Jesidische Frauen in Deutschland gründen Netzwerk

"Frauen sind die am meisten Leidtragenden"

Die jesidischen Frauen in Deutschland haben ein Netzwerk gegründet, um ihren Anliegen mehr Gehör zu verschaffen. An diesem Samstag haben sie sich zum ersten Frauen-Symposium versammelt. Rund 210.000 Jesiden leben in Deutschland.

Jesidische Flüchtlinge / © Stefanie Järkel (dpa)
Jesidische Flüchtlinge / © Stefanie Järkel ( dpa )

Viele Jesidinnen seien von der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) verschleppt und versklavt worden, sagte die stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Jesiden in Deutschland, Zemfira Dlovani, am Samstag auf einem ersten Frauen-Symposium in Lollar bei Gießen dem Evangelischen Pressedienst (epd).

"Frauen sind die am meisten Leidtragenden." Es sei wichtig, innerhalb des Zentralrats eine Organisation zu haben, die sich ausschließlich um die Belange der Frauen kümmert.

Integration und Heirat mit Nicht-Jesiden sind Thema

In Deutschland sei Integration ein großes Thema für die Frauen. Jesidinnen, die als Flüchtlinge nach Deutschland kamen, lernten schnell die deutsche Sprache und integrierten sich gut ins Arbeitsleben, berichtete Dlovani. Jugendlichen, die sehr zahlreich zu dem ersten Treffen erschienen waren, gehe es vor allem um Fragen der Erziehung, der Religion und der Heirat mit Nicht-Jesiden. Jesiden dürfen nur innerhalb ihrer Gemeinschaft heiraten.

Im Ausland gehe es vor allem um den IS-Terror, sagte Dlovani weiter. Baden-Württemberg habe rund tausend jesidische Frauen im Rahmen eines Sonderkontingents zum Schutz vor dem IS-Terror aufgenommen. Eine von ihnen ist die Autorin Farida Abbas, die beim Frauen-Symposium als Referentin auftrat. Abbas, die im selben irakischen Dorf wie die aktuelle Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad lebte, wurde 2014 ebenfalls vom Islamischen Staat verschleppt und als Sklavin gehalten. Über die Geschehnisse schrieb Abbas unter ihrem früheren Namen Farida Khalaf das Buch "Das Mädchen, das den IS besiegte".

Die Jesidin Nadia Murad im Europaparlament / © Patrick Seeger (dpa)
Die Jesidin Nadia Murad im Europaparlament / © Patrick Seeger ( dpa )

Seit drei Jahren sei sie als Aktivistin unterwegs, "um zu thematisieren, was uns angetan wurde", berichtete Abbas. Die Verleihung des Friedensnobelpreises sei für die Jesidinnen ein "Zeichen, dass unser Schicksal wahrgenommen wird". Es sei eine Ehrung für alle Jesidinnen. Sie sei Deutschland dankbar, dass sie und die anderen Frauen hier aufgenommen wurden: Das habe sie gestärkt, für ihre Rechte einzutreten und ihnen gezeigt, dass sie nicht allein sind.

Hälfte aller in Deutschland lebenden Jesiden lebt in NRW

Die Jesiden in Deutschland seien glücklich, dass Nadia Murad den Friedensnobelpreis bekommen habe, sagte der Zentralratsvorsitzende Irfan Ortac. Es zeige aber auch, wofür sie diesen Preis erhalten habe, nämlich für Vergewaltigung, Unterdrückung und Verschleppung.

Der IS sei keineswegs besiegt, warnte er. 2014 hätten die Jesiden eine Erklärung verfasst, dass Jesidinnen, die zwangsweise islamisiert und verschleppt wurden, weiterhin Jesiden bleiben dürfen, sagte Ortac dem epd. Es habe daraufhin auch Kritiker gegeben, aber sie "verstummen von Tag zu Tag mehr".

Weltweit wird die Zahl der Jesiden auf 800.000 geschätzt. Sie sind in verschiedenen Ländern beheimatet, etwa im Nordirak, in Georgien und in der Türkei. Nach Angaben von Dlovani leben rund 210.000 Jesiden in Deutschland, die Hälfte davon in Nordrhein-Westfalen.

Jesiden

Jesiden sind eine religiöse Minderheit. Weltweit hat die monotheistische Religionsgemeinschaft mehrere hunderttausend Mitglieder. Erstmals erwähnt werden die Jesiden in nahöstlichen Quellen aus dem 12. Jahrhundert. Ihr Name geht vermutlich auf den frühislamischen Kalifen Yazid I. ibn Muawiya (680-683) zurück.

Irak, Lalish: Eine Frau entzündet ein Feuer im Shekadi-Schrein während der Feierlichkeiten des Sommer-Arbaeen-Eids / © Ismael Adnan (dpa)
Irak, Lalish: Eine Frau entzündet ein Feuer im Shekadi-Schrein während der Feierlichkeiten des Sommer-Arbaeen-Eids / © Ismael Adnan ( dpa )
Quelle:
epd