Student initiiert Zeitschrift für geflüchtete Akademiker

Flüchtlinge bringen viel Wissen mit nach Europa

Welche verborgenen Talente und akademisches Wissen stecken hinter den Flüchtlingen? Das hat sich ein deutscher Student aus Oxford gefragt und gibt geflüchteten Akademikern eine Plattform – er hat eine Zeitschrift gegründet.

Studenten helfen Flüchtlingen beim Uni-Einstieg / © Patrick Seeger (dpa)
Studenten helfen Flüchtlingen beim Uni-Einstieg / © Patrick Seeger ( dpa )

domradio.de: Sie haben die Zeitschrift "Journal of Interrupted Studies" getauft. Was genau ist das für eine Zeitschrift?

Paul Ostwald (Student und Gründer der Zeitschrift "Journal of Interrupted Studies"): Also es ist im Grunde eine Plattform für geflüchtete Akademiker, Studenten und Journalisten, die auf Grund ihrer Situation in der sie sich befinden, nicht mehr publizieren können. Das Image in Deutschland ist so, dass Flüchtlinge viel Hilfe brauchen, aber nichts zu geben haben. Die Zeitschrift ist eben eine Möglichkeit, sich auszudrücken, sich als Flüchtling am Dialog zu beteiligen und eben auch den anderen zu zeigen, was sie alles können und was sie auch zu bieten haben.

domradio.de: Wie sieht diese Plattform genau aus?

Ostwald: Es wird hier in Oxford als gedrucktes Heft erscheinen und auch online als digitale Version. Damit soll über eine Kommentar-Funktion ein Dialog aufgebaut werden, so dass dann verschiedene Professoren oder Akademiker miteinander in Kontakt treten können.

domradio.de: Wird die Zeitschrift auf Englisch erscheinen?

Ostwald: Zum größten Teil. Es gibt auch Texte von Autoren, die in Arabisch geschrieben haben. Diese Texte wollen wir mit Übersetzung veröffentlichen, aber auch im Original.

domradio.de: Gibt es ein spezielles Thema, das Sie vorgegeben? Geht es um die jetzige Situation oder die Schwierigkeiten, die die Menschen jetzt haben, oder was für Schwerpunkte haben Sie gesetzt?

Ostwald: Wir wollten bewusst keinen Schwerpunkt setzen. Wir wollten sehen, was die Menschen beschäftigt. Also wir wollten einen Schritt zurückgehen und sagen: "Was wollt Ihr uns denn mitteilen? Worüber sollten wir reden? " Dementsprechend sind sehr verschiedene Einsendungen gekommen. Viele beschäftigen sich mit der Flucht aus akademischer Perspektive. Aber es gibt auch Einsendungen zu Molekularbiologie und anderen Themen, von denen ich wenig Ahnung habe.

domradio.de: Ein buntes Sammelsurium eigentlich?

Ostwald: Eigentlich schon. Jetzt ist es unsere Herausforderung, daraus eine kohärente Geschichte mit klarer Struktur zu machen. 

domradio.de: Wer sind die Autoren?

Ostwald: Die meisten Autoren, die sich bei uns gemeldet haben, stammen aus Syrien, aus Afghanistan und aus Eritrea. Die syrischen Flüchtlinge sind meistens Studenten, die an der Damaskus-Universität und in Aleppo studiert haben. Sie nehmen jetzt in Deutschland an den deutschen Unis an Tandem-Programme teil, also Partnerschaften mit deutschen Studenten. Darüber können sie Kurse und Vorlesungen besuchen und sich weiter akademisch bilden.

domradio.de: Wie haben Sie das Projekt denn überhaupt finanziert?

Ostwald: Über eine große Zahl von verschiedenen Menschen. Wir wollten bewusst nicht nur von Institutionen gesponsert werden. Wir wollten das Signal senden, dass das Interesse an den Autoren nicht nur von gehobenen Institutionen kommt, sondern auch aus der Zivilgesellschaft. Darunter sind selbst Akademiker, Journalisten, aber auch ganz zufällige Leute, die auf unserer Webseite waren und gespendet haben.

domradio.de: Wie sind Sie auf die Idee gekommen?

Ostwald: Ich war vor etwa einem Jahr in Köln zu Besuch. Da habe ich die Ministerien-Zahlen mitbekommen, wie viele Leute nach Deutschland kommen werden. Ich habe mich da gefragt, was sind das für Menschen? Wer ist da, wer kommt da? Die deutsche Presse - obwohl sehr mitfühlend - hat das immer sehr einfach gezeigt. Das waren arme, mitleidserregende Menschen. Ich wollte gucken, ob es noch andere Menschen gibt, die noch ganz andere Dinge zu bieten haben.

Vielleicht ist dieses Label "armer Flüchtling" zu einfach und reduziert die ganze Vielfalt, die da mitkommt. Dann haben wir uns hingesetzt und überlegt, was könnten wir machen, dass diese Vielfalt auch in Erscheinung tritt. Ich bin handwerklich unbegabt – dachte ich - und Akademisches ist das, was ich mache und womit ich mich im Alltag mit beschäftige. Dementsprechend gab es dann die Idee, die Zeitschrift zu gründen.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR