Jesuiten-Flüchtlingsdienst fordert Freizügigkeit für Asylsuchende

Wohin sie wollen

Der Jesuiten-Flüchtlingsdienst hält wenig von Quoten zur Verteilung von Flüchtlingen in der EU. Die Menschen sollten selbst über ihre Ziele entscheiden, sagt Pater Frido Pflüger.

Asylbewerber (dpa)
Asylbewerber / ( dpa )

domradio.de: Der Verteilschlüssel wird von vielen EU-Staaten kritisiert, warum aber sind Sie generell gegen Quoten?

Pater Frido Pflüger (Direktor des Jesuiten-Flüchtlingsdienstes in Deutschland): Ich sage zunächst, Quoten wären eine Lösung, weil sie zumindest die Verantwortlichkeit übernehmen für die einzelnen Länder und sie sagen, jedes Land hat etwas beizutragen.

Wir denken aber dass diese Regelungen in dem jetzigen Dublin-Verfahren, die Leute festzulegen, den Menschen nicht gerecht wird. Wir sprechen den Flüchtlingen durch die Quoten ab, dass sie dorthin gehen können, wo sie eigentlich Asyl beantragen wollen und wo es für sie selber sich am günstigsten auswirkt. Das ist oft da, wo schon Kommunitäten von z.B. Syrern oder Eritreern sind. Wir sind der Meinung, wenn sie dort Asyl beantragen, dann sind sie auch am schnellsten integriert, weil ihnen ihre Leute natürlich beim Integrieren Hilfestellung geben können und sie beraten können und sie auch einführen können in die Kultur des entsprechenden Landes.

domradio.de: Das heißt, sie plädieren auch für die Freiheit dieser Menschen. Menschen verteilen sich aber nun einmal nicht selbstständig sehr gleichmäßig auf die Länder. Haben Sie nicht auch das Gefühl, dass Italien und auch Griechenland ganz dringend entlastet werden müssten?

Pflüger: Das schon, aber das hat ja mit der Quote zunächst nichts zu tun. Das könnte auf andere Regelungsweisen auch gehen. Natürlich tragen sie jetzt eine ganz große Last, weil die Leute dort anlanden und weil das Dublin-Verfahren sagt, dann müssen sie auch dort Asyl beantragen. Das wird einfach viel zu viel. Die Regelung, dass jetzt einfach Leute in andere Länder übernommen werden, ist eigentlich schon ein ganz guter Ansatz, nur müsste man den Leuten mal sagen, geht bitte dorthin, wo ihr denkt, dass es für Euch am besten ist da.

domradio.de: Welche anderen Regelungen würden Sie vorschlagen? Haben Sie Ideen, wie man das Problem besser lösen könnte?

Pflüger: Wir können es ja wirklich den Flüchtlingen überlassen und den Asylbewerbern, denn sie wissen schon im Normalfall, wo sie hinwollen. Sie nehmen ja auch viele der Länder, wie zum Beispiel Österreich, nur als Zwischenstopp, um dann irgendwo anders hinzukommen, wo ihre Leute schon sind.

Wenn wir Quotenregelungen machen - und so war es ja findig vorgesehen in der Vorlage - dass man dann auch die Leute verpflichtet, dass sie einige Jahre dort, wo die Quote sie hinführt, bleiben müssen, weil die Regierungen ja schon damit rechnen, dass die Leute wieder weiterwandern.

Für uns war da jetzt hochinteressant, dass sogar der Sachverständigenrat der Deutschen Stiftungen sagt, wir brauchen in Europa Freizügigkeit, sogar nach dem Asylanerkennungsverfahrungen, weil die Menschen eben doch dort hinwollen, wo ihre Leute sind und wo sie sich am freiesten und am sichersten fühlen können.

domradio.de: Gucken wir noch mal konkret auf Deutschland: Hier fordert gerade die Wirtschaft, Flüchtlinge schneller in den Arbeitsmarkt zu bringen. Bislang dürfen Asylbewerber in den ersten drei Monaten gar nicht arbeiten, auch danach stehen ihre Chancen schlecht. Könnte eine Gesetzesänderung zumindest in Deutschland zu einer Entspannung beitragen?

Pflüger: Ja, sicher, ich denke man müsste die Arbeitserlaubnis sofort erhalten und man müsste endlich die Vorgangsprüfung fallen lassen, die sagt, es muss zunächst geguckt werden, ob ein Deutscher oder ein Europäer auf diesem Platz arbeiten könnte und wenn das der Fall ist, dann wird der Asylbewerber abgelehnt. Das heißt, dass trotz allem die meisten Asylbewerber nicht arbeiten dürfen. Das ist natürlich sehr kostspielig und zerstört natürlich auch deren eigene Chancen. Sie lernen ja nichts, sie können keine Berufsausbildung machen. Wenn sie dann wieder zurückgingen, dann hätten sie wenigstens eine solche Berufsausbildung, wenigstens etwas gelernt.

Ich habe gerade heute Morgen gelesen, dass die afrikanischen Länder darüber klagen, dass ihre Bevölkerung ausgedünnt wird. Wenn wir die Leute dann wenigstens mit Berufsausbildung wieder zurückschicken -und dann würden sie vielleicht auch freiwillig zurückgehen, wenn sich dort die Bedingungen endlich zum Besseren verändern - dann wäre ja allen Seiten gedient und geholfen.

Das Interview führte Verena Tröster


Quelle:
DR