102 Organisationen warnen vor Kriminalisierung von Seenotrettung

Wegen Unterstützung schuldig

Gegen eine Kriminalisierung von Solidarität mit Migranten: 102 Organisationen  haben von der künftigen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine Reform der EU-Richtlinie gefordert, die Beihilfe zu unerlaubter Einreise definiert.

Flüchtlinge aus Seenot gerettet  / © Olmo Calvo (dpa)
Flüchtlinge aus Seenot gerettet / © Olmo Calvo ( dpa )

Gemeinnützige Seenotrettungsorganisationen wie Sea-Eye oder Mission Lifeline wollen den in Italien geplanten hohen Geldstrafen für das unerlaubte Befahren italienischer Gewässer trotzen. "Man kann uns mit finanziellen Strafen nicht davon abhalten, Menschen vor dem Ertrinken zu retten", sagte Sea-Eye-Sprecher Gorden Isler dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (Samstag). "An das Menschenrecht auf Leben kann man kein Preisschild hängen."

Der Mitgründer der Hilfsorganisation Mission-Lifeline, Axel Steier, fügte hinzu: "Wenn das Leben von Menschen in Gefahr ist, gilt es die Gefahr abzuwenden - mit den zur Verfügung stehenden Mitteln." Der Repräsentant des UN-Flüchtlingshilfswerks in Deutschland, Dominik Bartsch, forderte die Bundesregierung auf, sich mit anderen aufnahmewilligen Staaten zusammenzutun. Es brauche eine klare Übereinkunft, "wie die Seenotrettung betrieben wird, wo gerettete Schiffbrüchige aufgenommen werden und wo Asylverfahren durchgeführt werden", betonte er.

Kriminalisierung von Solidarität

Die Organisationen beziehen sich auf die Pläne Italiens, gegen Seenotretter künftig Strafen von bis zu einer Million Euro zu verhängen, wenn sie mit ihren Schiffen unerlaubt in italienische Hoheitsgewässer fahren. Zudem hätten italienische Behörden dann das Recht, die Schiffe zu konfiszieren.

Unterdessen wandten sich in Brüssel 102 Organisationen gegen eine Kriminalisierung von Solidarität mit Migranten. Von der künftigen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen forderten sie am Freitag eine Reform der EU-Richtlinie, die Beihilfe zu unerlaubter Einreise definiert. Darin werde nicht exakt zwischen Menschenschmuggel und humanitärer Hilfe unterschieden. Zu den Unterzeichnern der Erklärung gehören etwa der Jesuitenflüchtlingsdienst Europa, die Kommission der Kirchen für Migranten in Europa (CCME) sowie Caritas Europa.

Zahl drastisch gesunken

Eine Studie der Wissenschaftsplattform für Migration und Asyl (ReSOMA) kommt zu dem Befund, dass seit 2015 schon 158 Europäer wegen Unterstützung von Migranten schuldig gesprochen worden seien. Die Festnahme der Kapitänin von "Sea-Watch 3", Carola Rackete, sei nur ein aktuelles Beispiel dafür, wie Menschen kriminalisiert würden, weil sie Migranten das Leben retteten. Eine solche Kriminalisierung ziele unter anderem auf Freiwillige, Nichtregierungsorganisationen, Bürgermeister und Priester ab.

Die Zahl der ankommenden Flüchtlinge und Migranten aus Libyen in Europa ist laut UN-Angaben von Anfang Juli zwar drastisch gesunken. Die Wahrscheinlichkeit, bei der Überfahrt zu sterben, habe sich aber erhöht. Schätzungen zufolge starben oder verschwanden 2019 bereits 507 Menschen (Stand 5. Juli) auf der zentralen und westlichen Mittelmeerroute.

Am Donnerstag kenterte vor der libyschen Küste ein Boot mit rund 250 Menschen an Bord. Bei dem bislang schwersten Unglück dieser Art starben womöglich mehr als 100 Menschen, darunter auch Frauen und Kinder. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen versorgt 135 Überlebende der Katastrophe.


Quelle:
KNA
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