Neuer Versuch bei der Reform des europäischen Asylsystems

Vier verlorene Jahre?

Am Mittwoch präsentiert die EU-Kommission ihren lange angekündigten Migrationspakt. Die Erwartungen sind hoch, die Situation unter den Mitgliedstaaten ist verfahren.

Autor/in:
Franziska Broich
Migranten und Flüchtlinge versammeln sich hinter einem Drahtzaun an der Grenze zwischen Griechenland und der Türkei / © Dimitris Tosidis (dpa)
Migranten und Flüchtlinge versammeln sich hinter einem Drahtzaun an der Grenze zwischen Griechenland und der Türkei / © Dimitris Tosidis ( dpa )

Menschen in Zelten, lange Schlangen an der Essensausgabe, Kinder, die im Dreck spielen: Diese Bilder aus dem Flüchtlingslager in Moria machten Schlagzeilen. Das Ergebnis einer gescheiterten europäischen Asylpolitik? Am Mittwoch reagiert die EU-Kommission. Sie schlägt eine neue Reform des gemeinsamen europäischen Asylsystems vor. "Die Bilder des Camps in Moria sind eine schmerzhafte Erinnerung daran, dass Europa zusammenkommen muss", sagte Kommissionschefin Ursula von der Leyen bei ihrer Rede zur Lage der Union.

Es ist der zweite Versuch, das europäische Asylsystem zu reformieren. Den ersten unternahm die Juncker-Kommission am 13. Juli 2016. Damals schlug die EU-Kommission vor, Asylverfahren auf höchstens sechs Monate zu begrenzen. Zudem sollen die Aufnahmebedingungen in den EU-Ländern einheitlicher werden.

Nichts von diesen Vorschlägen wurde zum Gesetz. Das EU-Parlament einigte sich, doch die EU-Mitgliedstaaten verzweifelten an dem Vorschlag. Die "flexible Solidarität" wurde zum Reizwort unter den Diplomaten.

Eine verlorene Zeit

Die migrationspolitische Sprecherin der SPD im Europaparlament, Birgit Sippel, sieht die vergangenen Jahre als "doppelt verloren". Geflüchtete wie auch die Mitgliedstaaten fühlten sich allein gelassen, so Sippel. "Wir haben verloren an Vertrauen, dass Europa der Kontinent von Demokratie und Grundrechten ist."

Das sieht die niederländische Grünen-Abgeordnete Tineke Strik ähnlich. "Die katastrophale Situation an den Außengrenzen wird sich nicht ändern, deshalb ist es wichtig, dass diesmal ein Kompromiss gefunden wird", sagt sie. Auch die migrationspolitische Sprecherin der CDU im EU-Parlament, Lena Düpont, sieht die Zeit als verloren. "Doch die Bedingungen haben sich auch verändert, es gibt jetzt eine EU-Grenzschutzagentur mit mehr Möglichkeiten", sagt sie. Insgesamt habe man nach der Flüchtlingskrise 2015 den Grenzschutz zu sehr außen vor gelassen, so Düpont.

Der könnte ein wichtiges Element im Vorschlag der EU-Kommission sein. Grüne und SPD fordern eine Art kurze Vorprüfung oder Registrierung von Geflüchteten an der Außengrenze. Danach könnten die Registrierten, wenn sie Chancen auf Asyl haben, in einen anderen EU-Mitgliedstaat umgesiedelt werden. Damit die Menschen dann auch in diesem Staat bleiben, fordern die Grünen etwa, dass die Migranten eine Liste von Präferenz-Ländern angeben dürfen.

Vorprüfung und Umsiedlung

Eine erste Prüfung des Asylbewerbers an der EU-Außengrenze hatte auch Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) bereits öfter ins Spiel gebracht. Streitpunkt ist, ob es nur eine Vorprüfung oder das ganze Asylverfahren sein soll. Grüne und SPD wollen, dass es kurz bleibt, damit die EU-Staaten an der Außengrenze entlastet werden.

Ein anderes Element ist ein regelmäßiger Umsiedlungsmechanismus, um Asylbewerber von den EU-Außenstaaten in andere Mitgliedstaaten umzusiedeln. Eine solche Flüchtlingsquote ist der Grund, warum einige Staaten die Gesetzesvorschläge in den vergangenen vier Jahren blockierten. Grob gesagt, gibt es drei Gruppen von Ländern: Die Staaten an der EU-Außengrenze, die mehr Solidarität von den anderen erwarten, die Willigen, die mehr Solidarität zeigen wollen, und die Blockierer, die zu wenig bis keiner Solidarität bereit sind.

Kommt der Kompromiss?

Nun gilt es, das zu schaffen, was seit 2016 keinem gelang: einen Kompromiss unter ihnen herbeizuführen. Diese Aufgabe liegt nun bei Seehofer. Da Deutschland, die EU-Ratspräsidentschaft innehat, leitet er die Treffen der Innenminister. Doch da die Lage verfahren ist, hört man in Brüssel, dass es bereits ein Erfolg wäre, Bewegung in die Diskussion zu bringen und einen Fahrplan für das Dossier aufzustellen.

Am Mittwoch stehen von der Leyen, der Vizepräsident der EU-Kommission Margaritis Schinas aus Griechenland und die Migrationskommissarin Ylva Johansson aus Schweden mit ihrem Vorschlag erstmal im Rampenlicht. Natürlich wird es dabei auch um Geld gehen. Finanzielle Anreize für Mitgliedstaaten, die Asylbewerber aufnehmen und integrieren, könnten ein Mittel sein, mehr Staaten zu motivieren, sich solidarisch zu zeigen. Diskutiert wird auch immer wieder, Ländern, die sich nicht beteiligen, Mittel zu kürzen.

Ein Wunder ist vom Migrationspakt der EU-Kommission nicht zu erwarten. Diplomaten rechnen mit einer neuen Mischung und Gewichtung von verschiedenen Maßnahmen wie Umsiedlung, Rückführung, Außengrenzschutz, finanziellen Anreizen und legalen Wegen für Schutzbedürftige in die EU. Schinas und Johansson reisten in viele Hauptstädte, um auszuloten, wozu diese bereit wären. Ihr Fazit: Es ist kompliziert. Doch seit dem Brand in Moria ist der Druck wieder höher, eine Lösung zu finden.


Quelle:
KNA
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