Benediktiner Christoph Gerhard zu Astronomie und Glaube

"Ein Gott, der bewiesen ist, ist ein Götze"

Benediktinerpater Christoph Gerhard ist Wirtschaftschef der Abtei Münsterschwarzach. In seiner Freizeit schaut der Cellerar des Klosters in die Sterne. Im Interview spricht er über die Weiten des Weltalls und die Suche nach dem lieben Gott.

Pater Christoph Gerhard / © Katharina Ebel (KNA)
Pater Christoph Gerhard / © Katharina Ebel ( KNA )

KNA: Sie haben ein Buch geschrieben mit dem Titel: "Und sie bewegt sich doch". Dabei denkt jeder an Galileo Galilei. Was sagen Sie dazu?

Pater Christoph Gerhard (Wirtschaftschef der Abtei Münsterschwarzach und Hobby-Astronom): Es bezieht sich natürlich auf Galilei, auch wenn er das Zitat wahrscheinlich so nicht gesagt hat. Es entstammt wohl dem 19. Jahrhundert, wo man ihn zu einer Art "Wissenschafts-Märtyrer" erhoben hat. Man wollte zeigen, wie sehr die katholische Kirche gegen die Wissenschaft ist. Aber das Zitat hat für das Buch einen doppelten Sinn: Die Astronomie bewegt den Glauben und damit die Kirche. Und umgekehrt: Glauben kann auch die Astronomie bewegen, sogar beflügeln.

KNA: Inwieweit?

Gerhard: Was kann die Naturwissenschaft zu der Frage sagen, wer dieser Schöpfer ist und wie er die Schöpfung geschaffen hat? Für mich zeigt die Astronomie, wie groß wir eigentlich glauben müssen und nicht zu klein glauben dürfen.

KNA: Sie haben den Urknall sehr ausführlich geschildert. Was bleibt da von den biblischen Schöpfungsberichten übrig?

Gerhard: Biblische Schöpfungsberichte sind keine naturwissenschaftlichen Aussagen und damit berühren sie sich zunächst einmal ganz wenig. Aber sie wollen ja etwas aussagen über Gott und die Menschen, wie er die Schöpfung geschaffen hat, wie sich der Mensch in dieser Schöpfung wiederfindet und in welchem Verhältnis er zu Gott steht. Vor allem der erste Schöpfungsbericht ist ein Kontrastprogramm zum damaligen Glauben: Sonne, Mond und Sterne sind keine Götter. Die Sterne haben keine Macht über uns, sondern Gott.

KNA: Wie weit schauen sie derzeit ins Weltall?

Gerhard: Ich schaue bis zum Rand des Weltalls. Die entferntesten Quasare (weit entfernte Galaxien) sind mehr als zwölf Milliarden Lichtjahre in der Distanz. Genau genommen ist das aber Laufzeit des Lichtes vom Quasar zu uns. Was mit dem Objekt heute ist, entzieht sich unserer Kenntnis. Wahrscheinlich sind sie heute wesentlich weiter weg und haben eine ganz andere Gestalt.

KNA: Entdeckt man da auch den lieben Gott?

Gerhard: Naturwissenschaft hat etwas mit Beweisen und Wissen zu tun, mit einer objektiven Vorgehensweise. Aber Glauben hat eine subjektive Herangehensweise. Insofern kann die Naturwissenschaft für den Glauben nichts beitragen. Aber ich muss als Mensch die beiden Seiten Naturwissenschaft und Glaube verbinden, das Objektive mit meiner subjektiven Beziehung zu Gott. Da wird es immer dynamisch bleiben. Ein Glaube, der bewiesen ist, ist tot und ein Gott, der bewiesen ist, ein Götze. Allerdings: Ein Glaube, der nichts mit der objektiven Wirklichkeitswahrnehmung der Naturwissenschaft zu tun hat, ist eine Fantasie.

KNA: Entdeckt man trotzdem irgendwo Gott?

Gerhard: In einer doppelten Weise: Ich mache diese uralten menschlichen Erfahrungen von Einheit, von Größe, von Weite. Und: Wenn ich meine naturwissenschaftlichen Ergebnisse ernst nehme und ich mich frage, wo das alles herkommt, bleibt für mich als Mensch nur eine sinnvolle Antwort: dass es da einen Schöpfergott dahinter geben muss, der sagenhaft genial ist. Das zeigt sich etwa darin, wie das Weltall aufeinander abgestimmt ist. Wie sich die Evolution entwickelt hat - einfach eine geniale Geschichte, die schönste Geschichte der Welt.

KNA: Gibt es denn Leben jenseits der Erde?

Gerhard: Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit gibt es das meiner Meinung nach sicher auf einem einfachen Niveau. Ob es so etwas wie Intelligenz gibt? Gibt es die immer auf der Erde? In der Astronomie gibt es mindestens 20 gute Gründe, dass es kein intelligentes Leben woanders gibt. Selbst wenn es etwas gäbe, wird es angesichts der kosmischen Distanzen mit dem Beweis schwierig: Es würde vier Lichtjahre dauern, allein zu den nächsten Sternen ein Signal zu senden. Die Antwort wieder vier Jahre zurück. Eine Kommunikation kann da praktisch nicht stattfinden. Und es müsste gleichzeitig intelligentes Leben auch dort geben. Unsere Kultur macht nur einen Wimpernschlag in der Erdentwicklung aus. Auf der Partnererde müsste es diesen Wimpernschlag zeitgleich geben.

KNA: Es gibt also für Sie als Missionsbenediktiner auch kein Missionsgebiet bei Außerirdischen?

Gerhard: Gesetzt den Fall, es gäbe sie, könnte ich mir nicht vorstellen, dass sie nicht religiös wären. Das wäre ein ganz spannendes Gespräch über Gott und die Welt. Mich täte es brennend interessieren.

Das Interview führte Christian Wölfel.


Quelle:
KNA