Kinderliteratur über das oft verdrängte Thema "Tod"

Es gibt kein falsches Trauern

Um die Themen Sterben und Tod machen viele gerne einen großen Bogen. Kinder gehen damit oft unbefangener um. Eine Reihe von Kinderbüchern kann Groß und Klein helfen, sich mit der Endlichkeit zu beschäftigen.

Autor/in:
Rainer Nolte
Mädchen im Gebet / © Harald Oppitz (KNA)
Mädchen im Gebet / © Harald Oppitz ( KNA )

"Ich habe Angst, dass ich Opa vergesse!" - dieser Satz ihrer Tochter traf Ayse Bosse ins Herz. Sie wollte das ändern und kreierte ein besonderes Kinderbuch. "Weil du mir fehlst" ist interaktiv, verspielt und nicht linear zu lesen, wie die meisten anderen Bücher zum Thema Tod und Trauer. Bosse, früher Schauspielerin, heute Autorin und Trauerbegleiterin, weiß aber auch: "Jeder hat seine eigene Art zu trauen." Deswegen könne auch nicht DAS eine Kindertrauerbuch empfohlen werden.

"Bücher sind dazu da, Dinge in Worte zu fassen, die ein Kind empfindet, aber für die es selbst keine Worte findet", sagt Bosse. Die Eltern seien die ersten Trauerbegleiter der Kinder und sollten deswegen auch eine erste Vorauswahl bei den Büchern treffen, weil sie ihre Kinder am besten kennen.

Die Angst wird kleiner

Zu den Klassikern gehört ihrer Ansicht nach "Die besten Beerdigungen der Welt", in dem ein paar Freunde ein Beerdigungsinstitut für tote Tiere eröffnen. "Für Kinder ist es interessant, wenn das Thema spielerisch in einer Geschichte eingefangen wird", sagt die Hamburgerin. Sie plädiert zudem dafür, solche Literatur auch präventiv zu lesen. Den Tod für Kinder zu tabuisieren, sei falsch.

Kinder machten sich über alles Gedanken - auch über Themen, die Angst auslösten. "Wenn man darüber redet, wird die Angst kleiner", habe ein Kind mal zu ihr gesagt.

Trauerbegleitung

"Dennoch muss ich jedem Kind seine Art der Trauer einräumen", sagt Bosse. Jeder trauere anders. "Der eine ist albern, ein anderer weint viel, wieder einem anderen merkt man kaum etwas an", so die 41-Jährige. Eine Botschaft sei wichtig: "Beim Trauern kannst du nichts falsch machen." Bücher könnten dabei ein Zugang zur Bewältigung der schwierigen Phase sein.

Mit Mitte 30 hatte die Schauspielerin sich für eine Veränderung entschieden, wollte künftig "etwas machen, was sinnvoll ist". Sie engagierte sich in einem Hamburger Kinderhospiz und begann bald darauf die Ausbildung zur Trauerbegleiterin.

Der Büchermarkt für Kinder im Kita-Alter bis zur Pubertät ist immens. "Oft kommen Kinder durch Haustiere zum ersten Mal mit dem Sterben in Kontakt", erzählt Bosse. Deswegen bieten sich Bücher mit Tierbezug wie "Gehört das so??!" an.

Malen, Erzählen, Spielen, Erinnern

Mit dem Tod eines Großelternteils geht häufig die erste tragische Erfahrung des Verlusts eines Menschen einher. "Als Oma immer kleiner wurde" nimmt dieses Thema auf. Bosse empfiehlt auch gerne das poetische Buch "Für immer" über den kleinen Egon und den Tod seines Vaters.

Die Erinnerungen an den Verstorbenen immer wieder rauszukramen, ist für Ayse Bosse wesentlich. Sie lege auch wert darauf, dass der Hinterbliebene sich von der Trauer nicht lähmen lässt, sondern ins Tun kommt. Ihr Buch sei deswegen auch interaktiv gestaltet: Seiten zum Malen, Erzählen, Spielen, Erinnern. "Wenn Kinder in ihrer Trauer noch kreativ sein können, dann kann ein Verlust sie sogar weiterbringen", erklärt sie. "Weil du mir fehlst" sei eine Trauerbegleitung in Buchform. Derzeit arbeitet sie an einem Nachfolger für Jugendliche. "Denn mein Buch funktioniert gut bis ins Teenageralter und auch dann wieder bei Erwachsenen, aber für die 13- bis 18-Jährigen muss es cooler sein."

Trauer und Humor

Bei ihrer Arbeit als Trauerbegleiterin, die sie auch in den Religionsunterricht führt, hat die türkischstämmige Bosse immer eine Bücherkiste dabei. Der Glaube des Trauernden mache für sie keinen Unterschied und sie erkläre den Kindern: "Am Ende geht es immer um Liebe und darum, bei Gott zu sein - egal wie er heißt." In der dritten und vierten Klasse empfiehlt sie gerne "Und was kommt dann?".

Ein Sachbuch über den Tod, der in einigen Teilen altersentsprechend nicht ganz ernst genommen wird. "Ich finde den Humor sehr erfrischend, es ist aber nicht jedermanns Sache", urteilt Bosse.

Selbstschutz

Das Buch "Leni und die Trauerpfützen" bringt laut der Expertin ein besonderes Phänomen rüber. Trauer sei speziell bei Kindern ein Gefühl, dass in einem Moment da sei und im nächsten wieder verschwunden. "Das ist ein Selbstschutz, denn die Trauer als ganze Portion ist sonst zu heftig - das sollten die Kinder annehmen", so Bosse. "Kinder dürfen kein schlechtes Gewissen haben, in der Trauer auch mal fröhlich zu sein."


Quelle:
KNA