Erzbischof Koch zum erfundenen Tod eines Flüchtlings in Berlin

Vermeintlicher Flüchtlingstod darf nicht "verzweckt" werden

Nach dem Fall des erfundenen Flüchtlingstods in Berlin hat der Berliner Erzbischof Heiner Koch die politischen Reaktionen kritisiert. Zudem forderte er, in der Diskussion um die Flüchtlingssituation die ehrenamtlichen Helfer nicht zu vergessen.

Flüchtlinge vor dem Lageso / © Gregor Fischer (dpa)
Flüchtlinge vor dem Lageso / © Gregor Fischer ( dpa )

"Ich bin erschüttert über die Empörung und die Verzweckung dieser Meldung für die Politik", sagte Koch am Donnerstag auf Anfrage in Berlin. Die Caritas habe immer wieder auf die schwierige Lage der ehrenamtlichen Helfer hingewiesen, die seit Monaten über die Grenzen der eigenen Belastbarkeit hinaus im Einsatz seien. "Die dürfen wir beim Engagement für die Flüchtlinge nicht vergessen", betonte Koch. Er äußerte sich zugleich "sehr erleichtert, dass es keinen Todesfall gab".

Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sagte in München, in die derzeit "aufgeheizte Diskussion" müsse mehr Sachlichkeit einziehen. Fakten müssten in alle Richtungen geprüft und auch genannt werden. Ansonsten spiele man Rechtspopulisten in die Karten. In den sozialen Netzwerken finde vor allem nach den Vorfällen in der Silvesternacht in Köln eine "Verblasung" statt. User bewegten sich nur noch in Räumen, wo ihre eigene Meinung bekräftigt werde. Für Gegenargumente seien sie nicht empfänglich.

Polizei sieht keine Straftat

Der Berliner Flüchtlingshelfer Dirk V. hatte am späten Mittwochabend bei einer Vernehmung durch die Polizei gestanden, dass er sich die Geschichte über den Tod eines jungen Syrers ausgedacht habe. Zuvor hatte er über soziale Netzwerke berichtet, dass ein 24-jähriger Syrer in der Nacht zuvor nach langem Warten vor dem Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) gestorben sei. Der Mann sei schwer erkrankt gewesen und habe im Rettungswagen einen Herzstillstand erlitten, hatte V. auf Facebook behauptet.

Die Berliner Polizei sieht in dem Vorfall keinen Straftatbestand. Der Flüchtlingshelfer sei als Zeuge vernommen worden, sagte ein Polizeisprecher auf Anfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd). Derzeit gebe es keine weiteren Ermittlungen gegen ihn. Zum Motiv des Mannes wollte sich die Polizei nicht äußern.

Der Flüchtlingshelfer habe eine Begründung für seine Lüge angegeben. Es sei aber nicht Aufgabe der Polizei diese weiterzugeben. "Das soll der Mann selber sagen", betonte der Sprecher. Auch zu weiteren Hintergründen des Vorfalls wollte sich die Polizei mit Verweis auf das Persönlichkeitsrecht von V. nicht äußern.

Kritik an "Moabit hilft"

Politiker forderten am Donnerstag Konsequenzen aus dem Fall. So rief Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) im rbb-Inforadio dazu auf, solchen Gerüchten "den Boden zu entziehen". Erforderlich seien wirksame Maßnahmen, die Lage der Flüchtlinge zu verbessern. Es reiche nicht aus, "immer neue Asylpakete zu erfinden".

Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) kritisierte die Leitung des Bündnisses "Moabit hilft" scharf. Sie habe ungeprüft Gerüchte weiterverbreitet und damit auch vielen Ehrenamtlichen geschadet, die wichtige Arbeit leisteten. Er forderte, rechtliche Konsequenzen gegen den Urheber der vorgetäuschten Geschichte zu prüfen. Überdies verlangte er eine Entschuldigung von Politikern, die daraus vorschnell Rücktrittsforderungen abgeleitet hätten.

Czaja: Zusammenarbeit mit Ehrenamtlern wichtig

Dies war vor allem mit Blick auf den Berliner Sozialsenator Mario Czaja (CDU) der Fall. Er steht wegen der Probleme bei der Flüchtlingsversorgung bereits in der Kritik. In der rbb-Abendschau mahnte der Sozialsenator am Mittwoch zur Zurückhaltung bei der Bewertung des Falls: "Ich bin nicht der Auffassung, dass man zu Vorverurteilungen oder Allgemeinverurteilungen kommen sollte, wenn eine Person etwas getan hat, das für uns schwer verständlich ist". Eine weitere enge Zusammenarbeit mit den ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern sei ihm sehr wichtig, betonte Czaja.

"Moabit hilft" räumte unterdessen im rbb-Sender radioEINS ein, einen großen Fehler gemacht zu haben und kündigte Konsequenzen an. So müsse sich die Initiative professionalisieren. "Wir werden künftig besser überprüfen und intensiver miteinander sprechen müssen", so sagte die Sprecherin der Initiative, Diana Henniges. Sie räumte ein, dass die Initiative an Glaubwürdigkeit verloren habe.


Quelle:
KNA , epd