Streit um Obergrenze, Einigkeit bei Zuwanderungsgesetz

Bundesregierung gesucht

"Eine Demokratie braucht eine Regierung", so Kardinal Reinhard Marx am Wochenende. So einfach ist das aber nicht: Streit gibt es weiterhin um die Interpretation des Kompromisses zu Obergrenzen bei den Zuwanderungszahlen.

 (DR)

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, wünscht sich, dass Deutschland so schnell wie möglich eine neue Bundesregierung bekommt. Eine Demokratie brauche eine Regierung, sagte der Erzbischof von München und Freising dem Bayerischen Rundfunk in der Reihe "Interview der Woche" auf B5 aktuell. Der Grundgedanke einer Demokratie sei für ihn, dass alle eine Chance bekämen, erklärte der Kardinal. Dazu gehörten auch jene, die neu in Deutschland seien. Arme und Schwache bräuchten Unterstützung, ebenso Langzeitarbeitslose und kinderreiche Familien. All dies sei auch mit dem Begriff "soziale Marktwirtschaft" verbunden. Zwar könne die Politik nicht alle Probleme lösen, aber das Leitmotiv für eine neue Regierung könnte dennoch "Chancen für alle" lauten.

Der Erzbischof von München und Freising äußerte sich auch zu den aktuellen Herausforderungen für die katholische Kirche. In der Frage, ob auch Homosexuelle den Segen der Kirche bekommen sollten, plädierte er dafür, die Bedeutung des Seelsorgers mehr in den Vordergrund zu stellen. Ein generelles und weltweites "Ja" sieht Marx eigenen Worten zufolge nicht. Grundsätzlich sei Zuspruch vonseiten der Priester und Seelsorger aber möglich. Wörtlich sagte er: "Es gibt Dinge, die lassen sich nicht regeln."

Union und SPD wollen Zuwanderungsgesetz

SPD-Vize Ralf Stegner teilte am Freitagabend mit, das Gesetz solle für Fachkräfte gelten, die einen Arbeitsplatz nachweisen und ihren Lebensunterhalt sichern können. "Maßgeblich zu berücksichtigen für den Zuzug nach Deutschland sind der Bedarf unserer Volkswirtschaft, Qualifikation, Alter, Sprache sowie der Nachweis eines konkreten Arbeitsplatzes und die Sicherung des Lebensunterhalts", heißt es in dem Papier der Arbeitsgruppe "Migration und Integration".

Wie ein Gesetz konkret aussehen soll, bleibt allerdings offen. Die SPD strebt ein Punktemodell nach kanadischem Vorbild an. Die Union lehnt ein solches Modell ab. Sie plädiert für ein Gesetz, in dem bestehende Regelungen zusammengefasst und möglicherweise effizienter gestaltet werden sollen.

Ist das nun die Obergrenze?

Auseinandersetzungen gibt es weiterhin über die Frage einer Obergrenze für Flüchtlinge. Stegner teilte am Freitagabend mit, der Dissens sei beendet. Es bleibe bei den Formulierungen aus dem Sondierungspapier. Im Ergebnispapier der Arbeitsgruppe "Migration und Integration" heißt es nun, Union und SPD stellten fest, dass die Zuwanderungszahlen "die Spanne von jährlich 180.000 bis 220.000 nicht übersteigen werden". Die SPD wollte ursprünglich die einschränkende Formulierung einfügen, dass dies "beim jetzigen Kenntnisstand" gelte.

Trotz dieser Verständigung erklärte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann am Samstag in der "Rheinischen Post", "mit dem Bekenntnis von Union und SPD, dass die Flüchtlingszahlen die Spanne von jährlich 180.000 bis 220.000 Flüchtlingen nicht übersteigen werden, haben wir die Obergrenze erreicht".

Stegner erklärte demgegenüber am Samstag auf Twitter: "Davon, dass wir nicht mehr als 180.000 bis 220.000 wollen (das wäre eine Obergrenze) ist keine Rede." Die SPD habe keinesfalls einer Obergrenze bei Asyl oder Genfer Flüchtlingskonvention zugestimmt. Der SPD-Politiker betonte zugleich, es sei in den Verhandlungen vereinbart worden, dass die SPD für eine Obergrenze auch nicht in Anspruch genommen werde.

Kardinal Woelki gegen Übergangsregelung beim Familiennachzug

Auch der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki hat Kritik am schwarz-roten Kompromiss zum Familiennachzug bei Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus geübt. Die Einigung von Union und SPD sei aus christlicher Sicht ein "Skandal", sagte Woelki der "Kölnischen Rundschau" (Freitag). "Es darf nicht durch die Hintertür zu einer Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen aus humanitären Gründen kommen", so der Geistliche.

Auf die Frage, ob die Unionsparteien lieber auf das "C" für christlich im Parteinamen von CDU und CSU verzichten sollten, antwortete der Erzbischof: "Das habe ich nicht zu beantworten, das muss so eine Partei schon selbst tun. Aber sie muss sich an dem messen lassen, was die Botschaft des Evangeliums ist."


Quelle:
KNA