Zu Besuch bei einem Hostienbäcker

Damit Glaube greifbar wird

Ohne ihn gingen die Katholiken beim sonntäglichen Kirchgang leer aus: Als Hostienbäcker produziert Thomas Held jährlich über drei Millionen Stück des sakralen Gebäcks. In seiner gläsernen Hostienbäckerei in Kevelaer hat er seine Berufung gefunden.

Autor/in:
Julia Rosner
Thomas Held bei der Arbeit / © Yavuz Arslan
Thomas Held bei der Arbeit / © Yavuz Arslan

"Gott ist individuell - er begegnet jedem persönlich. Mich hat er hierhin geschickt", erzählt Thomas Held, während er kurz nach fünf Uhr am Morgen die unscheinbare Glastür der Hostienbäckerei "Sankt Johannes" in einer Seitengasse des Wallfahrtsortes Kevelaer (NRW) aufschließt. Zügig läuft der 51-Jährige durch den Eingangsladen in die hinteren Räume der ehemaligen Fabrik, wo sich die Backstube befindet. Dort befüllt er einen großen Metalleimer mit Wasser und setzt ihn in ein Rührgerät. In einem weiteren Eimer füllt er Weizenmehl ab, das dem Wasser untergerührt wird.

Vom Ordensmann zum Hostienbäcker

Mit dem Hostienbacken hat Thomas Held früh begonnen. Erlernt hat er das Handwerk, das früher hauptsächlich in Klöstern praktiziert worden ist, selbst in einem solchen Hause. Über 15 Jahre lebte der gebürtige Schwabe in einer Lebensgemeinschaft der katholisch-geistlichen Strömung "Charismatische Erneuerung" in einer Abtei in Frankreich. "Als ich das Kloster in den ersten Tagen nach meiner Ankunft erkundete, entdeckte ich eine kleine, heruntergekommene Hostienbackstube. Gemeinsam mit anderen Ordensgemeinschaften, die in der Nähe lebten, habe ich das Handwerk des Hostienbackens erlernt".

So gründete der junge Ordensmann die alte klösterliche Hostienbäckerei neu. Fortan konnten umliegende Gemeinden mit den selbstgebackenen Oblaten beliefert werden. Dies sprach sich im Ort herum, so dass immer mehr Menschen dem Hostienbäcker über die Schulter schauen wollten. Dabei befragten sie ihn häufig, was sich hinter dem sakralen Gebäck verbirgt. Mit Freude erklärte er ihnen das Handwerk der Hostienherstellung und erzählte dabei auch vom Ursprung der Hostien, dem letzten Abendmahl Jesu mit seinen Jüngern. Dabei soll Jesus laut biblischer Überlieferung ein Stück Brot zerbrochen und an die Jünger mit den Worten "das ist mein Leib, der für euch hingegeben wird" ausgeteilt haben. Christen glauben, dass Jesus mit diesem Zeichen seinen bevorstehenden Tod am Kreuz als Hingabe für die Menschen erklärt hat. Dieser Glaube wurde zur Grundlage der heiligen katholischen Messe. Im Hochgebet, dem Höhepunkt der Feier, spricht der Priester ein Gebet über die Hostien, das zur Wandlung des Brotes in den Leib Christi führen soll.

Während Thomas Held den interessierten Klosterbesuchern von dieser biblischen Geschichte berichtete, soll es immer wieder zu interessanten Debatten über den Glauben gekommen sein, die, wie er heute sagt, auch seinen eigenen Glauben geprägt haben.

Hostienbacken als Gottesdienst

Als sich die klösterliche Gemeinschaft, in der er viele Jahre gelebt hat, schließlich auflöste, kam er zurück nach Deutschland und gründete gemeinsam mit seiner späteren Frau die gläserne Hostienbäckerei "Sankt Johannes" in Kevelaer. Dort sieht er sich zu zweierlei Dingen berufen. Auf der einen Seite leistet er mit dem Hostienbacken einen Beitrag zu den Messfeiern - für ihn als getauften Christen eine Art "Gottesdienst". Auf der anderen Seite bietet er Führungen durch die Bäckerei an, in denen er hauptsächlich Kommunionkindern und Firmlingen die theologischen und geschichtlichen Hintergründe der Hostie erklärt. "Glauben muss wieder greifbarer werden. Dafür stehe ich hier", erklärt er.

Während Thomas Held über die Geschichte seiner Bäckerei erzählt, ertönt plötzlich ein lautes Pfeifen in der Backstube. Für den Bäcker ist das das Signal, dass die erste Teigmischung des Tages fertig angerührt ist. Routiniert lässt er den fertigen Teig aus dem Rühreimer in eine Schüssel ab und transportiert ihn in die Backstube. Dort sind mittlerweile zwei seiner Mitarbeiterinnen eingetroffen, die schon den großen Hostienbackautomaten vorgeheizt haben. Gemeinsam spritzen sie den zähflüssigen Teig auf ein 185°C-heißes Hostienbackeisen, das mit einem weiteren Eisen geschlossen wird. Mit einem lauten Zischen entweicht der überschüssige Wasserdampf aus dem Teig, der daraufhinzu  einer  dünnenPlatte erstarrt. Anschießend transportieren sie die noch heißen Hostienplatten in ein Trockengitter. Wenn die Platten abgekühlt und mehrere Stunden in einem Raum mit hoher Luftfeuchtigkeit auseinandergegangen sind, werden die kreisförmigen Oblaten einzeln mit der Stanzmaschine ausgestochen. Erst danach können die Hostienbäcker ihr Resultat begutachten und auf Brüchigkeit testen. Diese ist das wichtigste Qualitätsmerkmal von Hostien.

Die richtige Konsistenz

Zerbricht das sakrale Gebäck noch vor der Wandlung in der Messfeier oder zerbröselt gar beim Austeilen an die Gläubigen, wäre das fatal, denn von der gewandelten Hostie, dem Leib Christi, darf nach katholischem Verständnis kein Partikel verlorengehen. Dieses Mal ist jedoch alles gutgegangen, denn die Hostien haben die perfekte Konsistenz. So werden sie getrocknet, sortiert, verpackt und an Pfarreien in ganz Deutschland versandt.

Thomas Held hat seine Berufung in der Hostienbäckerei gefunden und auch die anfänglichen Herausforderungen, die er beim Aufbau der Bäckerei hatte, etwa den kostenintensiven Umbau der alten Fabrik, niedrigere Besucherzahlen als erwartet und den Tod seiner ersten Frau, mit der er die Bäckerei aufgebaut hatte, überwunden. Dabei hat er, wie er heute sagt, die Liebe und Barmherzigkeit Gottes immer wieder neu kennengelernt. Egal was passiert ist, er fand immer wieder die Kraft dazu, weiter zu kämpfen. "Jeden Abend, wenn ich die gläserne Tür zur Bäckerei abschließe, bin ich dankbar dafür, welchen Weg ich gehen durfte."


Handarbeit in der Hostienbäckerei / © Yavuz Arslan
Handarbeit in der Hostienbäckerei / © Yavuz Arslan
Quelle:
DR