Dolmetscherin: Keiner verlässt freiwillig die Heimat

Arbeitsalltag mit Folteropfern

Iran Marzangi hat eine schwere und wichtige Aufgabe im Therapiezentrum für Folteropfer der Caritas in Köln. Sie übersetzt Wort für Wort die Erlebnisse von Flüchtlingen. Sie bittet darum, die Probleme der Menschen wahrzunehmen.

Samsom / © Aktion Neue Nachbarn
Samsom / © Aktion Neue Nachbarn

domradio.de: Welche Aufgabe haben Sie konkret als Dolmetscherin des Caritas Therapiezentrums für Folteropfer?

Iran Marzangi (Dolmetscherin bei Psychotherapien und bei der soziale Beratung z.B. zur Wohnungssuche oder Arztbegleitung): Ich dolmetsche in zwei Bereichen bei der Psychotherapie und auch bei der sozialen Beratung. Ich fühle mich wie eine Brücke zwischen den beiden Seiten. Ich fühle mich verantwortlich, damit ich auch alles richtig Wort für Wort rüberbringe, was die beiden Seiten einander sagen.

domradio.de: Welche Eigenschaft braucht man als Dolmetscherin Caritas Therapiezentrums?

Marzangi: Man muss versuchen objektiv zu bleiben, gerade bei einer Psychotherapie ist es natürlich sehr schwierig, weil man oft mit sehr harten Schicksalen, mit Folteropfern konfrontiert wird. Man muss die ganze Zeit daran denken, dass man dort lediglich da ist, um als Dolmetscher zu agieren.

domradio.de: Sind Sie anschließend nach solchen Sitzungen selbst in der Situation zu sagen, jetzt bräuchte ich selbst jemanden, mit dem ich reden kann, weil das so belastende Schicksale sind?

Marzangi: Ja, oft. Manchmal spreche ich die Therapeuten auch darauf an. Dann bekomme ich Hinweise, wie ich auch abschalten kann. Während der Therapie geben die Therapeuten den Klienten Übungen wie sie, wenn es ihnen sehr schlecht geht, abschalten können. Diese Übungen nehme ich mit, aber die größte Hilfe für mich ist aber der Sport.

domradio.de: Stimmt es, dass es für Flüchtlinge oftmals schwierig zu verstehen ist, dass man eine Therapie als Hilfe akzeptiert?

Marzangi: Ja, das ist sehr schwierig, besonders aus unserem Kulturkreis. Ich bin ja kurdischer Abstimmung aus Iran und für die beiden Kulturen ist es sehr schwierig zu verstehen, was überhaupt eine Psychotherapie ist. Ich dolmetsche für Iraner, für Kurden, für Afghanen. Für sie ist es sehr schwierig zu verstehen, was eine Psychotherapie bedeutet und dass man unter Schweigepflicht steht. Bis sie das alles verinnerlicht haben, dauert es auch eine Weile.

domradio.de: Seit über fünf Jahren begleiten sie eine Klientin. Wann haben Sie denn für sich persönlich das Gefühl, dass nicht nur ihre Arbeit, sondern die Therapie selbst für die Flüchtlinge erfolgreich war?

Marzangi: Das merkt man schon Schritt für Schritt bei der Therapie. Zum Anfang jeder Sitzung fragen ja die Therapeuten, wie es den Klienten geht und sie antworten immer ehrlich. Das merkt man schon.

domradio.de: Sie haben beruflich mit dem Flüchtlingsthema in der Stadt und im Erzbistum Köln zu tun. Wenn wir von Willkommenskultur reden, dann ist das etwas, was alle betrifft. Welchen Tipp haben Sie für uns, um Flüchtlingen zu helfen?

Marzangi: Die Flüchtlinge und deren Probleme wahrzunehmen. Man muss wissen, dass keiner freiwillig die eigene Heimat verlässt. Man verlässt ja die eigene Heimat, wenn es gar keine Alternative gibt, wenn man dazu gezwungen ist. Das ist ja der Kern der Sache. Leider habe ich in der Gesellschaft, in den letzten Tagen erfahren müssen, dass Flüchtlinge auch mit Skepsis betrachtet werden, dass sie eigentlich hierher gekommen wären, um ein gutes Leben zu führen, aber das ist nicht der Fall.

Das Interview führte Daniel Hauser.


Quelle:
DR