Italien streitet über Umgang mit Küstenwachschiff mit 177 Migranten

Ein Grundrecht und kein Verbrechen

Europa ist ihnen zum Greifen nah – und doch dürfen 177 Flüchtlinge nicht von Board gehen. Italien streitet mit der EU-Kommission darüber, wer zuständig ist für die Menschen, denen gerade nicht viel mehr bleibt als zu warten. Die UN greift ein.

Das Archivfoto zeigt das Schiff "Diciotti" der italienischen Küstenwache  / © Igor Petyx (dpa)
Das Archivfoto zeigt das Schiff "Diciotti" der italienischen Küstenwache / © Igor Petyx ( dpa )

Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) hat die italienischen Behörden aufgefordert, die 177 geretteten Bootsflüchtlinge in Sizilien an Land gehen zu lassen. Italien müsse seine Blockadehaltung gegen das Schiff "Diciotti" der eigenen Küstenwache umgehend beenden, sagte die UNHCR-Vertreterin Carlotta Sami am Dienstag.

"Die Menschen an Bord waren Missbrauch und Folter ausgesetzt, sie sind Opfer von Menschenhandel." Sie benötigten dringend Hilfe und hätten das Recht, Asyl zu beantragen. Dies sei ein Grundrecht und kein Verbrechen.

Verboten, an Land zu gehen

Das italienische Innenministerium hat der "Diciotti" nach tagelanger Weigerung zwar am Montagabend erlaubt, in den Hafen von Catania einzulaufen. Den Flüchtlingen wurde aber verboten, an Land zu gehen. Innenminister Matteo Salvini von der Rechtsnationalen Lega machte die Aufnahme der Flüchtlinge durch andere EU-Länder zur Bedingung.

Er drohte damit, sie nach Libyen zurückzuschicken, falls sich keine Aufnahmeländer finden. Nach Angaben der römischen Tageszeitung "La Repubblica" erklärten sich bislang nur Frankreich und Spanien bereit, einen Teil der an Bord befindlichen Migranten zu übernehmen.

Die Flüchtlinge waren am Donnerstag südlich von Lampedusa gerettet worden. Der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz, der zugleich die EU-Ratspräsidentschaft innehat, forderte unterdessen ein allgemeines Hafenverbot in der Europäischen Union für Schiffe mit geretteten Bootsflüchtlingen.

Auch Malta lässt Häfen zu

Unstimmigkeiten zwischen den Ministern wiesen Kreise des Verkehrsministeriums zurück. Letzteres sei für die Zuweisung eines Hafens zuständig, während "alles, was danach passiert" in der Kompetenz des Innenministeriums liege.

Italien hatte die EU-Kommission am Sonntag dazu aufgefordert, andere Mitgliedsstaaten auszumachen, die die im Meer Geretteten aufnehmen. Die Kommission ist einer Sprecherin zufolge daraufhin mit den EU-Staaten in Kontakt getreten. Seit Amtsantritt der neuen populistischen Regierung in Rom im Juni werden immer wieder Schiffe mit geretteten Migranten tagelang im Mittelmeer blockiert.

Neben Italien weigert sich auch Malta, seine Häfen für sie zu öffnen. Die beiden Länder handelten in den vergangenen Wochen mehrmals ad hoc mit anderen EU-Staaten die Verteilung der Menschen aus. Auch Deutschland beteiligte sich daran.

Die Odyssee der "Diciotti"

Die "Diciotti" hatte am Donnerstag 190 Migranten von einem Boot in der Such- und Rettungszone Maltas aufgenommen. Die Italiener brachten 13 Menschen, die dringende medizinische Hilfe benötigten, auf die italienische Mittelmeerinsel Lampedusa. Die "Diciotti" sollte die anderen Migranten nach Malta bringen. Dafür wurde ihr aber von Malta die Erlaubnis verweigert.

Hilfsorganisationen kritisieren diese Vorgehensweise nicht nur, weil die geretteten und oft traumatisierten und geschwächten Menschen lange auf Schiffen im Meer ausharren müssten. Sie befürchten auch, dass durch die Ungewissheit über einen sicheren Hafen die Bereitschaft der Schiffskapitäne sinkt, Menschen von seeuntüchtigen Booten aufzunehmen.


Quelle:
dpa