200 Chaldäer sollen in das Bürgerkriegsland zurückkehren

Irakische Christen in der US-Abschiebemühle

Sie kamen in die USA, um der Verfolgung als christliche Minderheit im Irak zu entkommen. Seit Donald Trumps Einzug ins Weiße Haus fürchten sie um ihren Status. Rund 200 Chaldäern droht nun die Abschiebung.

Autor/in:
Bernd Tenhage
Symbolbild Abschiebung / © Julian Stratenschulte (dpa)
Symbolbild Abschiebung / © Julian Stratenschulte ( dpa )

Das tätowierte Kreuz trug Atheer Ali stets mit Stolz auf seiner Schulter. Jetzt hat der Chaldäer Angst, das christliche Symbol könnte ihn das Leben kosten. Das Tattoo werde ihn verraten, wenn ihn die Einwanderungspolizei an den Ort zurückschickt, von dem er als Kind vor fast 30 Jahren geflohen war.

Der heute 40-jährige Ali ist einer von mehr als 200 Chaldäern, die bei einer geplanten Großaktion von den Beamten der Einwanderungspolizei als "Kriminelle" verhaftet wurden. Die meisten von ihnen im Großraum Detroit, einige auch in Tennessee und im Nordosten Ohios. Die Vorwürfe gegen die Betroffenen: oft schon Jahrzehnte zurückliegende Delikte wie Drogenkonsum, Raufereien und andere Jugendsünden. Kaum etwas, das heute die Sicherheit auf den Straßen der USA gefährden würde.

Ein Bezirksgericht hat die Ausweisung nun abgeblockt - zumindest vorübergehend. Binnen zwei Wochen will es seine Zuständigkeit klären; denn die US-Regierung erklärte umgehend, dass lediglich Einwanderungs- und Berufungsgerichte über Abschiebungen entscheiden könnten.

"Columbus-Ritter"

So sehen das auch die katholischen US-Bischöfe. Sie sind über das Vorgehen gegen die Angehörigen der mit Rom verbundenen Kirche empört. In einem Schreiben an Heimatschutzminister John Kelly fordert die US-Bischofskonferenz eine Aussetzung der geplanten Abschiebung. 

Selbst wenn einige Straftaten begangen hätten, stünden diese in keinem Verhältnis zum tödlichen Risiko einer Ausweisung. Das fürchten auch die "Columbus-Ritter", eine katholische Bruderorganisation und langjährige Verbündete der Chaldäer. Sie haben einen Solidaritätsbrief in Umlauf gebracht.

Ausweisungspolitik vs. Anteilnahme

Während die katholischen Bischöfe klare Worte finden, sorgt das Schweigen der protestantischen Rechten, die Trump ins Weiße Haus verholfen haben, für Irritationen. Der Präsident der Chaldean Community Foundation, Martin Manna, ist regelrecht frustriert. Er nimmt es den erzkonservativen Protestanten sehr übel, dass sie zwar die Verfolgung von Christen im Nahen Osten anprangerten, dann aber kein Wort über die bevorstehende Abschiebung von Christen dorthin verlören. Etwa der sonst nicht um klare Worte verlegene Volksprediger Franklin Graham. Der Trump-Unterstützer schwankt in seinen Kommentaren zwischen offener Sympathie für die Ausweisungspolitik und kleinlauter Anteilnahme am Schicksal der Chaldäer.

Umso deutlicher äußern sich in einem Brief an die US-Regierung politisch nicht mit Trump assoziierte Evangelikale, die sich zum "Evangelical Immigration Table" (EIT) zusammengeschlossen haben.

Dringlichkeit und große Sorge

Federführend dort sind die Southern Baptist und die National Hispanic Christian Leadership Conference. "Wir schreiben mit Dringlichkeit und großer Sorge, dass Christen aus den USA abgeschoben werden, denen Verfolgung und selbst der Tod droht". Auch säkulare Gruppen schreiten zur Aktion. Die Bürgerechtsorganisation "American Civil Liberties Union" (ACLU) etwa reichte vor dem Bundesgericht in Detroit Klage gegen die geplanten Abschiebungen ein.

Politisch ist das Vorgehen der Trump-Regierung gegen die irakischen Christen paradox. Erst 2016 hatte der US-Kongress einstimmig die Tötungen von Christen im Nahen Osten als Völkermord anerkannt. Von ehemals 1,2 Millionen Christen sind heute nur noch rund 200.000 in ihrer historischen Heimat ansässig. Der Exodus der Chaldäer begann schon in den 1920er Jahren. Besonders viele flohen vor der Diktatur Saddam Husseins in die USA. Mehr als 150.000 leben nun im Großraum Detroit.

Freunde und Nachbarn

"Die Chaldäer sind unsere Freunde und Nachbarn", so protestierte die Kongressabgeordnete aus Michigan, Brenda Lawrence, bei einer Kundgebung in Detroit. Die Demonstranten hatten Kreuze, Sternenbanner und Schilder mit der Aufschrift "Abschiebung ist ein Todesurteil" mitgebracht. Die Demokratin äußerte den Verdacht, die Chaldäer müssten den Preis für eine mündlichen Vereinbarung zwischen Trump und der irakischen Regierung zahlen. Im Gegenzug für die Rücknahme unliebsamer Einwanderer habe der Präsident Irak von seinem Einreiseverbot aus muslimischen Ländern ausgenommen.

Für Atheer Ali wäre die Abschiebung wegen eines mehr als zehn Jahre zurückliegenden Marihuana-Delikts verheerend. Nach Einschätzung der Bürgerrechtsanwälte der ACLU, die gegen Alis Ausweisung klagt, hat der Chaldäer "wegen seines sichtbaren Status als Christ" jeden Anlass zu Angst davor, "Zielscheibe von Gewalt und Verfolgung zu werden".


Quelle:
KNA