Priester wirbt für Neuanfang statt Resignation

Aus, Amen, Ende?

Vor einem Jahr zog er sich in ein Kloster zurück. Nun fordert der Münsteraner Priester Thomas Frings kirchliche Aufbrüche und Neuanfänge. In seinem Buch "Aus, Amen, Ende?" zeigt er eine aus seiner Sicht zukünftige Variante des Gemeindelebens.

Autor/in:
Volker Hasenauer
Thomas Frings / © Günter Benning (KNA)
Thomas Frings / © Günter Benning ( KNA )

"Ich habe den Glauben daran verloren, dass der Weg, auf dem ich als Gemeindepfarrer mit Freude und Engagement gegangen bin, ein zukunftsweisender ist." Vor einem Jahr überraschte der Münsteraner Pfarrer Thomas Frings seine Gemeinde und bat seinen Bischof um Beurlaubung. Nicht wegen Burnout oder weil er eine Frau kennengelernt hätte. Der erfahrene Priester zog einen Schlussstrich, weil er davon überzeugt ist, dass die aktuelle Glaubens- und Gotteskrise nur durch radikal neue Ideen und neue Formen kirchlichen Lebens beantwortet werden kann. Und nicht durch das Festhalten an Traditionen und Konzepten der Vergangenheit. Das alte System der Volkskirche, so Frings Credo, ist am Ende.

Vision einer katholischen Gemeinde mit Zukunft

Frings zog sich in ein Benediktinerkloster hinter der niederländischen Grenze zurück, zwölf Monate später erscheint sein Buch "Aus, Amen, Ende?", indem er seine Überlegungen darlegt - und in einem Schlusskapitel seine Vision einer katholischen Gemeinde mit Zukunft entwirft: "Nicht Schafen hinterherlaufen, die sich gar nicht verloren fühlen. Sondern selbst Anlaufpunkt sein für Menschen, die kommen wollen." Das, davon ist der 56-Jährige überzeugt, ist der Weg, den Jesus selbst gegangen ist und vorgezeichnet hat. Und er selbst wäre gerne bereit für das Wagnis einer Gemeindeneugründung, wie er vor wenigen Tagen im Deutschlandfunk sagte.

Frings träumt von einer Gemeinde, die nicht mehr automatisch aus allen im Umkreis des Kirchtums wohnenden Kirchensteuerzahlern besteht, sondern ein lebendiger Ort ist, für den sich Christen bewusst entscheiden müssen. Dabei ist jeder willkommen. Dazu muss niemand getauft sein oder das Vaterunser vorbeten können. Frings schwebt ein Modell der gestuften Nähe vor: Wie eng sich Menschen in dieser Gemeinde der Zukunft engagieren, entscheidet jeder und jede selbst. "Es gibt nicht das eine Angebot, sondern die unterschiedlichsten, abgestimmt auf den Hunger und den Appetit der Kundschaft", formuliert der Theologe.

Getauft wird danach nur derjenige, der den christlichen Glauben auch wirklich im Alltag leben will. Kinder nur dann, wenn ihre Eltern ihnen ein christlich geprägtes Leben vorleben.

Erstkommunion als "Letztkommunion"?

Warum, fragt Frings, würden Kinder heute überhaupt getauft, wenn doch von vornherein klar sei, dass die Eltern das beim Taufgottesdienst gegebene Versprechen, ihr Kind im Glauben zu fördern, nie einhalten wollten? Warum werde der schöne Schein der Erstkommunionfeier als aufwendig gestaltetes Fest aufrechterhalten, obwohl viele Erstkommunionkinder vor und nach dem Weißen Sonntag nie mehr in den Gottesdienst kämen? Aus der Erstkommunion sei in den vergangenen Jahren unaufhaltsam eine "Letztkommunion" geworden, schreibt Frings.

Seine Kritik schlug im vergangenen Jahr bundesweit Wellen. Viel Zuspruch habe er erfahren, betont er. Und räumt zugleich ein, dass sein Schritt viele in der Seelsorge Engagierte und Priester vor den Kopf stieß, indem er faktisch am Sinn ihres Arbeitens zweifelte.

Priesteramt nicht aufgeben

Sein Buch macht deutlich, dass es Frings nicht darum geht, Brücken einzureißen. Zu sehr liebt er "seine" katholische Kirche. Niemals wolle er aufgeben, Priester zu sein. Frings Thesen sind vielmehr ein Bewerbungsschreiben, es mit einer neuen Gemeindeform einmal wagen zu dürfen. Am liebsten würde er sie "Arche-Gemeinde" nennen. Vielleicht, so hofft er, könnten solche Gemeinden besser auf die veränderten Lebensgewohnheiten reagieren: Menschen für kurzfristige Projekte motivieren etwa und doch neue missionarische Strahlkraft erlangen.

Frings schwebt eine "Entscheidergemeinde" vor, die zur Lebensgemeinschaft der in ihr Zusammenkommenden wird. Vom Anfang des Lebens bis zum Ende. So könne ein Team Sterbenden vor dem "Schmerz der Einsamkeit" bewahren; Taufen werden nicht vom Priester vorbereitet, sondern von Familien. Eine Erstkommunion gäbe es nicht, weil ein Kind in die dritte Klasse kommt, sondern weil die Eltern wollen, dass ihr Kind in die Gemeinschaft aufgenommen wird. Und, auch das wiederholt Frings immer wieder: Die neue "Arche-Gemeinde" würde von allen Mitgliedern getragen und geprägt, und nicht vom Priester als Alleinunterhalter.


Quelle:
KNA