst mit der Krankenkommunion verbinden – einige Gemeinden machen das schon so. Das heißt, die Kranken schauen zu Hause. Hinterher machen sich die Kommunionhelfer auf dem Weg und bringen die Krankenkommunion. Insofern kann der Fernsehgottesdienst auch eine ideale Vorbereitung auf den Empfang der Krankenkommunion sein.

DOMRADIO.DE: Beim "Urbi-et-Orbi"-Segen, den der Papst jetzt bald an Ostern wieder spenden wird, heißt es jetzt auch immer: "Es sind auch alle die darin eingeschlossen, die über Radio, Fernsehen oder Internet dabei sind". Also kommt doch etwas an, oder?

Korden: Die Wirkung eines Segens kann man nicht beschränken darauf, dass es nur in unmittelbarer Nähe zu dem, der den Segen spendet funktioniert. Segen heißt ja "benedicere", das heißt "das Gute sagen". Das kommt grundsätzlich auch bei dem an, der das Gute hört. Also wenn man vielleicht von der lateinischen Bedeutung des Segens ausgeht, dann kann man das durchaus auch über andere Medien zu übertragen wissen.

DOMRADIO.DE: Warum müssen römisch-katholische Gottesdienste immer live sein?

Korden: Das hängt mit der Eucharistiefeier zusammen. Im römisch-katholischen Gottesdienst ist das Hochgebet der Höhepunkt: mit der Wandlung der Gaben von Brot und Wein in das Leib und Blut Christi. So etwas passiert in dem Moment, in dem es am Altar gewandelt wird. Die Bischofskonferenz hat damals gesagt, es ist nicht in Ordnung eine Eucharistiefeier zum Mitfeiern anzubieten, in dem klar ist, dass das, was gezeigt wird, nicht auch tatsächlich in dem Moment passiert. Die Heilige Messe sollte also live übertragen werden.

DOMRADIO.DE: Wie geht eine Vorbereitung ganz praktisch? Bewerben sich Gemeinden dafür?

Martin Korden: Das ist eine Möglichkeit, dass sich eine Gemeinde bewirbt für einen Gottesdienst. Es gibt aber auch einen "Schlüssel", der eine Abwechslung der Bistümer mit den jeweiligen Gemeinden vorsieht. Ebenso setzt man sich mit den Rundfunkbeauftragten der Bistümer zusammen und berät über mögliche Gemeinden in den Bistümern. Wichtig ist auch, dass sich ein Fernsehgottesdienst in der Kirche eignet. Wenn dann eine Gemeinde ausgesucht ist, beginnt die engere Planung ein halbes Jahr vorher.

DOMRADIO.DE: Die Eignung der Kirche – ist das eine technische Voraussetzung, oder geht es da auch um die Schönheit des Gotteshauses?

Korden: Schönheit ist natürlich subjektiv. Es geht auch darum, die verschiedenen Stile von Gotteshäusern darzustellen. Wichtig sind schon technische Fragen: Sind die Gänge breit genug? Ist Platz für die Kameras? Kann man den Kirchenraum aufnehmen, ohne die ZDF-Technik zu sehen? Es sollte groß genug sein, aber auch nicht zu groß – die korrekte Ausleuchtung, die für so einen Gottesdienst notwendig ist, wird schwieriger, je größer die Kirche ist.

DOMRADIO.DE: Fernsehen lebt natürlich von den Bildern. Da braucht es aber ja auch ein Fingerspitzengefühl bei den tiefen spirituellen Momenten der Menschen. Wie muss man da auswählen?

Korden: Wenn zum Beispiel gebetet wird, möchte man natürlich zum Mitbeten animieren. Dann sollte man schauen, dass Bilder gezeigt werden, die zu dem Gebet passen und nicht weglenken. Ein gutes Beispiel ist vielleicht das Vaterunser. Da gibt es den Brauch betende Hände zu zeigen oder vielleicht einen Blick, der nach oben geht. Da lenkt man mit einem Schwenk, der durch die Gemeinde geht und Menschen zeigt, eher ab. Während des Hochgebets oder der Gesänge zeigen wir oft auch die Erhabenheit des Kirchenraums, die einen buchstäblich nach oben zieht. Da ist viel Ästhetik vom Fernsehbild her möglich.

Das Gespräch führte Matthias Friebe.


Quelle:
DR