Seelsorger kritisiert Umgang mit konvertierten Flüchtlingen

"Das macht mich fassungslos"

Der protestantische Pfarrer Gottfried Martens kritisiert deutsche Behörden für den Umgang mit ehemals muslimischen Flüchtlingen, die zum christlichen Glauben übergetreten sind. In einem Interview spricht er von "Irrsinn" und "Schlamperei".

Asylsuchender in einem Ankerzentrum / © Karl-Josef Hildenbrand (dpa)
Asylsuchender in einem Ankerzentrum / © Karl-Josef Hildenbrand ( dpa )

Verwaltungsrichtern obliege die Entscheidung darüber, ob ein muslimischer Flüchtling glaubhaft Christ geworden sei.

"Tatsächlich meinen nicht wenige Richter, sie könnten ernsthaft beurteilen, ob jemand identitätsprägend konvertiert ist. Und sie könnten dies binnen weniger Stunden sehr viel besser als ein Pfarrer, der diesen Menschen fünf Jahre begleitet hat. Dieses Selbstbewusstsein macht mich fassungslos", so Martens in einem am Montag veröffentlichten Interview der Deutschen Welle.

Erschütternde Oberflächlichkeit

"Wenn die Geflüchteten ankommen, geben sie in aller Regel schon ihre Konversion, ihren christlichen Glauben, als Grund für einen Asylantrag an", schilderte der Theologe das Procedere. "Zumindest im Bereich Berlin-Brandenburg lehnen die Außenstellen des Bamf, des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, diesen Antrag geradezu mit einem Pawlowschen Reflex fast grundsätzlich ab. Sie machen das mit einer Oberflächlichkeit, die erschütternd ist", so der 48-Jährige, der in Berlin-Steglitz tätig ist.

Beispielhaft verwies der Geistliche auf ein engagiertes afghanisches Gemeindemitglied, das sogar in einem afghanischen Fernsehsender eine längere Predigt über den christlichen Glauben gehalten habe. "Da hat die Bamf-Außenstelle gesagt: 'Wir haben im Internet diesen Link zur Predigt nicht gefunden.' Aber alle anderen finden diesen Link."

Nach dieser "Schlamperei" sei der Asylantrag des Flüchtlings abgelehnt worden - "mit der Folge, dass er nun vier oder fünf Jahre auf seine Gerichtsverhandlung wird warten müssen. Bis dahin wird seine Tochter volljährig sein, und er wird sie nicht mehr nach Deutschland holen können."

Vorwurf an Bamf

Dem Bamf warf Martens Ignoranz, "blanken Zynismus" und teils eine "geradezu menschenverachtende Grundeinstellung" vor. So könne man dem Bamf lange schildern, wie schlimm es konvertierte Christen im Iran hätten. "Am Ende sagen die Ihnen: Wir haben festgestellt, dass er kein Christ ist - also ist er auch nicht in Gefahr."

Martens ist Pfarrer der Selbstständigen Evangelisch-Lutherischen Kirche (SELK). Er betreut regelmäßig zum Christentum übergetretene Flüchtlinge. Von den Kirchen erwarte er sich mehr Engagement in dieser Sache. "Die Kirchen müssten doch aufschreien, wenn der Staat Vorgaben darüber macht, wie eine christliche Religion auszusehen hat." Dem Staat stehe es nicht zu, "gleichsam eine Art von Staatsreligion vorzugeben, an der dann gemessen wird, ob jemand ein Christ ist oder nicht".


Quelle:
KNA