Wie Pegida heute wahrgenommen wird

Von Frustration getrieben

Vor einer Woche wurden Journalisten vom ZDF von der Polizei an ihrer Arbeit gehindert, als sie auf einer Pegida-Demonstration drehen wollten. Dieser Vorfall hat gezeigt, die islam- und fremdenfeindliche Organisation Pegida ist noch immer aktiv.

Pegida-Anhänger demonstrieren in Dresden / © Oliver Killig (dpa)
Pegida-Anhänger demonstrieren in Dresden / © Oliver Killig ( dpa )

DOMRADIO.DE: Bis letzte Woche hat man lange nichts mehr über Pegida gehört, die "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes". Rufen wir uns die noch mal in Erinnerung. Welchen Stellenwert hat Pegida noch bei Ihnen?

Thomas Arnold (Direktor der Katholischen Akademie des Bistums Dresden-Meißen): Pegida gibt es tatsächlich noch und ihre Demonstranten sind montags auch noch in Dresden verabredet, aber wir sprechen von einer kleinen Zahl von Leuten. Natürlich sind 300, 500 oder tausend Menschen jeden Montag oder auch jeden zweiten Montag, immer noch eine Zahl, die natürlich existent ist, aber im Vergleich zu 2015, als gar 20.000 mitgelaufen sind, ist sie minimal.

Man muss sagen, die verbleibenden Demonstranten sind der harte Kern, mit dem man nur noch schlecht oder gar nicht diskutieren und sprechen kann. Die Meinungen der Menschen, die dort mitlaufen, sind verhärtet. Da ist keine Luft mehr für Diskussionen.

Ich möchte auch anmerken, die Diskussion, die jetzt wieder entbrannt ist, bezieht sich auf den Besuch von Angela Merkel in Dresden. Am Anfang hatten alle Medien berichtet, dass ganz wenige Leute von Pegida oder anderen Splittergruppen demonstriert hätten und noch vor Ende der Veranstaltung mit Angela Merkel sogar wieder abgezogen seien, weil sie vor dem Landtag keinen Erfolg gehabt hätten. Dass jetzt die Diskussion noch mal eine neue Dynamik entwickelt hat, liegt an der Auseinandersetzung zwischen Polizei und Medien.

DOMRADIO.DE: Wie nimmt man in Dresden Pegida überhaupt noch wahr? Wenn Sie jetzt zum Beispiel an diesem Montag nach Feierabend nach Hause gehen, merken Sie dann noch die paar Menschen?

Arnold: Ja, man merkt sie daran, dass man einfach nicht weiterkommt, dass trotzdem noch Straßenbahnen anhalten müssen, weil gerade der Demonstrationszug vorbeizieht. Ich meine, wir leben in einer Demokratie und da herrscht Meinungsfreiheit und dementsprechend sind auch Demonstrationen erlaubt.

Man merkt sie aber nicht mehr anhand von Stimmungsmache in der Stadt. Ich glaube, es war der richtige Weg, dass Medien nicht weiter darüber berichtet haben, sondern einfach angenommen haben, dass es dort noch Demonstrationen gibt, aber sie haben nicht weiter darüber berichtet. Man hat nach einer Analyse festgestellt, dass gerade die häufige Berichterstattung Ende 2015 dazu geführt hat, dass der Zulauf zu Pegida noch stärker wurde und sich eine Eigendynamik entwickelte.

Ich will aber davor warnen zu glauben, dass jetzt alle Probleme, die die Leute damals bewegt hatten, Ende 2015/Anfang 2016 aufgeklärt sind. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Menschen von diesen ehemals 20.000, die jetzt nicht mehr mitlaufen und wieder zu Hause sitzen, trotzdem noch frustriert sind. Vielleicht frustriert von gesellschaftlichen Entwicklungen, von Demokratie und ihren Erwartungen an Demokratie. Ich glaube, mit den Menschen müssen wir irgendwie ins Gespräch kommen, so schwierig das auch ist.

DOMRADIO.DE: Man muss jetzt sicher nicht groß über die noch paar mitlaufenden Demonstrationen berichten. Aber es ist wahrscheinlich auch gefährlich, wenn man das Ganze so komplett vergisst, oder?

Arnold: Ich denke, man muss noch mal genau schauen, was waren die Themen, die die Leute auf die Straße brachten. Es war ja nicht nur die so genannte "Islamisierung des Abendlandes". Die Menschen hatten sehr unterschiedliche Motivationen, auf die Straße zu gehen. Aber ich glaube, wenn wir uns als Kirche fragen, welche Rolle wir einnehmen können - wir sind im nächsten Jahr vor der Landtagswahl - dann glaube ich, ist eine ganz große Chance, - auch für drei Prozent katholische Kirche oder 20 Prozent Christen – dass sie diesen Diskurs nach vorne bringen und dass sie vor allen Dingen eine Debattenkultur entwickeln, die angemessen ist, auch im Sinne unseres christliches Menschenbilds.

Das, was jetzt passiert ist, was auch zuletzt in den Medien war, hat hier seinen Ursprung, dass Menschen nicht in der Lage sind, sich ordentlich zu begegnen, sondern dass gegen Medien erst mal gepöbelt wurde, dass da sofort unflätige Worte zugerufen wurden bis hin zu Lügenpresse, statt sich mit den Menschen, die versuchen darüber zu berichten, erst mal auseinanderzusetzen. Das ist sicher ein Punkt, über den man diskutieren muss. Und mein Wunsch wäre, dass wir uns einbringen als Kirchen und Christen in der Frage: Wie können wir besser wieder miteinander umgehen? Wie können wir diese Debatte wieder versachlichen? Wie wollen wir als Gesellschaft mit einer anderen Zukunft leben?


Thomas Arnold (Bistum Dresden-Meißen)
Quelle:
DR