Infotag des Erzbistums Berlin zum Thema Flüchtlingshilfe

Helfen - aber richtig

Gut gemeint ist nicht immer auch gut. Damit ehrenamtliche Hilfsbereitschaft optimal zum Einsatz kommen kann, bedarf es mitunter einiger Hilfen - gerade auch bei der Arbeit mit Flüchtlingen.

Autor/in:
Thomas Klatt
Flüchtlinge vor Erstaufnahmeeinrichtung / © Jens Büttner (dpa)
Flüchtlinge vor Erstaufnahmeeinrichtung / © Jens Büttner ( dpa )

Wie kann ich Flüchtlingen helfen? Eine Frage, die viele Menschen derzeit umtreibt. Das Erzbistum Berlin nahm dies zum Anlass, Engagierte, Interessierte und Fachleute an diesem Samstag bei einem Infotag miteinander ins Gespräch zu bringen. Generalvikar Tobias Przytarski freute sich über die mehr als 160 Teilnehmer. Zugleich kritisierte er, dass manche Politiker mitunter die in der Flüchtlingsarbeit Engagierten auch als "nützliche Idioten" bezeichneten.

"Nicht alle Flüchtlinge wollen Kuchen backen lernen"

Das Erzbistum Berlin unterstützt das ehrenamtliche Engagement mit einem Flüchtlingsfonds in Höhe von 250.000 Euro. Antragsteller können katholische Gemeinden oder von ihnen befürwortete Gruppen sein. Die Berliner Caritas-Direktorin Ulrike Kostka riet in diesem Zusammenhang zu einem "richtigen Maß" bei den Hilfsinitiativen: "Es ist jetzt nicht so, als würden wir jede Menge Erwachsenen-Kitas aufbauen. Nicht alle geflüchteten Männer wollen basteln oder Kuchen backen."

Kostka verwies auch auf die gewichtige politische Rolle christlicher Hilfe. Erst als die Caritas angesichts der katastrophalen Lage am Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) Druck gemacht habe, bewegte sich der Senat: "Kirche muss auch widerständig zur Politik auftreten. Es hätte sonst Kältetote gegeben."

Warnung vor Überforderung Ehrenamtlicher

Wer mit Flüchtlingen arbeitet, hat es häufig mit Menschen zu tun, die extreme psychosoziale Situationen hinter sich haben. "Viele haben Traumafolgestörungen", berichtete Meryam Schouler-Ocak, Ärztin für Psychiatrie und Psychotherapie im Sankt Hedwig-Krankenhaus. Wichtig sei es, dass die Helfer ein Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit vermittelten: "Damit die Flüchtlinge vom Modus des Überlebens in den des Lebens kommen." Zugleich warnte Schouler-Ocak vor einer Überforderung Ehrenamtlicher: "Wenn man nicht mehr schlafen kann, dann ist es zu viel. Es besteht die Gefahr, selbst in Burnout und Depression zu stürzen."

Wichtig im Umgang mit Flüchtlingen sei auch die Entwicklung einer gewissen interreligiösen Kompetenz, sagte der Sozialethiker Andreas Lob-Hüdepohl von der Katholischen Hochschule für Sozialwesen in Berlin-Karlshorst. Man müsse achtsam sein gegenüber anderen Religionen und zugleich auskunftsfähig und -willig über den eigenen Glauben. Gleichzeitig verwies Lob-Hüdepohl darauf, dass es selbst in Kirchengemeinden einen "nicht unerheblichen Prozentsatz" an Rechtspopulismus und "gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit" gebe. Dagegen helfe konkrete Solidarität im Nahbereich: "Macht einfach mit beim Nachbarschaftscafe neben dem Flüchtlingsheim. Wenn man sich kennt, wirkt Fremdheit nicht mehr bedrohlich."

Politik operiere mit zu hohen Flüchtlingszahlen

Ein Experte mit langer, internationaler Erfahrung beim Thema Flucht und Asyl ist der Jesuiten Flüchtlingsdienst (JRS). Dessen Direktor der deutschen Sektion, Pater Frido Pflüger, rief zu einer "nüchternen  Analyse der Problemlage" auf. Zur Zeit gebe es knapp 60 Millionen Flüchtlinge weltweit, so viele wie noch nie zuvor, von denen aber 86 Prozent in Entwicklungsländern lebten und dort auch bleiben wollten. Nach Europa käme lediglich ein halbes bis ein Prozent. Also könne man objektiv gar nicht von einer Schwemme sprechen, so Pflüger.

In der deutschen Flüchtlingsdebatte würde mit viel zu großen Zahlen operiert, um Ängste zu schüren, kritisierte der Ordensmann: "Laut Frontex gibt es gerade einmal 600.000 Eingänge in ganz Europa. Trauen Sie nicht den hohen Zahlen. Die Zahl von über einer Million ist falsch." Auch das vermeintliche Bedrohungsszenario der so genannten Familienzusammenführung sei falsch. So gebe es in Deutschland derzeit rund 280.000 Syrer, von denen viele junge und unverheiratete Männer ohne eigene Familie seien.

Pflüger riet Interessierten, sich auf den Internetseiten vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu informieren oder auf Plattformen wie "asyl.net", wo Caritas, Diakonie, AWO und andere verlässliche Informationen böten.


Quelle:
KNA