Drogeriekette "dm" sagt Neudeck-Spendenaktion ab

Anonymer Druck in sozialen Netzwerken

Eine Spendenaktion für Flüchtlinge der Drogeriekette "dm" ist aufgrund eines Boykottaufrufs in den sozialen Medien abgesagt worden. Gegenüber domradio.de warnte Spendenpate Rupert Neudeck davor, sich anonymem Druck zu beugen.

Rupert Neudeck (dpa)
Rupert Neudeck / ( dpa )

Die Planung der Spendenaktion sah vor, dass der Gründer der Hilfsorganisationen Cap Anamur und Grünhelme, Rupert Neudeck, in einer Troisdorfer Filiale der Drogeriemarkt-Kette "dm" an der Kasse sitzt und die Einkäufe abhält. "dm" wollte den Erlös dann für Deutschkurse für integrationswillige Flüchtlinge spenden. Die Aktion sollte am 17. Oktober stattfinden. Jetzt ist "dm" kurzfristig zurückgerudert, da die Aktion einen "Shitstorm" im Netz ausgelöst hatte -  von Boykottaufrufen bis hin zu Gewaltandrohungen. Größtenteils wurden diese von Türken und türkischstämmigen Deutschen verfasst, die die Verwendung der Spenden für Terror im Namen der kurdischen Arbeiterpartei - PKK befürchten. Empfänger der Spende sollte nämlich die Kurdische Gemeinschaft Rhein-Sieg/Bonn sein.

domradio.de: Was ist da dran - hätte das Geld wirklich in die Hände von radikalen Kurdenaktivisten kommen können?

Rupert Neudeck (Gründer der Hilfsorganisationen Cap Anamur und Grünhelme): Man muss die Sachlage total umdrehen. Wir sind in einer Schieflage, die gar nicht schlimmer gedacht werden kann. In jedem Rechtssystem, wie unserem deutschen Recht, wird der Beschuldiger erst einmal gefragt, ob er Gründe, Beweise oder Belege für seine Anschuldigung hat. In diesem Fall von einem Shitstorm können anonyme Leute, die bei Facebook oder anderen sozialen Netzwerken agieren, einfach irgendwas behaupten. Gefragt wird dann nicht der Beschuldiger, sondern der Beschuldigte. Ich werde mich weigern, auf die Frage zu antworten, ob ich mit der kurdischen Gemeinschaft die richtige Gemeinschaft ausgesucht habe, denn ich kenne diese Gemeinde und habe überhaupt keinen Anlass, an ihr zu zweifeln. Ich verlange aber von den Medien und den Journalisten, dass sich so verhalten, wie das in jedem normalen journalistischen Verfahren ist. Erst kommt die Recherche bei dem, der eine Beschuldigung aufgestellt hat.

domradio.de: Hatten Sie denn vielleicht bei Ihrer Entscheidung für die kurdische Gemeinde schon im Hinterkopf, dass etwas auf Sie zukommen kann?

Rupert Neudeck: Nicht im Geringsten. Das haben solche Überfallaktionen ja so an sich. Bei einem Shitstorm wird ja Mist über jemandem ausgekippt und das tun die Nutzer ja. Interessanterweise gehen wir damit um, wie mit einem Skandalfall. Dabei ist das überhaupt kein Skandalfall. Das einzige, was ich für die gesamte deutsche Gesellschaft und für unsere Kirchengemeinden bedauern muss, ist, dass diese virtuellen Krakeeler auch noch Recht bekommen. Die Spendenaktion am Samstag wird nämlich jetzt ausgesetzt, worauf ich mich so gefreut hatte. Das muss man sich einmal vorstellen: Eine kleine Aktion in Troisdorf wird abgesagt, weil irgendjemand anonym im Netz irgendetwas behauptet. Das kann auf Dauer in der deutschen Gesellschaft nicht gutgehen, wenn wir das weiter so betreiben.

domradio.de: Die Drogeriekette "dm" hat die Aktion jetzt abgesagt. Ist das eine einmalige Geschichte oder ein dauerhaftes Einknicken vor den Anliegen radikaler Türken? 

Rupert Neudeck: Ich erlebe das zum ersten Mal in meinem professionellen, humanitären oder privaten Leben. Ich fürchte, dass wir durch das Einknicken von "dm" in Zukunft immer wieder solche Absagen haben werden. Der Geschädigte bin nicht ich, sondern das ist die kurdische Gemeinschaft, die sich durch eine so vorbildliche Arbeit in den letzten 30 Jahren im Rhein-Sieg-Kreis bewährt hat und von der deutschen Gesellschaft mit der höchsten Anerkennung durch das Bundesverdienstkreuz und dem Rheinlandtaler, ausgezeichnet wurde. Diese Aktion ist möglich gegen ein ausgezeichnetes Mitglied der deutschen Gesellschaft. Und diese deutsche Gesellschaft lässt auch noch zu, dass diese Shitstorm-Beteiligten Recht bekommen. Das ist für mich der eigentliche Skandal. Darüber müssen wir sehr intensiv nachdenken, damit wir zukünftig nicht ähnliche Fälle haben.

domradio.de: Können Sie sich trotz dieser Erfahrung in Zukunft eine neue Spendenaktion mit "dm" vorstellen?

Rupert Neudeck: Ja, schon. Ich hoffe aber zunächst sehr, dass die Rehabilitierung der kurdischen Gemeinschaft, die durch haltlose Anschuldigungen in Misskredit geraten ist, erfolgen wird. Wir haben am Donnerstag in Siegburg eine erste Veranstaltung gehabt, wo sich die Bevölkerung in eindeutiger Weise zu dieser kurdischen Gemeinschaft solidarisch gestellt hat. Ich hoffe, dass von daher nichts übrig bleibt. Was "dm" macht, ist eine zweite Sache. Ich fürchte nur, dass es ein Präjudiz, wie man juristisch sagt, ist. Die Tatsache, dass man diesem Boykottaufruf gefolgt ist, halte ich für sehr schlimm, denn wir hätten diese Aktion ohne Probleme machen können. Das sind Feiglinge, die das machen und sich anonym melden. Man meldet sich nicht anonym, wenn man wirklich etwas sagen will. 

Das Interview führte Daniel Hauser


Quelle:
DR