"Sea-Watch 4" im Hafen von Palermo

"Das ist kein Standard-Prozedere"

Zwei Rettungsschiffe in Palermo: Die "Open Arms" darf nach zehn Tagen Flüchtlinge in den sizilianischen Hafen bringen. Die "Sea-Watch 4" wird gezwungen, dort eine Kontrolle zu durchlaufen. Die Seenotretter fürchten eine Festsetzung.

Die "Sea-Watch 4" / © Chris Grodotzki/MSF (dpa)
Die "Sea-Watch 4" / © Chris Grodotzki/MSF ( dpa )

Das Warten hat ein Ende: Nach zehn Tagen darf das spanische Rettungsschiff "Open Arms" mit den verbliebenen 150 Flüchtlingen an Bord in den Hafen von Palermo
einlaufen. Die italienischen Behörden hätten eine entsprechende Erlaubnis gegeben, erklärte der Gründer der gleichnamigen Organisation, Oscar Camps, am Freitag. Zuvor waren an zwei Tagen mehr als 120 Gerettete über Bord gesprungen, um die anderthalb Kilometer bis zum Ufer zu schwimmen.

Derweil ist das deutsche Rettungsschiff "Sea-Watch 4" auf Anordnung der italienischen Behörden ebenfalls in den sizilianischen Hafen eingelaufen. Vor der Küste hatte die Crew an Bord mehr als 14 Tage Quarantäne einhalten müssen. Die Betreiber befürchten eine Festsetzung des durch kirchliche Spenden mitfinanzierten Schiffs. "Obwohl die #SeaWatch4 bekräftigt, ihre Fahrt fortsetzen zu wollen, wird sie in den Hafen von Palermo gezwungen", erklärte die Organisation Sea-Watch auf Twitter. "Das ist kein Standard-Prozedere der @guardiacostiera, sondern ein Akt der systematischen Blockade ziviler Rettungsschiffe!"

Erster Rettungseinsatz der "Sea-Watch 4"

Mit der Ankunft in Palermo beendete die "Sea-Watch 4" ihren ersten Rettungseinsatz im Mittelmeer, zu dem sie Mitte August von Spanien aus aufgebrochen war. An Bord befanden sich bei Hafeneinfahrt 27 Crewmitglieder und zwei Journalisten, die auch am Freitag nicht von Bord durften.

Anfang September hatten die 353 geretteten Flüchtlinge und Migranten das Schiff verlassen können. Die italienischen Behörden haben nun eine Hafenstaatkontrolle angeordnet, wie Sea-Watch-Sprecher Ruben Neugebauer dem Evangelischen Pressedienst (epd) erläuterte.

"Ärtze ohne Grenzen" übt Kritik aus

Das Schiff sei vom Flaggenstaat Deutschland für sicher und funktionsfähig befunden worden. Aber in der Vergangenheit hätten die italienischen Behörden angebliche technische Mängel vorgeschoben, um Rettungsschiffe stillzulegen.

Auch die an "Sea-Watch 4" beteiligte Organisation "Ärzte ohne Grenzen" kritisierte, dass ein Wechsel der Crew vor Anker abgelehnt worden sei. Die "Sea-Watch 4" wäre das fünfte Rettungsschiff von nichtstaatlichen Organisationen, das in fünf Monaten wegen winziger Details daran gehindert würde, Leben auf See zu retten, erklärte die Organisation. Im Hafen wurde die "Sea-Watch 4" zunächst desinfiziert.

Migranten sprangen ins Wasser

Die Flüchtlinge auf der "Open Arms" werden der Organisation zufolge auf das im Hafen von Palermo geankerte Schiff "Allegra" in Quarantäne gebracht. Von rund 280 Menschen, die vor mehr als einer Woche geretteten worden waren, waren am Donnerstag 76 und am Freitag 48 ins Meer gesprungen. Sie waren den Rettern zufolge verzweifelt wegen des völlig überfüllten Schiffes und der mehrfachen Absage Maltas und Italiens, einen Hafen zuzuweisen.

Das ehemalige Forschungsschiff "Sea-Watch 4" wurde vom Bündnis "United4Rescue" finanziert, das maßgeblich von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) initiiert wurde. Auch der Bürgermeister von Palermo, Leoluca Orlando, unterstützt das Bündnis. Die Idee eines kirchlichen Seenotrettungsschiffs im Mittelmeer geht auf den evangelischen Kirchentag in Dortmund 2019 zurück.


Rettungsschiff "Open Arms" vor Lampedusa / © Friedrich Bungert (dpa)
Rettungsschiff "Open Arms" vor Lampedusa / © Friedrich Bungert ( dpa )

Mehrere Migranten springen etwa 1,5 Kilometer vor Palermo von dem Seenot-Rettungsschiff Open Arms / © Thomas Lohnes (epd)
Mehrere Migranten springen etwa 1,5 Kilometer vor Palermo von dem Seenot-Rettungsschiff Open Arms / © Thomas Lohnes ( epd )
Quelle:
epd