Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen sinkt

Trotz Willkommenskultur wächst Skepsis

Gut anderthalb Jahre nach der großen Fluchtbewegung nach Deutschland und der Hilfswelle der Bevölkerung sinkt offenbar die Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen. Das zeigen jedenfalls die Ergebnisse einer neuen Studie.

Freiwillige Flüchtlingshelfer / © Maja Hitij (dpa)
Freiwillige Flüchtlingshelfer / © Maja Hitij ( dpa )

Mehr als jeder zweite Deutsche sieht nach einer am Freitag veröffentlichten Studie der Bertelsmann Stiftung inzwischen eine Belastungsgrenze erreicht. Viele wünschen sich demnach eine gleichmäßigere Verteilung der Menschen in Europa.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) empfing am Freitag rund 140 Flüchtlingshelfer, um ihnen für das Engagement bei der Aufnahme zu danken. Auch die Kanzlerin mahnte die Hilfsbereitschaft der anderen Europäer an. Die EU habe "klare Werte" und "klare Prinzipien", sagte sie.

Zunehmende Skepsis in Ostdeutschland

Während vor zwei Jahren noch 40 Prozent der Befragten Deutschland an der Grenze der Belastbarkeit sahen, sind es inzwischen 54 Prozent, heißt es in der Studie der Bertelsmann Stiftung. Besonders in den ostdeutschen Ländern hat die Skepsis demnach zugenommen. Im Osten halten nur halb so viele Bürger (33 Prozent) Flüchtlinge für willkommenen wie im Westen (65 Prozent). Für die repräsentative Studie wurden im Auftrag der Bertelsmann Stiftung im Januar bundesweit mehr als 2.000 Menschen ab 14 Jahren befragt.

81 Prozent vertreten bundesweit die Ansicht, dass jedes EU-Land abhängig von Größe und Wirtschaftskraft eine feste Zahl von Flüchtlingen aufnehmen müsste. Die Menschen in Deutschland blickten selbstbewusst darauf zurück, so viele Flüchtlinge so freundlich empfangen zu haben, erklärte Jörg Dräger vom Vorstand der Bertelsmann Stiftung. "Sie sagen aber auch: Jetzt sind andere Länder ebenfalls an der Reihe."

Pro Asyl sieht weiterhin großes Engagement

Die Organisation Pro Asyl sieht indes nach wie vor ein großes Engagement für Flüchtlinge. Er sei positiv überrascht, dass viele Menschen, die bis 2015 nichts mit Flüchtlingen zu tun hatten, jetzt immer noch aktiv dabei seien, sagte Sprecher Bernd Mesovic dem Evangelischen Pressedienst (epd). Helfer fühlten sich aber zunehmend auch überfordert. "Ursachen dafür sind viele negativen Entscheidungen aus jüngster Zeit, wie etwa die Abschiebungen nach Afghanistan", sagte Mesovic. Viele Helfer hätten auch den Eindruck, sie kämpften gegen Windmühlen, weil sich der Wind in Richtung einer Abschiebekultur gedreht habe.

Mit diesem Vorwurf konfrontierten Flüchtlingshelfer am Freitag auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die Menschen eingeladen hatte, die sich seit dem Andrang Schutzsuchender im Spätsommer 2015 für die Versorgung und Integration von Flüchtlingen engagieren.

Paradoxe Probleme

Merkel verteidigte die Haltung ihrer Regierung. Es sei notwendig, dass diejenigen das Land verlassen, die kein Aufenthaltsrecht in Deutschland haben. Nur dann könne denen geholfen werden, die Schutz benötigen. Auch die seit Dezember stattfindenden Abschiebungen nach Afghanistan rechtfertigte Merkel. Die Bundesregierung mache sich die Entscheidung nicht einfach. 45 Prozent der afghanischen Asylantragsteller erhielten keinen Schutzstatus.

Merkel sagte, seit 2015 habe sich viel getan und verbessert, auch wenn im Einzelnen noch Aufgaben blieben. Eine Neue nahm sie durch eine Flüchtlingshelferin mit auf den Weg: Die Frau beklagte in der Diskussion mit der Kanzlerin, dass neugeborene Kinder von Asylsuchenden in Deutschland einen eigenen Asylantrag stellen müssten und bis zum Entscheid - teilweise über viele Monate - von Leistungen ausgeschlossen seien. Das sei "ziemlich paradox", sagte Merkel und versprach der Ehrenamtlichen, dem Problem nachzugehen.


Kanzlerin Angela Merkel am 26.8.15 mit einem Helfer in einer Flüchtlingsunterkunft in Heidenau (dpa)
Kanzlerin Angela Merkel am 26.8.15 mit einem Helfer in einer Flüchtlingsunterkunft in Heidenau / ( dpa )
Quelle:
epd