Franziskus stellte sich 2015 den großen Welt-Themen

Krieg, Terror, Flucht, Armut und Umweltkrise

Schöpfungsverantwortung, Flüchtlingshilfe, Familiensynode und Kirchenreform - Die großen Themen von Papst Franziskus prägten 2015 die Weltkirche. Ein Jahresrückblick des Kathpress-Chefredakteurs.

Autor/in:
Paul Wuthe
Papst trifft Überlebende des Bootsunglücks vor Lampedusa  (dpa)
Papst trifft Überlebende des Bootsunglücks vor Lampedusa / ( dpa )

"Die Kirche in der Welt von heute" - so lautet der Titel des letzten großen Dokuments, mit dem vor 50 Jahren das Zweite Vatikanische Konzil beendet wurde. Was wie eine nüchterne Faktenfeststellung klingt, ist ein Dauerauftrag, dem gerade der gegenwärtige Papst entsprechen will. Ob Krieg, Terror, Flucht, Armut oder Umweltkrise, Franziskus erweist sich im dritten Jahr seines weltweiten Dienstes als Mann des Evangeliums, Prophet der Hoffnung und Botschafter der Barmherzigkeit - für die Menschheit, die Weltkirche und die Kirche in Österreich.

Mit der am 18. Juni veröffentlichten Enzyklika "Laudato si" hat Franziskus die "Sorge um das gemeinsame Haus" zu einem Hauptthema seines Pontifikats gemacht. Selten hat ein päpstliches Dokument weltweit so eine positive Resonanz erfahren. Bewusst im Vorfeld seines Besuchs im September bei der UNO und in den USA sowie im Blick auf den Weltklimagipfel veröffentlicht, macht der Papst in einer Synthese von naturwissenschaftlicher Erkenntnis und christlichem Glauben deutlich, wie dringlich eine "ökologische Umkehr" ist. Er hat damit nicht nur innerhalb der rund 1,2 Milliarden Katholiken ein Umdenken vorangetrieben, sondern vermutlich auch den Weltklimagipfel nachhaltig geprägt. Konkrete Auswirken hat die Enzyklika auch auf die Kirche in Österreich: So beschlossen im Herbst die Bischöfe erstmals eine Klimaschutz- und Energiestrategie für alle Diözesen.

Hilfe für Flüchtlinge

Schon am Beginn seines Pontifikats machte der Papst mit dem Besuch auf Lampedusa auf das Flüchtlingsleid aufmerksam und wollte damit der grassierenden "globalisierten Gleichgültigkeit" begegnen. Spätestens als heuer im Sommer Hunderttausende kamen, weil sie vor dem Krieg in Syrien, dem islamistischen Terror und der aussichtslosen Situation in den Nachbarländern flüchteten, war das Thema mitten in Europa und in Österreich angekommen. Unter den Verfolgten sind viele Christen. Es ist ein Teil der täglich erlebbaren Tragödie, dass das Christentum nach einer fast zweitausendjährigen Geschichte in diesen Ländern zu verschwinden droht.

Vor diesem Hintergrund tritt die Kirche hierzulande entschieden dafür ein, dass Notleidenden zu helfen ist und das Menschenrecht auf Asyl uneingeschränkt zu gelten hat. Entsprechend groß ist das konkrete Engagement. So ist die Kirche nach dem Staat die größte Institution, die laufend Grundversorgungsquartiere für Asylwerber zur Verfügung stellt, diese betreut und auch bei der Integration hilft. Federführend dabei ist die kirchliche Caritas, die mit Pfarren, Diözesen und Orden zusammenarbeitet. Gemeinsam mit zahlreichen Freiwilligen konnte so auch Tausenden "Transitflüchtlingen" geholfen werden.

Familie und Synodalität

2015 war für die Kirche auch ein Jahr der Familie. Nach einer zweijährigen Vorbereitung wurden schließlich von der Bischofssynode am 24. Oktober insgesamt 94 Vorschläge mit Zweidrittelmehrheit beschlossen. Dass trotz sehr unterschiedlicher Positionen etwa in der Frage der wiederverheiratet Geschiedenen ein gemeinsames Ergebnis erzielt wurde, das "Türen offen hält", kann als Erfolg der Synode und Bestärkung der päpstlichen Linie bewertet werden. Einen maßgeblichen Einfluss auf das Synodendokument hatte nicht zuletzt der von Kardinal Christoph Schönborn moderierte deutschsprachige Arbeitskreis. Ihm gehörten beispielsweise der Präfekt der Glaubenskongregation, Kardinal Gerhard Ludwig Müller, sowie die Kardinäle Walter Kasper und Reinhard Marx an. Die Gruppe einigte sich einstimmig u.a. auf einen Weg, der im Einzelfall auch den Sakramentenempfang von wiederverheiratet Geschiedenen eröffnet.

Wie der Papst in dieser und in anderen Fragen über Ehe und Familie letztlich entscheidet, bleibt noch abzuwarten. Zweifelsohne hat Franziskus die im Zuge des Zweiten Vatikanischen Konzils geschaffene Bischofssynode insgesamt aufgewertet und in ihrer Arbeitsweise deutlich verbessert. Die Stärkung einer synodalen Kirche auf allen Ebenen war auch die Kernbotschaft des Papstes beim Festakt am 17. Oktober anlässlich der Errichtung der Bischofssynode vor 50 Jahren. Verbunden mit einer vom Papst am Ende der Synode in Aussicht gestellten Dezentralisierung könnte künftig die Verantwortung der Ortskirchen und Bischofskonferenzen nicht nur in Fragen von Ehe und Familie zunehmen.

Weitreichende Veränderungen innerhalb einer Weltkirche brauchen Zeit: Dies zeigt ein Blick auf das Projekt "Kurienreform", mit dem Franziskus sein Amt angetreten hat. Auch im dritten Jahr seines Pontifikats ist es noch nicht abgeschlossen. Dabei liegt es nicht nur an der Komplexität der Aufgabe und der Etablierung geeigneter Strukturen. Dass es immer auch der rechten Gesinnung bedarf, ist ein Grundthema des Papstes, der nicht von ungefähr bei der letztjährigen Weihnachtsansprache "15 Krankheiten der Kurie" diagnostizierte. Die Vorkommnisse rund um die aktuelle "Vatileaks"-Affäre sind ein Beleg dafür, unterstreichen aber gleichzeitig die Notwendigkeit der vom Papst vorangetriebenen Kurienreform.

Neue Bischöfe und Strukturreformen

Eine deutliche Handschrift hat Papst Franziskus indes bereits in Österreich hinterlassen. Nach der Ernennung von Bischof Benno Elbs 2013 für die Diözese Feldkirch gab es in diesem Jahr gleich drei Bischofsernennungen: Wilhelm Krautwaschl wurde Bischof von Graz-Seckau, Werner Freistetter übernahm die Leitung der Militärdiözese und Bischof Manfred Scheuer wechselt von Innsbruck nach Linz. Sie stehen dabei wie alle anderen Bischöfe u.a. vor der Aufgabe, zeitgemäße Seelsorgestrukturen zu schaffen.

Im diesen Sinn hat beispielsweise die Erzdiözese Wien mit dem 1. Adventsonntag 140 neue Entwicklungsräume für die derzeit 653 Pfarren geschaffen, die auf ein neues Zusammenwachsen in der "Pfarre Neu" abzielen. Einen ähnlichen, aber etwas anderen Weg geht die Diözese Eisenstadt. Dort sollen bis 2025 die derzeit 172 Pfarren bestehen bleiben und künftig 41 Seelsorgeräume bilden. Gemeinsames Ziel der Änderungen in den Diözesen sind passende Strukturen für die kirchlichen Grundaufgaben der Glaubensverkündigung, des Gottesdienstes und des karitativen Wirkens.

Das von Papst Franziskus weltweit ausgerufene Heilige Jahr der Barmherzigkeit bietet erstmals die Möglichkeit, dass auch außerhalb Roms Heilige Pforten eröffnet werden, was in den österreichischen Diözesen vielfach aufgegriffen wurde. Barmherzigkeit als christlichen Zentralbegriff im Blick auf Gott und im Umgang miteinander zu entdecken - das ist die Intention des Heilgen Jahres, das bis zum 20. November 2016 dauert. Es geht um eine persönliche geistliche Erneuerung als Mitte und Ziel aller Reformen, denen zeitgemäße Strukturen zu dienen haben.