Evangelische Kirche verteidigt Kirchenasyl gegen Neonazis

Fahndungsaufrufe in Wildwestmanier

Die Evangelische Kirche in Dortmund ermöglicht Kirchenasyl – und wird deshalb von Rechtextremen bedroht. Pfarrer Friedrich Stiller und seine Mitstreiter lassen sich davon nicht einschüchtern. Ein Interview über Mut und Engagement. 

Symbolbild Kirchenasyl / © Axel Heimken (dpa)
Symbolbild Kirchenasyl / © Axel Heimken ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie viele Menschen befinden sich denn in Ihrer Stadt im Kirchenasyl?

Friedrich Stiller (Evangelischer Kirchenkreis Dortmund): Es sind erheblich weniger als man in der Öffentlichkeit denkt. Wir hatten in den letzten Monaten in Dortmund eine Familie im Kirchenasyl und sind gerade dabei, ein zweites Asyl zu eröffnen. Die Zahlen sind eigentlich sehr übersichtlich. Ich gehe davon aus, dass wir in Westfalen im evangelischen Bereich insgesamt im Moment 20 bis 25 Stellen haben.

DOMRADIO.DE: In Dortmund gibt es eine sehr aktive rechtsextreme Szene. Wie wirkt sich das auf die Praxis des Kirchenasyls aus?

Stiller: Wir haben schon 2015 beim ersten Kirchenasyl, das wir hier nach dem Beginn des Flüchtlingszulaufs eröffnet haben, festgestellt, dass die Nazis die Gelegenheit ausnutzen, indem sie Bedrohungn aussprechen. Sie haben damals in Wildwestmanier einen Fahndungsaufruf veröffentlicht mit der Frage: "Wo versteckt die evangelische Kirche illegale Asylanten?"

Und leider haben sie das in diesem Jahr nochmal wiederholt, als wir unser neuerliches Kirchenasyl angekündigt haben. Da haben Sie noch 5.000 Euro Belohnung für Hinweise ausgesetzt, als würden hier Straftaten begangen und als wären die Nazis eine staatliche Behörde.

Aktive Gewalt, glaube ich, gab es bisher nicht. Aber diese Bedrohung ist allgegenwärtig.

DOMRADIO.DE: Wie reagieren Sie denn darauf? Mit Abschottung?

Stiller: Man muss zum Verständnis der Aktivitäten der Nazis sagen, dass sie sich strafrechtlich an einer Grenze bewegen, die noch nicht relevant ist. Wir können das nicht ahnden. Auf der anderen Seite wissen wir aber, dass sie ihren Worten durchaus Taten folgen lassen. Das führt bei uns dazu, dass wir uns auch auf den "worst case" einstellen, auf das Schlimmstmögliche.

Wir haben jetzt so reagiert, indem wir uns entschieden haben: Der Kirchenkreis veröffentlicht, das hier in der Region ein Kirchenasyl beginnt. Aber wir nennen nicht die Gemeinde, solange das Kirchenasyl läuft. Das ist unser Dortmunder Weg.

DOMRADIO.DE: Was bewegt die Rechtsextremen? Wovor haben die Ihrer Meinung nach Angst?

Stiller: Das ist keine Angst, das ist Aggression. Sie wollen die Gelegenheit nutzen und wie üblich Hass verbreiten. Menschen, die wir ins Kirchenasyl nehmen, haben wir ausführlich geprüft. Wir haben uns sehr lange mit den Fällen beschäftigt, wir nehmen nicht jeden. Wir haben ungefähr 20 bis 25 Mal mehr Anfragen als wir Plätze vergeben, zurzeit sogar noch mehr. Es findet eine ausführliche Härtefallprüfung statt.

Die Nazis versuchen, Angst und Schrecken zu verbreiten. Darum müssen wir uns auch entschieden entgegenstellen.

Das Interview führte Verena Tröster.

 

Quelle:
DR
Mehr zum Thema