Bayerns Flüchtlingsrat sieht "Ankerzentren" weiter kritisch

Langsame Verfahren und eingeschränkte Rechte

Sie sollten die Asylerstverfahren von Flüchtlingen und Migranten beschleunigen. Doch gut ein halbes Jahr nach der Einführung der sogenannten "Ankerzentren" stellt der Bayerische Flüchtlingsrat dem Konstrukt ein schlechtes Zeugnis aus.

Asylsuchender in einem Ankerzentrum / © Karl-Josef Hildenbrand (dpa)
Asylsuchender in einem Ankerzentrum / © Karl-Josef Hildenbrand ( dpa )

Der Bayerische Flüchtlingsrat hat eine kritische Bilanz zu den vor sechs Monaten im Freistaat eingeführten "Ankerzentren" gezogen. Deren Ziele seien nicht erreicht worden, teilte der Rat am Dienstag in München mit. Die Asylerstverfahren des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) dauerten so lange wie früher.

Verfahren nicht verkürzt

Ablehnungen würden nur selten sofort rechtskräftig, weil viele Flüchtlinge dagegen vor Gericht gingen. Die Verfahren dauerten viele Monate, teils warteten Betroffene zwei Jahre auf ihre Verhandlung. Die Abkürzung "Anker" steht für "Ankunft, Entscheidung, Rückführung".

Mit "großem Pomp" seien die Erstaufnahmeeinrichtungen und Transitzentren am 1. August 2018 umbenannt worden, so der Flüchtlingsrat. Zugleich habe es geheißen, wegen der räumlichen Konzentration von Behörden und Flüchtlingen an einem Ort profitierten alle von schnelleren Verfahren. Nach drei Monaten bereits stünden die Entscheidungen des Bamf fest. Wer anerkannt sei, werde schnell integriert, wer abgelehnt werde, unmittelbar abgeschoben. Die Realität aber sehe anders aus.

Grundrechte der Betroffenen massiv eingeschränkt

Der Flüchtlingsrat verwies darauf, dass die Asylverfahren vom Bamf unmittelbar nach der Ankunft des Flüchtlings im "Ankerzentrum" eingeleitet würden. Die Anhörung finde häufig schon in den ersten zwei Tagen statt. Eine unabhängige rechtliche Beratung über das Asylverfahren könne in dieser Zeit nicht ermöglicht werden. Deshalb wüssten die Flüchtlinge auch nicht, worauf es ankomme, und sie hätten häufig nicht die Chance, ihre tatasächlichen Fluchtgründe vorzubringen. Doch Flüchtlinge müssten nach der Einreise human aufgenommen werden und ein faires Verfahren erhalten.

Stattdessen würden elementare Grundrechte der Betroffenen in den "Ankerzentren" massiv eingeschränkt, monierte der Flüchtlingsrat.

Für die gesamte Zeit dort lebten sie in Mehrbettzimmern, teilten sich Gemeinschaftsbäder und würden in Kantinen versorgt. Sie dürften nicht entscheiden, was sie essen wollten, unterlägen der Residenzpflicht, auch dürften sie nicht arbeiten. Deutschkurse gebe es nur auf ehrenamtlicher Basis. Kinder und Jugendliche erhielten in der Regel in Lagerschulen Minimalunterricht. (KNA)


Quelle:
KNA
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