Wie Politik und Kirche mit der Flüchtlingskrise umgehen

Fünf Jahre "Wir schaffen das"

Vor fünf Jahren sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel den inzwischen berühmt gewordenen Satz "Wir schaffen das". In den Wochen zuvor flüchteten Zehntausende Menschen über das Mittelmeer oder die Balkanroute nach Europa.

Flüchtlinge an der griechisch-türkischen Grenze / © Fishman64 (shutterstock)
Flüchtlinge an der griechisch-türkischen Grenze / © Fishman64 ( shutterstock )

Ein Überblick über einige nachfolgende Schlüsselereignisse:

August 2015: In der Bundespressekonferenz in Berlin sagt die Bundeskanzlerin vor der versammelten Hauptstadtpresse den Satz "Wir schaffen das!" und nennt die Bewältigung des Flüchtlingszuzugs eine "große nationale Aufgabe". Wenige Tage zuvor hatte die Politik das Dublin-Verfahren für Syrer ausgesetzt.

September 2015: Deutschland und Österreich entscheiden, Tausende Flüchtlinge und Migranten aufzunehmen, die in Ungarn gestrandet sind. Als die Menschen am Tag darauf in Deutschland eintreffen, werden sie von vielen Menschen bejubelt. Auch die Spitzen der beiden Kirchen, Kardinal Reinhard Marx und Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, kommen zum Münchner Hauptbahnhof.

Papst Franziskus fordert: "Jede Pfarrei, jede Gemeinschaft, jedes Kloster und jeder Wallfahrtsort möge eine Flüchtlingsfamilie aufnehmen."

Die EU-Staats- und Regierungschefs beschließen, die Hilfen zu erhöhen und 160.000 Flüchtlinge auf die Mitgliedsländer zu verteilen. Eine große Entlastung für Deutschland bleibt aus. Der Bund stockt wiederum die Finanzhilfen für Länder und Gemeinden massiv auf.

Oktober 2015: Der Bundestag beschließt das sogenannte Asylpaket I. In die Länder Albanien, Kosovo und Montenegro können Menschen nun leichter abgeschoben werden. Asylbewerber sollen möglichst nur Sachleistungen erhalten, Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive dürfen an Integrationskursen teilnehmen.

November 2015: Die Koalition verständigt sich auf besondere Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge mit geringen Bleibechancen. Zudem wird eine zweijährige Aussetzung des Familiennachzugs bei Flüchtlingen mit niedrigerem Schutzstatus beschlossen. Die Deutsche Bischofskonferenz lädt in Würzburg zum ersten katholischen Flüchtlingsgipfel ein (es folgen bis 2020 vier weitere).

März 2016: Nach Slowenien, Kroatien und Serbien schließt auch Mazedonien seine Grenze für Flüchtlinge und andere Migranten. Damit ist die Balkanroute faktisch dicht, über die 2015 mehr als eine Million Menschen nach Deutschland und Österreich gekommen waren.

Zugleich kommt es zum sogenannten EU-Türkei-Abkommen. Die EU und die Türkei einigen sich darauf, Migranten, die illegal in Griechenland ankommen, in die Türkei zurückzuschicken. Im Gegenzug soll für jeden zurückgenommenen Syrer ein anderer Syrer legal und direkt von der Türkei aus in die EU kommen.

Triumph für die AfD bei drei Landtagswahlen. In Sachsen-Anhalt erzielen die Rechtspopulisten angesichts der Flüchtlingsdiskussion ein Rekordergebnis von 24,3 Prozent und werden zweitstärkste Kraft. Auch in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zieht die AfD mit zweistelligen Ergebnissen in die Landtage ein.

Zudem verabschiedet der Bundestag das Asylpaket II. Ein Großteil der Verfahren soll künftig in sogenannten Ankunftszentren (AnkER-Zentren) bearbeitet werden. Über Asylverfahren von Bewerbern aus "sicheren Herkunftsstaaten" und von Menschen, die über ihre Identität täuschen, wird im Eilverfahren entschieden. Subsidiär Schutzberechtigte dürfen bis März 2018 keine Angehörigen nach Deutschland nachholen. Wegen der Ereignisse in der Kölner Silversternacht wird zudem das Ausweisungsrecht verschärft.

August 2016: Das Integrationsgesetz tritt in Kraft. Danach entfällt in den meisten Regionen die sogenannte Vorrangprüfung, anerkannte Flüchtlinge dürfen für drei Jahre ihren Wohnort nicht frei wählen, Geduldete erhalten einen Aufenthaltsstatus für die gesamte Dauer der Berufsausbildung plus sechs Monate zur Jobsuche im Anschluss.

September 2016: Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) gibt die finale Asylstatistik für das Vorjahr bekannt: Rund 890.000 Flüchtlinge haben 2015 Asyl in Deutschland gesucht.

Juli 2017: Das Gesetz zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht wird verabschiedet.

September 2017: Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki äußert seinen Unmut über die Flüchtlingspolitik der EU. Er wolle nicht zur Tagesordnung übergehen, wo schon wieder mehr als 1.000 Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken seien, sagt er dem kirchlichen Kölner Internetportal domradio.de.

August 2018: Enge Angehörige von Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus im Rahmen von Kontingenten dürfen wieder nach Deutschland nachkommen. Monatlich können bis zu 1.000 Menschen aufgenommen werden.

Oktober 2018: Der damalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, gibt 50.000 Euro für die private Seenotrettung.

August 2019: Das Abschiebungssystem wird verschärft, die Asylbewerberleistungen angepasst.

Februar 2020: Das von der evangelischen Kirche initiierte Rettungsschiff für Flüchtlinge wird offiziell in Dienst genommen. Es soll im Sommer erstmals auslaufen.

März 2020: Die EU will mindestens 1.600 Kinder aus griechischen Flüchtlingslagern aufnehmen.

April 2020: Die ersten Kinder und Jugendlichen aus mehreren Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln treffen in Deutschland ein.

August 2020: Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki will Flüchtlinge aus griechischen Lager in seinem Erzbistum aufnehmen. 2014 hatte er in seiner Erzdiözese das Hilfsnetzwerk "Aktion Neue Nachbarn" eingerichtet, das Flüchtlingsinitiativen in den Pfarreien unterstützten soll.


Quelle:
KNA
Mehr zum Thema