Neues Schiff unterwegs - Debatte über Seenotrettung hält an

Retten ja - aber was dann?

​Menschen in Seenot müssen gerettet werden - da sind sich alle einig, von der AfD bis zu den Kirchen. Doch darüber, was danach passieren soll, gehen die Meinungen weit auseinander, wie die aktuellen Entwicklungen zeigen.

Autor/in:
Gottfried Bohl
Rettungsschiff Aquarius / ©  Salvatore Cavalli (dpa)
Rettungsschiff Aquarius / © Salvatore Cavalli ( dpa )

Während Hilfsorganisationen ein neues Schiff ins Mittelmeer schicken wollen, hält die Debatte über die Seenotrettung an. Unterdessen nahm ein Kreuzfahrtschiff 111 Migranten in Seenot auf und brachte sie nach Griechenland. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) verteidigte das kirchliche Engagement für Seenotrettung gegen zum Teil heftige Kritik.

Die Hilfsorganisationen Ärzte ohne Grenzen und SOS Mediterranee kündigten am Sonntag an, die Seenotrettung wieder aufzunehmen. Das neue, gemeinsam betriebene Rettungsschiff "Ocean Viking" unter norwegischer Flagge soll Ende Juli die Arbeit aufnehmen. Es ist mit vier Rettungsbooten und einer Klinik ausgestattet und kann den Angaben zufolge bis zu 200 Gerettete aufnehmen. Die seit 2016 betriebene "Aquarius" hatte auf Druck Italiens hin 2018 die Hilfe eingestellt.

Hilfsorganisationen: Antwort auf die Gleichgültigkeit der Politik

Die Rückkehr ins Mittelmeer sei die Antwort auf die Gleichgültigkeit der Politik angesichts des Sterbens im Mittelmeer und des Leids in Libyen sowie auf eine Kampagne europäischer Regierungen mit dem Ziel, Seenotrettung zu verhindern: "Die langandauernde Untätigkeit der EU-Mitgliedstaaten zwingt uns als zivilgesellschaftlicher Akteur zurück ins Meer, um Leben zu retten", erklärten die Organisationen.

Das Mittelmeer gilt als tödlichste Fluchtroute der Welt. Seit Jahresbeginn starben nach UN-Angaben mindestens 426 Männer, Frauen und Kinder auf der Flucht über das zentrale Mittelmeer. Am Sonntag teilte die griechische Küstenwache mit, dass ein Kreuzfahrtschiff 111 Migranten aufgenommen und in einen griechischen Hafen gebracht habe. Sie seien auf dem Weg nach Italien mit einem Boot in Seenot geraten.

Seenotrettung sei "ein humanitäres Gebot, das völlig außer Zweifel steht", sagte AfD-Chef Jörg Meuthen den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Allerdings müsse man danach "die Flüchtlinge konsequent an den Ort zurückbringen, an dem sie aufgebrochen sind". Asylanträge müssten in Aufnahmezentren in Nordafrika bearbeitet werden, forderte Meuthen: "Und nur, wer einen wirklichen Asylgrund hat, kommt nach Europa. Niemand sticht in See, wenn die Alternative ist: Ertrinken oder zurückgebracht werden."

Der Ratsvorsitzende der EKD, Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm, reagierte am Wochenende via Facebook auf die zum Teil heftige Kritik am kirchlichen Engagement für Migranten. Auch wenn man über viele Aspekte diskutieren dürfe und müsse, sei eines ganz klar: "Menschen zur Abschreckung ertrinken zu lassen, wäre ein moralischer Bankrott. Flüchtlingspolitische Probleme müssen immer anders gelöst werden."

Auf keinen Fall, so Bedford-Strohm, dürften Menschen nach Libyen zurückgebracht werden. Dies widerspreche allen Menschenrechtsstandards, für die Europa stehe. Er erwarte von den EU-Staaten so rasch wie möglich einen verlässlichen Verteilmechanismus für im Mittelmeer gerettete Menschen.

Bedford-Strohm: "Perspektiven in den Heimatländern schaffen"

Die künftige EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) hatte am Freitag erklärt, sie wolle das Dublin-Verfahren reformieren, "um mehr Fairness und Lastenverteilung zu erreichen". Es sieht vor, dass Asylbewerber in dem Land zu registrieren sind, in dem sie die Europäische Union betreten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die Pläne begrüßt und mit Blick auf die Seenotrettung ergänzt, die Rettung von Menschen sei "nicht nur eine Verpflichtung, sondern ein Gebot der Humanität".

Bedford-Strohm betonte darüber hinaus, natürlich müsse alles getan werden, um "den Menschen in ihren Heimatländern Perspektiven zu schaffen". Kritisch äußerte er sich zugleich zu etlichen Stimmen, die jetzt ähnliches forderten, um die Flucht der Menschen zu verhindern.

Denn es seien zum Teil dieselben Stimmen, die das jahrzehntelange Engagement der Kirchen für Afrika immer wieder als "unangemessene politische Einmischung" kritisiert hätten.

Außerdem widersprach der Bischof dem Argument, die Seenotrettung verleite noch mehr Menschen dazu, sich auf den Weg nach Europa zu machen. Dafür gebe es trotz einiger wissenschaftlicher Studien bisher keinerlei Anhaltspunkte.


Quelle:
KNA