Bundesarbeitsgemeinschaft sieht gesellschaftlich verankerten Rassismus in Ostdeutschland

"Kirchen sind zum Feindbild des Rechtspopulismus geworden"

Demonstranten zeigen den Hitlergruß, es wird lautstark gepöbelt und gegen Ausländer gewettert – die jüngsten rechtsextremen Ausschreitungen in Chemnitz und Köthen waren erschreckend. Aber die Kirche hält dagegen, oder?

Rechte Demo in Chemnitz / © Jan Woitas (dpa)
Rechte Demo in Chemnitz / © Jan Woitas ( dpa )

DOMRADIO.DE: Haben Sie die jüngsten Ausschreitungen und Aufregungen überrascht?

Henning Flad (Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus): Nein leider nicht. Es ist ja so, dass es schon seit langen Jahren verfestigt in Ostdeutschland einen breit gesellschaftlich verankerten Rassismus gibt.

Darüber hinaus hat es schon immer oder seit langer Zeit eine lebendige Neonazi-Szene im Osten gegeben und was darüber hinaus deutlicher geworden ist in den letzten Jahren - insbesondere ab Ende 2014: Es gibt in Ostdeutschland auch eine rechtspopulistische Bewegung, die sich auf der Straße sehr deutlich zeigt.

DOMRADIO.DE: Wie haben Sie die aktuelle Debatte wahrgenommen?

Flad: Naja, ich glaube, dass wirklich wichtig ist, - und das ist ja auch sehr viel passiert - dass klare gesellschaftliche Signale gegeben werden, dass Rassismus nicht akzeptabel ist. Es ist ganz verständlich und ganz richtig, um Menschen zu trauern, die einem Tötungsdelikt zum Opfer gefallen sind und es darf nie in Vergessenheit geraten, dass das passiert ist. Das muss in jedem Gespräch berücksichtigt werden, aber all das rechtfertigt nicht in der Reaktion Rassismus.

DOMRADIO.DE: Die Kirchen vor Ort haben Verschiedenes probiert, um sich abzugrenzen, um Besonnenheit zu fordern und Rassismus eine klare Absage zu erteilen. Aber die christlichen Kirchen vertreten im Osten der Republik eben nur eine Minderheit. Wie wirkungsvoll ist dieser Widerstand?

Flad: Ja, das würde ich auch gerne wissen, was da tatsächlich wirkich wirksam ist. Ich glaube, dass es vor allem gut ist, dass sie sich so klar und deutlich positionieren. Es ist richtig und gut, dass sich die Bischöfe klar äußern zum Thema, dass in den Gemeinden viele Aktivitäten stattfinden und es ist richtig, auch Andachten zu veranstalten und Gedenkgottesdienste. Es ist richtig, wenn die Kirchen sich positionieren - klar und eindeutig positionieren - gegen Neonazismus und auch gegen andere Formen von Rassismus.

DOMRADIO.DE: Wie konkret ist die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus in Ostdeutschland aktiv in Sachen Rechtsextremismus-Prävention?

Flad: Wir sind grundsätzlich im ganzen Bundesgebiet aktiv. Es gibt da jetzt erst mal nicht den ganz klaren Unterschied in der Form der Aktivität zwischen Osten und Westen. Was wir immer machen, ist, Veranstaltungen zu organisieren und zu Tagungen einzuladen. Wir halten viele Referate auf kirchlichen Veranstaltungen, die wir nicht selber organisiert haben. Wir haben das Angebot an kirchliche Leitungen, aber auch an Gemeinden, sich bei besonderen Problemlagen beraten zu lassen und machen das auch.

So versuchen wir hier und da Hilfestellungen zu geben. Ein Format, was wir regelmäßig anbieten und gerade im letzten halben Jahr auch in Ostdeutschland mehrfach angeboten haben, ist, dass wir Menschen unterstützen, die in der kirchlichen Arbeit für Flüchtlinge tätig sind und jetzt vielleicht auch unter Druck geraten oder von Bedrohung betroffen sind. Die erhalten ein Veranstaltungsangebot, wo sie lernen können, wie sie damit umgehen können.

DOMRADIO.DE: Fühlen Sie sich denn in Ihrem Kampf gegen Rechtsextremismus von den Spitzenleuten der Kirchen ausreichend gestärkt oder wünschen Sie sich noch mehr?

Flad: Ich bin sehr glücklich darüber, wie klar sich sowohl die Leitung der evangelischen wie auch der katholischen Kirche da positionieren. Ich halte das für hoch glaubwürdig und verlässlich. Ich habe nicht den Eindruck, dass man sich Sorgen darum machen muss, dass die evangelische Kirche oder die katholische Kirche plötzlich in ihrer Leitung Sympathien für Rechtspopulismus oder Rechtsextremismus entwickelt. Das sehe ich nicht.

Die Kirchen haben sich ja auch faktisch sowieso festzulegen, weil Rechtsextremismus und Rassismus - und sie sagen das sehr deutlich - mit der christlichen Botschaft nicht vereinbar ist. Mal ganz abgesehen davon, dass die Kirchen sowieso in den letzten Jahren massiv zu einem Feindbild sowohl der Rechtsextremen - da waren sie immer schon ein Feindbild - aber auch im Rechtspopulismus geworden sind.

Sie haben sich so klar positioniert in Sachen Unterstützung für geflüchtete Menschen in Deutschland. Ich glaube, das ist das, was kirchliches Leben in den letzten Jahren in den Gemeinden auch besonders ausgemacht hat, nämlich ganz, ganz viel ehrenamtliche Unterstützung für Menschen in Not, die gerade hier angekommen waren.

DOMRADIO.DE: Also ist es umso wichtiger, dass weiterhin Position bezogen wird?

Flad: Die Kirchen sind eine unverzichtbare Stimme. Wir müssen auch einfach klarmachen, dass die Ausgrenzung und Verfolgung von Menschen mit dem christlichen Glauben nicht vereinbar ist.

Und sie müssen auch - und das haben sie ja auch - deutlich machen, dass Gewalt keine Reaktion sein darf auf schlimme Verbrechen. Ein Tötungsdelikt ist selbstverständlich ein schlimmes Verbrechen und es war richtig, das deutlich zu machen, aber Gewalt und rassistische Parolen sind keine legitime Antwort darauf. 

Das Interview führte Dagmar Peters.


Quelle:
DR