Flüchtlinge: Caritas warnt vor Überforderung von Ruhrgebietsstädten

Hilfe für Kommunen

Angesichts der weiter steigenden Flüchtlingszahlen warnt die Caritas im Bistum Essen vor einer Überforderung der Kommunen im Ruhrgebiet. Die Städte und das Land seien seit Wochen im Katastrophenmodus.

Weiter gen Westen - zu Fuß / © Csaba Krizsan (dpa)
Weiter gen Westen - zu Fuß / © Csaba Krizsan ( dpa )

"Sicher, satt, sauber und warm: Das ist alles, was gerade geht, für etwas anderes bleibt keine Zeit", sagte der Essener Caritasdirektor Andreas Meiwes in Bochum. Meiwes forderte vom Bund mehr finanzielle und logistische Hilfen für die Kommunen. Zugleich betonte er: "Asylrecht ist und bleibt ein Grundrecht ohne Zahlen-Limit."

Nach Caritas-Prognosen müssten die Ruhrgebietsstädte in diesem Jahr mehr als 21.000 Menschen aufnehmen. Die errichteten Zeltdörfer würden bald nicht mehr ausreichen, sagte Meiwes.

Gabriel rechnet mit einer Million Flüchtlingen

Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) stellte indes die erst kürzlich abgegebene Prognose über die Zahl der ankommenden Flüchtlinge infrage. In einem Brief an SPD-Mitglieder schrieb der Parteichef am Montag, vieles deute daraufhin, dass Deutschland in diesem Jahr bis zu eine Million Flüchtende aufnehmen werde. Das wären rund 200.000 Asylbewerber mehr als bisher vorhergesagt. Das Bundesinnenministerium bestätigte die Zahl nicht. Ein Sprecher sagte, es gebe derzeit keinen Anlass die aktuelle Prognose zu verändern.

Zugleich mahnte er, eine Unterbringung in Turnhallen und Zelten dürfe nicht zum Dauerzustand werden. Eine langfristige Einschränkung von Bürgern, etwa durch die Belegung von Turnhallen mit Asylsuchenden, könne auch den zurzeit noch herrschenden gesellschaftlichen Konsens infragestellen.

Schnellere Asylverfahren für Flüchtlinge vom Balkan

Dringend nötig seien schnellere Asylverfahren, betonte der katholische Wohlfahrtsverband. Menschen, die keine Chance auf Asyl haben, müssten rasch rechtliche Klarheit haben, sagte Meiwes mit Blick auf Flüchtlinge vom Balkan. "Wenn doch klar ist, dass sie nicht bleiben können, ist eine schnelle Rückführung besser." Das Bilden von Schwerpunkt-Zentren sei zwar nicht optimal, "aber bei den Massen wohl derzeit anders nicht zu lösen". Nordrhein-Westfalen plant, einen Teil der Balkan-Flüchtlinge in Zukunft schwerpunktmäßig in vier Landeseinrichtungen unterzubringen.

Zugleich verwies Meiwes auf die große Hilfsbereitschaft der Bürger. Bei der Caritas gingen täglich Hilfsangebote in großer Zahl ein. Bei Schulungsreihen für Ehrenamtliche sei der Andrang riesig.

Caritas-Sonntag mit Flüchtlingsfamilien

Mit dem von Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck aufgelegten Flüchtlingsfonds wurden den Angaben zufolge bislang 35 Hilfsprojekte von Kirchengemeinden und der Caritas mit rund 160.000 Euro finanziert. Anträge seien weiter möglich.

Zum bundesweiten Caritas-Sonntag am 20. September feiert Bischof Overbeck einen Gottesdienst mit Flüchtlingsfamilien und ehrenamtliche Helfer. Nach dem Gottesdienst um 9 Uhr in der Kirche Heilig Geist in Bochum-Harpen gibt es ein Begegnungsfest.

Langzeitarbeitslose als Flüchtlingshelfer: Ein guter Ansatz

Den Einsatz von Langzeitarbeitslosen als Flüchtlingshelfer hält die Caritas in NRW "im Prinzip für einen guten Ansatz". Der Vorschlag von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) sei mutig, es müssten aber die Rahmenbedingung stimmen, teilten die Diözesan-Caritasverbände Aachen, Essen, Köln, Münster und Paderborn am Dienstag in Düsseldorf mit.

Die Arbeit müsse grundsätzlich freiwillig und frei von Repressionen der Jobcenter erfolgen, betonte der Paderborner Diözesan-Caritasdirektor Josef Lüttig. Langzeitarbeitslose müssten auf ihre Aufgabe vorbereitet werden, sollten interkulturelle Kompetenzen aufbauen können und in Teams zusammen mit professionellen Fachleitern tätig sein. Die Caritas NRW fordert zudem faire Bedingungen, "am besten in Form einer sozialversicherungspflichtigen, mit Lohnkostenzuschuss öffentlich geförderten Beschäftigung".

Viele Aufgaben nur mit Ausbildung möglich

Lüttig wies außerdem darauf hin, dass viele Aufgaben in der Flüchtlingshilfe nur von Menschen mit qualifizierter Berufsausbildung übernommen werden sollten. Das gelte für persönliche Beratung und Betreuung, medizinische Versorgung und organisatorische Leitungsaufgaben. Bei Fahrdiensten, Transporten, Um- und Aufbauarbeiten, beim Sortieren von Kleider- und Möbelspenden oder in der Küche könnten Langzeitarbeitslose hingegen sinnvoll mitwirken.

"Sie leisten dann einen Beitrag zur Bewältigung dieser großen gesamtgesellschaftlichen Aufgabe und können zugleich erfahren, dass diese Gesellschaft auch mit ihnen solidarisch ist", betonte der Diözesan-Caritasdirektor. Schon jetzt seien bei dem katholischen Sozialvergand viele zuvor Langzeitarbeitslose in genau solchen Teams im Einsatz und wirkten zum Teil bereits in der Flüchtlingshilfe mit.

EU will Flüchtlinge ab kommender Woche verteilen

Unterdessen haben sich in Brüssel die EU-Innenminister grundsätzlich auf die Verteilung von 160.000 Flüchtlingen geeinigt. Dabei soll es sich vor allem um Menschen aus Syrien, Eritrea und dem Irak handeln, hieß es am Montagabend nach dem Sondertreffen des Ministerrates in Brüssel. Mit der Verteilung soll laut der EU-Kommission bereits kommende Woche begonnen werden. Bundesinnenminister Thomas de Maiziere (CDU) äußerte sich nach der Sitzung verhalten optimistisch. "Wir haben heute erreicht, dass wir eine politische Zustimmung zur Verteilung von 160.000 Flüchtlingen bekommen", so de Maiziere. Das sei aber noch nicht genug.

Einen verbindlichen Verteilschlüssel per Quote, wie ihn die EU-Kommission vorgeschlagen hatte, wird es jedoch nicht geben; es kam keine Mehrheit für die Quote zusammen. Ungarn, Tschechien, die Slowakei und Polen sowie die baltischen Staaten stimmten dagegen. Der slowakische Innenminister Robert Kalink sagte: "Wir denken, dass Quoten nicht die richtige Lösung sind." Eine endgültige Entscheidung soll beim nächsten Innenministertreffen am 8. Oktober fallen.

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte in der vergangenen Woche die Verteilung von insgesamt 160.000 Flüchtlingen vorgeschlagen. Damit sollen die am stärksten betroffenen Länder Ungarn, Griechenland und Italien entlastet werden. Zudem plant die EU-Kommission eine Liste sicherer Herkunftsstaaten, damit Migranten ohne Asylanspruch schneller abgeschoben werden können.

Merkel berät mit Österreichs Bundeskanzler Faymann

Für heute sind mehrere Sondertreffen im Kanzleramt in Berlin geplant. Am Mittag trifft Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ihren österreichischen Amtskollegen Werner Faymann zu einem Arbeitsessen. Am Sonntag hatte die Bundesregierung beschlossen, an der Grenze zum östlichen Nachbarland wieder Grenzkontrollen einzuführen, um die Zahl der ankommenden Asylbewerber einzuschränken.

Am Nachmittag wird es nach Angaben des Regierungssprechers eine Kabinettssitzung geben, in der es ausschließlich um Flüchtlingspolitik gehen soll. Für den Abend hat Merkel die Regierungschefs der Länder zu einem Informationsaustausch eingeladen. Die eigentlich geplante Kabinettsklausur in Meseberg wurde abgesagt.


Quelle:
epd , KNA , DR