UN kritisieren Schließung von größtem Flüchtlingslager in Kenia

Zuflucht oder Brutplatz des Terrors?

Kenias Regierung betrachtet seine Flüchtlingscamps als Brutstätte des Terrors und will die Schließung. Die UN warnen: Sollten die Flüchtlinge in ihre Herkunftsländer zurückgeschickt werden, drohten verheerende Folgen.

Autor/in:
Markus Schönherr
Flüchtlingslager im kenianischen Dadaab / © Boris Roessler (dpa)
Flüchtlingslager im kenianischen Dadaab / © Boris Roessler ( dpa )

Kenias Ankündigung, das größte Flüchtlingscamp der Welt schließen zu wollen, hat in der internationalen Gemeinschaft "tiefe Besorgnis" ausgelöst. Wie das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) am Montagabend mitteilte, seien die Probleme, die mehr als 600.000 Afrikaner zur Flucht gezwungen hätten, nach wie vor ungelöst. Eine Rücksendung der Kriegsvertriebenen in Herkunftsländer wie Somalia oder Südsudan scheide daher aus.

Wachsende Terrorgefahr

Ende vergangener Woche hatte Kenia die Auflösung der staatlichen Flüchtlingsbehörde und die Schließung der größten Lager Dadaab und Kakuma verkündet. Staatssekretär Karanja Kibicho begründete die Entscheidung mit der wachsenden Terrorgefahr, die von den Camps ausgehe. Angesichts wirtschaftlicher Herausforderungen habe man der Radikalisierung der Flüchtlinge derzeit nur wenig entgegenzusetzen.

Kibicho verwies auf die Terrorwelle, die Kenia in den vergangenen Jahren erschüttert habe. 2013 hatten Milizen der Terrorgruppe Al-Shabaab das Westgate-Einkaufszentrum in Nairobi gestürmt und 67 Menschen getötet. Zwei Jahre später starben bei dem Anschlag auf die Universität von Garissa mehr als 150 Menschen. Laut den Machthabern in Nairobi stammten mindestens zwei der Angreifer aus dem Flüchtlingslager Kakuma.

Zeltstädte bereits 1992 errichtet

Die Zeltstädte Dadaab und Kakuma wurden 1992 von den Vereinten Nationen in Zusammenarbeit mit Kenias Regierung und Entwicklungsorganisationen errichtet. "Fast ein Viertel Jahrhundert lang spielte Kenia eine Schlüsselrolle am Horn von Afrika, wenn es darum ging, Menschen aufzunehmen, die vor Krieg und Verfolgung flohen", lobte das UNHCR in seiner Mitteilung. Kenias Großzügigkeit habe Hunderttausenden Somaliern und Südsudanesen Sicherheit gewährt.

Das UN-Flüchtlingshilfswerk räumte ein, dass der Flüchtlingsstrom "zwangsläufig das Land und seine Bevölkerung beeinflusst" habe. Deshalb habe man die Sorgen der Gastgeber stets angehört und international für eine "starke Unterstützung" Kenias geworben. 2013 hatten der ostafrikanische Staat und die UN ein Programm zur freiwilligen Rückführung somalischer Flüchtlinge gestartet, nachdem es der Friedensmission der Afrikanischen Union (AU) gelungen war, die Terroristen der Al-Shabaab in zahlreichen somalischen Städten zu besiegen. Bislang erwies sich das Programm jedoch als fruchtlos.

Rückkehr scheidet für viele Somalier aus

Für den Großteil der Somalier scheidet eine Rückkehr nach 25 Jahren in ihrer neuen Heimat heute aus. "Die Menschen sitzen nicht 20 Jahre lang nur herum. Sie wollen mit ihrem Leben voranschreiten", sagt Michael Adams, ehemaliger Leiter des Dadaab-Flüchtlingsprogramms der Hilfsorganisation CARE. Längst sei Dadaab mehr als ein Flüchtlingslager. Eine Generation Jugendlicher, die hier aufgewachsen sei, kenne kein Leben außerhalb des Campzauns. Somalische Gemüsehändler, Friseure und Handwerker hätten hier ihre Läden eröffnet.

Heute ist Dadaab nicht nur wichtigstes Wirtschaftszentrum für die Region, sondern inoffiziell auch Kenias viertgrößte Stadt. In Kakuma bilden Südsudanesen die überwiegende Mehrheit. Wegen des zunehmenden Flüchtlingsstroms mussten die Vereinten Nationen die Zeltanlage an der Grenze zu Uganda 2014 für zehn Millionen US-Dollar um mehr als die Hälfte vergrößern.

Appell an kenianische Regierung

Das UN-Flüchtlingshilfswerk warnt nun vor "verheerenden Konsequenzen für Hunderttausende", sollte Kenia die Schließung wahrmachen. "In dem heutigen Kontext von 60 Millionen gewaltvoll Vertriebenen, ist es wichtiger denn je, dass internationale Asylverpflichtungen aufrechterhalten und ausreichend unterstützt werden", hieß es. An die Regierung in Nairobi appellierten die Vereinten Nationen, die Schließung zu überdenken. Diese könne im Widerspruch zu internationalen Verpflichtungen des Landes stehen.


Quelle:
KNA