Katholischer Sozialverband: Viele User ohne Anstand

Tschüss Hassschreiber

Dagegenhalten - das fordert Journalistin Anja Reschke in einem Kommentar gegen rassistische Hetze im Netz. Sie bekommt dafür viel Unterstützung. Wertschätzung sei für viele User ein Fremdwort, kritisiert auch der katholische Sozialverband KKV.

Autor/in:
Nora Frerichmann
Rechte Hetze bekämpfen (dpa)
Rechte Hetze bekämpfen / ( dpa )

Anja Reschke hat in der Internetgemeinde einen Nerv getroffen. "Wenn ich jetzt hier öffentlich sage: Deutschland soll auch Wirtschaftsflüchtlinge aufnehmen", sagt die Journalistin am Mittwochabend in den "Tagesthemen", "ich bekäme eine Flut von Hasskommentaren: 'Scheiß Kanaken. Wieviel wollen wir noch aufnehmen? Sollen abhauen. Soll man anzünden'". Die NDR-Moderatorin spricht über rechte Hetze im Internet. Über das Thema Flüchtlinge sei keine sachliche Diskussion mehr möglich, Hasskommentare würden immer radikaler. Im Internet verbreitet sich das Video rasend schnell.

"Aufstand der Anständigen"

Die 42-Jährige fordert einen neuen "Aufstand der Anständigen". Zwar laufe die Strafverfolgung von rechter Online-Hetze mittlerweile an, sagte Reschke, die auch das ARD-Politikmagazin "Panorama" moderiert. Aber auch die Gesellschaft müsse klar Stellung gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit in der Asyldebatte beziehen: "Die Hassschreiber müssen kapieren, dass diese Gesellschaft das nicht toleriert", sagte Reschke.

Bei Facebook wurde der Kommentar bis zum frühen Donnerstagabend mehr als 4,2 Millionen Mal aufgerufen. Zahlreiche Nutzer auf Facebook und Twitter lobten Reschke und äußerten Zustimmung. Mehr als 115.000 User teilten das Video.

Katholischer Sozialverband: Viele User ohne Anstand

Für den Verband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV) zeigt die Entwicklung, dass offenbar viele Menschen im Netz jegliche Form von Anstand vermissen lassen. Offenbar glaubten manche User, dass im Internet die Achtung vor der Meinung des Anderen überflüssig ist, kritisiert KKV-Bundesvorsitzender Bernd-M. Wehner, unangemessene Kommentare. „Dank der Anonymität, die das Netz gewährleistet, wird ein solches Verhalten natürlich gefördert. Deshalb plädieren wir als katholischer Sozialverband dafür, dass künftig Kommentare in Diskussionsforen nicht mehr anonym erfolgen dürften. Wenn man schon seine Meinung äußert, sollte man auch mit seinem Namen dafür stehen“, so der KKV-Bundesvorsitzende. Das digitale Netz sei kein rechtsfreier Raum.

Eine quantitative Zunahme rechter Hasskommentare im Internet sei schwer nachzuweisen, sagte Robert Lüdecke, Sprecher der Amadeu Antonio Stiftung, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Allerdings habe sich die Qualität verändert. "Wir beobachten eine immer deutlichere rechte Hetze im Internet. Die Kommentare werden immer radikaler, aggressiver und offener." Autoren veröffentlichten rassistische Kommentare auch immer öfter mit ihrem richtigen Namen.

Auf Netz-Rassismus reagieren wie bei Familienfeier

Wenn man als User Fremdenfeindlichkeit im Netz begegne, sollte man sich offen dagegen aussprechen, rät Lüdecke: "Das Internet ist mittlerweile Teil des Alltags, deshalb sollte man dort auf Rassismus auch reagieren wie auf jeder Familienfeier." Zudem sollten rechtsextreme Kommentare beim jeweiligen Netzwerk gemeldet werden. So könne registriert werden, wieviele User tatsächlich rechte Hetze im Internet verbreiteten.

Die Reaktionen auf das Video seien weitgehend positiv, sagte ARD-aktuell-Chefredakteur Kai Gniffke dem epd. Mit rund 100 gelöschten Kommentaren und drei Sperrungen auf der Facebook-Seite entsprächen die negativen Reaktionen dem normalen Schnitt: "Ganz grob über den Daumen sind zwei Drittel zustimmend, ein Drittel ablehnend." Besonders die jüngeren Nutzer in den sozialen Netzwerken schätzten es sehr, dass Reschke eine sehr klare Haltung zeige.

"Sie glaubt nicht, sich diplomatisch ausdrücken zu müssen", sagte Volker Steinhoff, Redaktionsleiter bei "Panorama". Per Mail erreichten die Redaktion allerdings auch Beschimpfungen. Dabei gehe es im Kern um Sozialneid.

Reschke freute sich über die vielen positiven Rückmeldungen: "Das war ja eigentlich das, was ich auslösen wollte", sagte die Journalistin bei "tagesschau24". "Ich wollte mal wieder das Gefühl haben, dass die Masse eben doch noch auf der richtigen Seite steht." Sie halte es für wichtig, rechtsradikalen Hetzern klarzumachen: "Ihr seid die Minderheit und wir sind die Mehrheit."

Politisches Machtwort gefordert

Die Journalistin kritisierte allerdings auch die Untätigkeit von Politikern gegenüber fremdenfeindlichen Äußerungen. "Kein Politiker möchte gerne Stellung beziehen für Flüchtlinge, weil er Angst hat um seine Wahlen." Wenn es wie in Freital zu Parolen wie "Weg mit dem Dreck" komme, erwarte sie vom Ministerium oder sogar von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ein Machtwort.

Die Anzahl rechter Straftaten ist in Deutschland zuletzt gestiegen. Die Zahl der Angriffe auf Asylbewerberheime hat sich nach Angaben des Verfassungsschutzes im vergangenen Jahr auf 175 verdreifacht. Im ersten Halbjahr 2015 ist die Zahl erneut stark gestiegen, bis Ende Juni wurden bereits 150 Straftaten gezählt. Erst vergangene Woche hatten Unbekannte eine geplante Unterkunft in Lunzenau bei Chemnitz mit Molotow-Coctails attackiert.


Anja Reschke (dpa)
Anja Reschke / ( dpa )
Quelle:
epd , DR