Wiener Dompfarrer zum Trauergottesdienst für Flüchtlinge

Aus der Ohnmacht zur Hilfe

Wiens Dompfarrer Toni Faber hofft, dass Österreichs großes Glockengeläut den in einem LKW qualvoll erstickten Flüchtlingen eine Stimme verleiht. Im domradio.de-Interview äußerte er sich zum Trauergottesdienst im Stephansdom.

71 Flüchtlinge erstickten in einem LKW (dpa)
71 Flüchtlinge erstickten in einem LKW / ( dpa )

domradio.de: Welches Zeichen will die Kirche in Österreich mit dem Geläut der Pummerin und vieler anderer Glocken im Land setzen?

Toni Faber (Dompfarrer am Stephansdom): Sie ist gleichsam die Stimme Österreichs und die Anführerin aller Glocken in ganz Österreich: Sie soll denen eine Stimme verleihen, die so qualvoll zu Tode gekommen sind auf der Autobahn im Burgenland und den vielen Tausenden und Abertausenden, die schon im Mittelmeer und in welchen Ländern auch immer auf diesem Weg keine Heimat, keine Menschen gefunden haben, die sie wirklich würdevoll aufgenommen haben. Für sie wollen wir die Glocken erklingen lassen, ihnen eine Stimme verleihen und den Schmerz dieser Stimme sozusagen in unserem Gebet mittragen und auf Gott hinwenden.

domradio.de: Was wird außer dem Glockenläuten noch besonders sein an dem Gottesdienst?

Faber: Wir freuen uns, dass wir hoffentlich viele Gläubige willkommen heißen können und Vertreter des Öffentlichen Lebens. Fast die gesamte Bundesregierung wird dabei sein. Alle, die Verantwortung tragen, in diesem Land. Sie brauchen auch die Unterstützung von Menschen, die bereit sind zu beten, mit gutem Willen voranzugehen. Schritt für Schritt, etwas zu unternehmen und heute auch bei diesem Gottesdienst einen Schritt zu tun, ein Lichtlein zu entzünden, eine Bereitschaft der Fürbitte abzugeben und auch eine Geldgabe denen zu vermitteln, die sich in unserem Land brennend heiß, um die Not der Flüchtlinge kümmern. Die Caritas-Arbeit für die Flüchtlinge wird besonders unterstützt werden. Am Ende des Gottesdienstes wird dafür gesammelt.

domradio.de: Wenn Sie die Gedenkkerze entzünden, gibt es Fürbitten. Ich zitiere daraus: "V: Herr, wir sind betroffen - siehst Du diese Menschen? Tod, Zerstörung und Gefahr umgeben sie. Trauer, Angst, Schmerzen, Ungewissheit, abertausende ohne Heim, scheinbar ohne Zukunft. Stärke die Verantwortlichen, die Einsatzkräfte, Helfe mit deinem Geist." Drückt das den Inhalt des gesamten Gottesdienstes aus?

Pfarrer Faber: Wir wollen unsere Ohnmacht und unsere Not, unsere Hilflosigkeit zum Ausdruck bringen, aber gleichzeitig vertrauen wir fest darauf, dass Gott uns mit dieser Not nicht alleine lässt, den Funken entfachen kann, zu einer Wohltätigkeit, zu einer Hilfsbereitschaft, zu einer Gastfreundschaft, dass wir verspüren, dass jeder einzelne Mensch, der aus solch bedrängten Notsituationen Kriegswirren zu uns kommt, zu allererst Mensch ist, dem geholfen werden muss und dem wir nicht mit Gedanken des Abgrenzens zurückschicken und der Angst und der Sorge um den eigenen Lebens- und Arbeitsplatz begegnen können. Zuallererst ist da ein Mensch in Not, der an unserer Tür klopft und dem müssen wir öffnen und dem müssen wir uns stellen.

domradio.de: Kardinal Schönborn hat sich entsetzt über die "unbeschreibliche Menschenverachtung der Schlepper" gezeigt. Europa müsse endlich geeint vorgehen. Was kann die Kirche tun?

Pfarrer Faber: In dem sie einerseits denen, die da sind, Hilfe angedeihen lässt. Rund 20 Prozent der Asylsuchenden werden in kirchlichen Einrichtungen betreut von Pfarrgemeinden, von Klöstern, von der Caritas. Zweitens in dem Kirche aber natürlich auch politisch und gesellschaftlich darauf einwirkt, dass wir alle Ressourcen, die aus dieser neuen Völkerwanderung wachsen sehen und nicht nur die Belastungen und die Veränderungen. Die neue Völkerwanderung ist im Gange. Wir müssen schauen, wie diese Männer, diese Frauen, diese Kinder bei uns auch integriert werden können. Viele davon werden nicht nur für ein paar Wochen oder ein paar Monate da sein, sondern höchstwahrscheinlich neue Heimat suchen, wenn Zuhause keine Lebensmöglichkeit mehr besteht und sich darauf einzustellen, dafür einen Beitrag zu leisten in dem vielfältigen Netzwerken, der Nächstenliebe, der Solidarität in den Pfarrgemeinden, in den kirchlichen Ordensgemeinschaften, in der Caritas, in den verschiedenen Bereichen, wo Kirche auch noch gehört und willkommen geheißen wird.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.


Quelle:
DR