Caritas zum Einsatz von Geflüchteten als Erntehelfer

Chance und Gefahr zugleich

Schleswig Holstein hat beschlossen, dass auch Zugewanderte und Geflüchtete bei der Ernte helfen können. Dieser Vorschlag hat viele Befürworter aber auch ebenso viele Kritiker. Geht es nach der Caritas, ist dieser Beschluss "mehr Schein als Sein".

Es fehlen Erntehelfer - nicht nur für Spargel / © barmalini (shutterstock)
Es fehlen Erntehelfer - nicht nur für Spargel / © barmalini ( shutterstock )

DOMRADIO.DE: Das Schleswig-Holsteinische Innenministerium und die Arbeitsagentur haben die Regeln vereinfacht, damit Geflüchtete schneller einen Job auf den Feldern übernehmen können. Ist das Ihrer Ansicht nach eine gute Nachricht?

Dr. Andrea Schlenker (Leiterin des Referates für Migration und Integration des Deutschen Caritasverbandes): Das ist grundsätzlich eine gute Nachricht. Wir fänden es allerdings noch eine bessere Nachricht, wenn Personen auch in alte oder neue Mangelberufe einsteigen könnten, die bisher nicht oder nur sehr eingeschränkt arbeiten durften.

Hier bei dieser Regelung wie auch bei der Globalzustimmung der Bundesarbeitsagentur, handelt es sich aber nun um Asylbewerber und Asylbewerberinnen und Geduldete, die bisher auch schon als Erntehelfer hätten arbeiten können. Die hatten diesen nachrangigen Zugang zum Arbeitsmarkt.

DOMRADIO.DE: Es reicht also nicht aus, dass das jetzt zunächst für Erntehelfer gelockert wurde?

Schlenker: Genau.

DOMRADIO.DE: Sie wollen das auch für Berufe in der Pflege oder im Gesundheitswesen weiter öffnen?

Schlenker: Das wäre eine sinnvolle Öffnung. Ich wollte nur darauf hinweisen, dass hier in der Diskussion die Begrifflichkeit nicht ganz sauber ist, weil man denkt, es würde sich um eine Ausweitung der Arbeitserlaubnis für bestimmte Gruppen handeln. Es geht aber lediglich um Verfahrenserleichterungen, was im Moment durch diesen Ländererlass erleichtert ist – das ist zu begrüßen.

DOMRADIO.DE: Das heißt, es dauert alles nicht so lange, bis es genehmigt wird.

Schlenker: Genau, aber die Menschen, die hier jetzt einen erleichterten Zugang haben, die hatten schon bisher diesen Zugang. Es geht also nicht um eine Öffnung, sondern es ist lediglich eine Verfahrenserleichterung.

DOMRADIO.DE: Hat diese Verfahrenserleichterung auch Auswirkungen darauf, wie diese Arbeitskräfte als Erntehelfer vermittelt werden?

Schlenker: Sicherlich, nur an sich ist das eine schwierige Sache. Die Ausländerbehörde bestimmt, wer aus rechtlichen Gründen überhaupt in Betracht kommt, also diesen Arbeitsmarktzugang hat. Daraufhin schickt sie Listen an die Arbeitsagentur, die dann das Matching machen. Das ist natürlich eine große Herausforderung, unabhängig von dem Status, den die betroffene Person hat. Die Herausforderung ist, dieses Matching hinzubekommen, idealerweise mit Vorkenntnissen.

Aber bei Geflüchteten kommen natürlich besondere Herausforderungen hinzu, wenn sie beispielsweise räumlich auf eine Region beschränkt sind oder auf ein Bundesland. Was ist mit Asylbewerbern aus Hamburg, die in Bayern arbeiten könnten? Das ist natürlich eine besondere Schwierigkeit, auch wenn sie aus ihrer Unterkunft keine ÖPNV-Anbindung haben, um infektionssicher an den Arbeitsplatz zu kommen. Das sind nochmal besondere Herausforderungen für diese Vermittlung.

DOMRADIO.DE: Sie haben das Stichwort schon genannt, Bayern und Hamburg. Wie ist das bislang geregelt? Gibt es da Unterschiede in den Bundesländern?

Schlenker: Wir haben, wie gesagt, diesen grundsätzlich nachrangigen Arbeitszugang für Bewerberinnen und Bewerber und Geduldete, die kein generelles Arbeitsverbot haben. Das gilt bundesweit und hierfür hat die Bundesagentur für Arbeit nun ihre Globalzustimmung gegeben. Das heißt, sie macht keine Vorrangprüfung mehr im Einzelfall.

Schleswig-Holstein hat das nun in einem Erlass aufgegriffen. Entsprechende Regelungen aus anderen Bundesländern sind mir nicht bekannt, aber das Verfahren an sich ist in den anderen Bundesländern genauso möglich. Die Bundesagentur für Arbeit hat diese Globalzustimmung für alle erteilt.

DOMRADIO.DE: Grundsätzlich ist es ja eine gute Sache, wenn Geflüchtete arbeiten dürfen und können. Das ist ein großer Teil der Integration. Welche Chancen und Gefahren tun sich denn aber auf, wenn Geflüchtete als Erntehelfer eingesetzt werden?

Schlenker: Sie haben es genannt, die große Chance liegt definitiv darin, wenn Geflüchtete auch arbeiten können und die Landwirtschaft und die Gesamtgesellschaft in der aktuellen Situation davon profitieren kann. Eine Gefahr ist, dass die Betroffenen sich Hoffnung  auf eine längerfristige Arbeit machen oder auf ein Bleiberecht und das dann nicht realisiert werden kann.

Wobei man natürlich hinzufügen muss, dass auch andere Asylbewerber arbeiten und ihr Asylverfahren normal weiterläuft. Je nach Ausgang des Asylverfahrens haben sie ein dauerhaftes Bleiberecht oder nicht. Auch bei Saisonarbeit wissen diejenigen, die sich darauf einlassen, dass das kein Garant für ein dauerhaftes Bleiberecht ist.

DOMRADIO.DE: Kritiker sagen, dass Flüchtlinge jetzt nicht als billige Arbeitskräfte entdeckt und missbraucht werden dürfen. Wie schätzen Sie das ein?

Schlenker: Die Gefahr ist natürlich vorhanden. Menschen, die in einer besonderen, prekären Situation sind, können dadurch ausgenutzt werden. Der Mindestlohn muss gezahlt werden, die Vorgaben des Arbeits- und Infektionsschutzes müssen für diese Menschen genauso gelten. Sie sind natürlich keine Arbeitskräfte zweiter Klasse. Geringere Standards sind hier definitiv nicht vorstellbar. Das ist eine Gefahr, auf die man besonders achten müsste.

DOMRADIO.DE: Können Sie Ihre Forderung der Caritas noch einmal zusammenfassen?

Schlenker: Wir als Caritas beraten in vielfältigen Situationen Flüchtlinge und Migrantinnen und Migranten. So beraten wir bundesweit zu aufenthaltsrechtlichen und sozialrechtlichen Fragen. Im Moment natürlich deutlich weniger in Präsenzberatungen, dafür umso mehr per Telefon oder Onlineberatung. Dabei sind Fragen des Arbeitsmarktzugangs und der Arbeitsmarktintegration natürlich enorm wichtig.

Wir wissen um die hohe Motivation, die viele Menschen haben und auch um die Enttäuschung, wenn dann eine Arbeitsaufnahme nicht möglich ist. Insofern fordern wir auch, dass diese momentane Ausnahmesituation vielleicht auch ein bisschen das Denken ändert und auch noch einmal deutlich macht, wie wir hier zusammenrücken können.

Alle die da sind, die unter denselben Gefahren leiden, sollten dieselben Möglichkeiten haben. Denn jeder, der einer sinnvollen Tätigkeit nachgeht, der erfährt sich als selbstwirksam und ist damit ein Gewinn für die Gesellschaft, unabhängig von seinem Aufenthaltsstatus oder von der Dauer seines Aufenthaltes. 


Quelle:
DR
Mehr zum Thema