Italiens neue Regierung und die Kirche fremdeln noch miteinander

Einwanderungsstopp mit kirchlichem Segen?

Im einst so katholischen Italien verstehen Politik und Kirche einander nur noch schwer. Und beim Thema Migration hört anscheinend kaum ein Italiener auf den Papst.

Autor/in:
Roland Juchem
 (DR)

Italiens neue rechtspopulistische Regierung und die katholische Kirche fremdeln noch miteinander - so lautet die Einschätzung vieler Kommentatoren im Land. Derweil scheint sich das aktuell prominenteste Regierungsmitglied, Innenminister Matteo Salvini, mit einigen Kirchenvertretern recht gut zu verstehen. Erst kürzlich kursierten Fotos, auf denen er bei der Abschlussfeier einer Polizeischule sehr freudig US-Kurienkardinal Raymond Burke begrüßt, der nicht gerade als ein Freund von Papst Franziskus gilt.

An sich bedeutet das erst einmal nicht viel. Aber kurz darauf ließ Salvini wissen, ein Kirchenvertreter habe ihn kontaktiert, "um mich zu bitten, den von mir begonnenen Weg fortzusetzen". So zitierte zumindest die "Huffington Post" den neuen starken Mann Italiens. Ob der ungenannte Kirchenmann - allzu viele wird Salvini in diesen Tagen nicht gesprochen haben - nun genau dessen Haltung meinte, Schiffen mit Migranten die Einfahrt in Italiens Häfen zu verbieten, ist unklar.

Mehrheit der Italiener hinter sich

Am Wochenende kündigte Salvini auf Facebook an, zwei weiteren Rettungsschiffen die Einfahrt in italienische Häfen zu verweigern. Dabei weiß er die Mehrheit der Italiener hinter sich: Jüngsten Umfragen zufolge unterstützen rund 60 bis 80 Prozent Salvinis Entscheidung in dieser Frage. Zum politischen Gesamtbild gehört allerdings die Tatsache dazu, dass Italiens Küstenwache in der vergangenen Woche rund 2.000 Menschen aus dem Mittelmeer gerettet hat.

Gleichwohl: Dass der Papst in einer preisgekrönten Videobotschaft fordert, "Migranten aufzunehmen, zu schützen, zu fördern und zu integrieren", ändert nichts an der geringen Rezeption dieses Appells nicht nur in Italien. Zumal es auch katholische Kommentatoren gibt, die ähnlich wie Salvini denken.

Werbung mit Rosenkranz

Der burschikose, redegewandte Lega-Chef wirbt damit, stets einen Rosenkranz bei sich zu haben, und interpretiert die Bibel in seinem Sinne. Vor dem Senat sagte er dieser Tage, das Gebot der Nächstenliebe gelte "nicht nur Frauen und Kindern, die vor Krieg fliehen" - womit er Männer und Migranten ausschloss. Sondern es gelte auch "den Millionen Italienern, die oft unbemerkt Haus, Arbeit und Hoffnung verloren haben".

Die Schwachen gegeneinander auszuspielen hält die Kirche indes für gefährlich. In einer eigenen Botschaft betonte der Vorsitzende der italienischen Bischofskonferenz, Kardinal Gualtiero Bassetti, am Wochenende unter anderem: Der Schutz menschlichen Lebens gelte "im Mutterleib, an den Arbeitsplätzen, in den Wüsten und auf den Meeren". Damit bezog er sich auf die in politischen wie kirchlichen Lagern unterschiedlich betonten Aufgaben.

Gespräch zwischen Sant'Egidio und Salvini

Andrea Riccardi, Gründer der Gemeinschaft Sant'Egidio, die anders denkt als Salvini, schrieb kürzlich in zwei Gastkommentaren: Die Kirche gehe nicht in Opposition. Vielmehr suche sie den Dialog mit der neuen Regierung. Deren Personal und Sprache seien ihr allerdings noch fremd. Dem Vernehmen nach verlief ein erstes informelles Gespräch zwischen Sant'Egidio und Salvini ruhig und konstruktiv.

Eher nüchtern kommentiert die Jesuiten-Zeitschrift "Civilta Cattolica" in aktuellen Aufgabe, nach der Empörung über die Ablehnung ihrer ersten Regierungsmannschaft durch Staatspräsident Sergio Mattarella hätten Salvini und "Fünf-Sterne"-Chef Luigi Di Maio verstanden, dass sie wichtige Institutionen nicht umgehen könnten.

Schnittmengen zwischen Kirche und Regierung

Nun müsse die neue Mannschaft politisch erwachsen werden. Sollte ihr das gelingen, könne sie die politische Landschaft neu gestalten, so das Fazit. Die Kirche, so die Jesuiten-Zeitschrift, müsse sich um den sozialen Zusammenhalt kümmern und um die großen Themen des Pontifikats von Franziskus: Arbeit in Würde, Aufnahme von Migranten, Umweltschutz, Gerechtigkeit und eine Wirtschaftspolitik, die auch an Schwache denke.

Thematische Schnittmengen zwischen Kirche und Regierung gibt es dennoch. So denkt der neue Familienminister Lorenzo Fontana bei den Themen "Homoehe" und "Gender-Policy" ähnlich wie der Papst. Auf die Frage aber, was er von Franziskus halte, entgegnete Fontana in einem Interview im November 2016: "Sagen wir: Kardinal Burke ist mir lieber." - Wie gesagt: Italiens neue Regierung und die Kirche fremdeln noch miteinander.


Quelle:
KNA