Jesuiten-Flüchtlingsdienst rügt deutsche Asylpolitik

Contra "Wohnsitzauflage" und Flüchtlingsausweis

Die politischen Forderungen nach verschärften Asylgesetzen reißen nicht ab - nun sollen der Datenaustausch verbessert und ein Flüchtlingsausweis eingeführt werden. Scharfe Kritik kommt vom Jesuiten-Flüchtlingsdienst.

Flüchtlingsausweis / © Michael Kappeler (dpa)
Flüchtlingsausweis / © Michael Kappeler ( dpa )

domradio.de: Was halten Sie von dem Gesetz zum verbesserten Datenaustausch - beziehungsweise dem Flüchtlingsausweis?

Stefan Keßler (Politik- und Rechtsreferent beim Jesuiten-Flüchtlingsdienst in Berlin): Wir werden erst einmal schauen müssen, ob das Ganze überhaupt funktioniert. Ich glaube auch nicht, dass der Datenaustausch das zentrale Problem bei der Durchführung von Asylverfahren ist. Es kommt vielmehr darauf an, ob man die zuständigen Behörden - vor allem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - vernünftig ausstattet, um Asylanträge halbwegs zügig zu bearbeiten. Hinzu kommt noch, dass das Bundesamt eigentlich von überflüssigen Aufgaben, die es derzeit hat, entlastet werden müsste. Das wären jetzt im Grunde genommen die gesetzlichen Änderungen, die jetzt anstehen und nicht unbedingt die Verbreiterung des Datenaustausches.

domradio.de: Wie beurteilen Sie die Debatte zur Verschärfung der Asylgesetze, die besonders durch die Vorfälle in der Silvesternacht in Köln noch an Brisanz gewonnen hat?

Stefan Keßler: Ich habe den Eindruck, dass in der Debatte sehr viel an Heuchelei und Nebelkerzenwerferei passiert. Wir haben ja nach der Silvesternacht in Köln vor allen Dingen feststellen müssen, dass wir im Sexualstrafrecht Lücken haben und vieles, was an Scheußlichkeiten passiert ist, strafrechtlich gar nicht geahndet werden kann, weil es dafür keine Straftatbestände gibt. Hier wäre eigentlich anzusetzen, damit man auch den Schutz von Frauen in der Öffentlichkeit verbessern kann. Die Verschärfung des Ausweisungsrechts und auch die Hetze gegen Ausländer und Flüchtlinge helfen da in keiner Weise weiter. Im Gegenteil: Die zum Teil ja schon islamophoben Tendenzen, die wir in der Diskussion feststellen, bringen die Diskussion in eine Richtung, in die sie nicht laufen soll.

domradio.de: Der neuste politische Vorschlag ist die sogenannte "Wohnsitzauflage". Befürworter sind unter anderem SPD-Chef Gabriel und Kanzleramtsminister Altmaier. Sie wollen nicht nur Asylbewerbern, sondern auch anerkannten Flüchtlingen, vorschreiben, wo sie wohnen. Damit soll verhindert werden, dass alle in die großen Städte ziehen und sich dort Probleme ballen. Sehen Sie dadurch auch eine möglich Gefahr für eine gelingende Integration der Flüchtlinge?

Stefan Keßler: Es kann auf diese Weise Integration eher verhindert werden, weil Flüchtlinge häufig dorthin ziehen, wo sie bereits Anlaufpunkte haben, die ihnen bei der Integration helfen können. Im Übrigen ist eine Bundesauflage für anerkannte Flüchtlinge mit dem Völkerrecht nicht zu vereinbaren. Die Genfer Flüchtlingskonvention sagt, dass anerkannte Flüchtlinge ähnlich wie Staatsangehörige behandelt werden müssen; und es gibt keine Bundesauflage für Deutsche.

domradio.de: Gestern ist auch laut geworden, dass es CDU-Generalsekretär Tauber nicht schnell genug gehen kann, Asylbewerber abzuschieben. Die Bundesländer seien ihm zufolge in der "Pflicht", täglich 1.000 abgelehnte Asylbewerber in ihre Heimatländer zurückzuschicken. Wie bewerten Sie das aktuelle politische Vorgehen - den allgemeinen Tenor, der zurzeit in der Flüchtlingspolitik vorherrscht?

Stefan Keßler: Es ist widerlich. Hier Schlagzahlen vorgeben zu wollen und auf Teufel komm raus die Abschiebezahlen steigern zu wollen, hat mit der Einzelfallprüfung und mit der Bewertung der Umstände des einzelnen Menschen nicht mehr viel zu tun. Wir haben bei uns in der Beratung immer wieder Menschen, die von Abschiebung bedroht sind, die aber auch Schreckliches befürchten müssen, wenn sie in ihr Herkunftsland zurückkehren müssen. Eine Zahl von 1.000 Menschen pro Bundesland und Tag oder Monat hat mit einer Berücksichtigung von Umständen dieser Menschen nichts mehr zu tun. Das kann keine Politik sein, die in Deutschland gefahren wird.

Das Interview führte Daniel Hauser.


Quelle:
DR