Theologe Sellmann sieht Kirchen im Wandel

Von der "Pflicht" zur "Freiheit"

Der Bochumer Pastoraltheologe Matthias Sellmann sieht die Kirchen im radikalen Wandel von "Pflicht" zur "Freiheit". Neu in den Blick komme die Frage nach der Qualität von Gottesdiensten und dem Sonntagsgebot, erklärte Sellmann.

Gottesdienstbesucher / © Harald Oppitz (KNA)
Gottesdienstbesucher / © Harald Oppitz ( KNA )

Er ergänzte damit ein Interview vom Freitag im Deutschlandfunk. "Es geht um Inspiration." Für Sellmann gibt es Anlass, über die Frage der Pflicht zum Gottesdienstbesuch nachzudenken. Laut Kirchenrecht ist jeder Katholik verpflichtet, sonntags eine Messe zu besuchen.

Pflichten seien unattraktiv

Auf die Interviewfrage, warum sich so wenige an die Sonntagspflicht gebunden fühlten, sagte der Theologe: "Das ist sicherlich auch Teil dieses Übergangs, in dem wir sind. Also dass wir so diese ganze Idee von religiöser Schönheit, von religiöser Virtuosität sehr schnell mit solchen Dingen wie Pflicht, Gültigkeit doch sehr unattraktiv machen." Sellmann ergänzte: "Ich sage mal so: Meine Frau hat sicher auch das Recht darauf, dass ich sie umarme und küsse, aber niemand würde ja noch von der Kusspflicht noch heute sprechen."

Es gehe "eher um eine Selbstverpflichtung von jemandem", der einmal zu Gott gesagt habe, "ich möchte zu dir gehören, und du sollst mich bestimmen dürfen", betonte Sellmann. Seiner Meinung nach sei es auch gut, "dass wir rauskommen aus dieser Idee, Religion muss was mit Pflicht und mit Muss und mit diesen ganzen Böden zu tun haben, weil dadurch die ganze Schönheit - gerade einer liturgischen Feier - völlig flöten geht".

Qualitätsbewusstseinsproblem

Er selber habe "großartige Gottesdienste" erlebt. "Meiner Meinung nach ist eine Messe oder eine Liturgie, ein Gottesdienst dann gut, wenn mein Alltag Platz hat und wenn er da verwandelt wird", sagte der Theologe dem Deutschlandfunk. Die Frage nach der Qualität eines Gottesdienstes "musste früher nie gestellt werden in einem Setting, in dem es um Pflicht ging und Routine und Anstand und so weiter".

Heute sei dies "aber eine ganz wichtige Frage, und deswegen glaube ich, ja, es gibt ein Qualitätsproblem, es gibt auch ein Qualitätsbewusstseinsproblem", so Sellmann. "Das liegt aber nicht daran, dass Leute was falsch machen. Das liegt daran, sie es bisher gar nicht gewohnt sind, diese Frage innerhalb von Kirche an uns ran zu lassen."

Deutsche mögen die Kirche

Religion habe "ganz viel mit Schönheit, ganz viel mit Brillanz, ganz viel mit Abwechslung zu tun", betonte Sellmann. Zugleich gebe es mitunter allerdings auch Routine, Pflicht, und vielleicht auch ein wenig Langeweile. Sellmann verwies auf Stellungnahmen "von großen Heiligen, echten Profis wie Therese von Lisieux und Augustinus, die klagen auch schon darüber, dass sie schlicht einpennen in der Kirche". Um dagegen anzugehen, hätten sie an ihrer "Gottesbeziehung" gearbeitet.

Sellmann sieht Sympathie der Deutschen für die Kirchen. "Die Prestigewerte für Priester sind sehr hoch. Die Bereitschaft Kirchensteuer zu zahlen, finde ich spektakulär." Auch Feiern wie Hochzeiten, Beerdigungen oder Erstkommunion seien vielen Menschen wichtig. Sellmann verwies in diesem Zusammenhang auf eine Licht- und Klanginstallation 2016 im Kölner Dom. Diese habe Zehntausende angezogen. 

Matthias Sellmann

Mattias Sellmann wurde 1966 in Neheim geboren und ging in Höxter zur Schule. 1985 machte er sein Abitur und leistete anschließend seinen Wehrdienst. Er studierte Katholische Theologie zunächst an der Universität in Paderborn, unterbrach sein Studium aber nach zwei Jahren für ein "Freiwilliges Soziales Jahr". Das verbrachte er in der Schwerst-Altenpflege im Caritas-Altenheim in Herten. 

Im Anschluss studierte er an der Universität in Bonn weiter und absolvierte dort 1994 sein Diplom in Theologie. Ein Jahr später machte er sein Examen in Sozialwissenschaften. 

Matthias Sellmann / © Julia Steinbrecht (KNA)
Matthias Sellmann / © Julia Steinbrecht ( KNA )

 

Quelle:
KNA