Passauer Caritas zur Flüchtlingssituation in Bayern

"Brauchen bessere Koordination mit Österreich"

Der Flüchtlingsstrom nach Bayern reißt nicht ab. In Passau kommen täglich mehrere tausend Menschen aus Österreich an. Die Caritas vor Ort wünscht sich eine bessere Koordination, wie ihr Sprecher Wolfgang Duschl domradio.de verriet.

Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze bei Passau / © Armin Weigel (dpa)
Flüchtlinge an der deutsch-österreichischen Grenze bei Passau / © Armin Weigel ( dpa )

domradio.de: Es klingt so, als ob sich Passau im Ausnahmezustand befindet. Ist das der Fall?

Wolfgang Duschl (Sprecher der Caritas im Bistum Passau): Es ist in der Tat für die Stadt und deren Bewohner eine komplexe Situation. Es ist ganz schwer zu händeln, wenn so viele Menschen über Nacht hier ankommen. Dennoch existiert in diesem "Auge des Hurrikans", so bezeichne ich das einmal, eine gewisse Struktur und Ordnung, so dass wir die Menschen auch willkommen heißen können und ihnen vermitteln können, dass sie nun in Sicherheit sind.

domradio.de: Wenn man die Bilder sieht, wird einem suggeriert, hier käme eine ganze Flut von Menschen an. Ist das so, und kippt deshalb die Stimmung bei den Passauern?

Wolfgang Duschl: Uns geht es schon seit einigen Wochen so, dass immer mehr Menschen ankommen. Wir stellen nach wie vor eine große Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung fest. Das spiegelt sich auch in den Zahlen der freiwilligen Helfer wieder. Da kippt die Stimmung nicht. Man geht weiterhin davon aus, dass man es mit Herz und Hirn schaffen wird.

domradio.de: Was sind denn die größten Herausforderungen, vor denen Sie stehen?

Wolfgang Duschl: Dass plötzlich Tausende von Menschen bei uns am Bahnhof oder an der Stadtgrenze mit Bussen aus Österreich auftauchen, und wir die Anzahl der Ankommenden nicht kennen. Wir müssen ständig improvisieren. Plötzlich stehen in und vor unserer Stadt sehr viele Menschen, die zu Bussen in die Aufnahmeeinrichtungen gebracht werden müssen. Darin liegt die Schwierigkeit, dass wir nicht wissen, wie viele Leute wir versorgen müssen. 

domradio.de: Viele deutsche Politiker waren mit Blick auf die österreichische Politik ungehalten. Können Sie diesen Unmut teilen und finden Sie es falsch, dass die Flüchtlinge einfach an die deutsche Grenze gefahren werden?

Wolfgang Duschl: Wir tun uns tatsächlich mit dieser Form des Flüchtlingsumgangs einfach schwer. Ein Bürgermeister bei uns aus Wegscheid hat typisch bayrisch und deutlich "alles, was Recht ist" gesagt. Das ist quasi die Höchstform bayrischen Aufstandes. Es ist teilweise unfair, wie auch die Menschen an der österreichischen Grenze mit dem Problem konfrontiert werden. Das müsste geordnet werden. Dann könnten wir auch den Flüchtlingen hier wieder angemessen begegnen. Da würden wir uns schon mehr Entgegenkommen aus dem Nachbarland erwarten.

domradio.de: Sie versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. Wie versuchen Sie den Menschen ganz konkret zu helfen, die bei Nacht- und Nebelaktionen ankommen?

Wolfgang Duschl: Zunächst einmal mit warmen Decken, denn sie müssen ja noch warten, bis sie mit Bussen weitertransferiert werden. Wir reichen warme Getränke und verteilen teilweise warme Winterkleidung. Ich habe selber Menschen gesehen, die mit Sandalen oder gar barfuß vor uns stehen. Das ist einfach unglaublich. Durch die Wärme, die wir mit Decken, Kleidung und Getränken spenden, vermitteln wir den Flüchtlingen auch, dass sie sich jetzt in guten Händen befinden. Es ist eine Erst- und eine Akutversorgung, die dann auch die Situation stark deeskaliert. Die Menschen werden ruhiger und können in Ruhe warten, denn sie wissen, dass in gewisser Weise ihr Ziel erreicht ist. Viele fragen, ob sie sich denn jetzt befinden. Wenn wir ihnen mitteilen, dass sie nun in Deutschland sind und ihnen auf den nächsten Schritten weiterhelfen, dann beruhigt sie das ungemein.

domradio.de: Wie soll das denn jetzt weitergehen? Der Landrat von Passau hat ja gestern einen Brandbrief an die Bundeskanzlerin geschrieben.

Wolfgang Duschl: Uns würde es schon ganz konkret helfen, wenn man in Österreich beginnt, den Transfer nach Deutschland strukturierter zu organisieren. Ich halte nichts von Zaun-Lösungen. Das geht nicht. Wir können Europa, Österreich oder Deutschland nicht abschotten. Das wird nicht tragen und  ist auch nicht in Ordnung. Wir müssten es von der Türkei aus bereits steuern, und langfristig müssten die politisch Verantwortlichen in unserer Gesellschaft dafür sorgen, dass die Not in diesen Ländern gelindert wird, so dass es keinen Grund mehr gibt, zu flüchten.

Das Interview führte Hilde Regeniter


Quelle:
DR