Ausweglose Lage der Flüchtlinge im Irak

"Es wird nur noch Spurenelemente von Christentum geben"

Immer noch leben im Nordirak Zehntausende bei Temperaturen um den Gefrierpunkt in provisorischen Zeltunterkünften. Rudi Löffelsend von der Caritas im Ruhrbistum berichtet von der schier auswegslosen Lage der christlichen Flüchtlinge.

Irak: Wie 2013 droht den Flüchlingen wieder ein harter Winter (CI)
Irak: Wie 2013 droht den Flüchlingen wieder ein harter Winter / ( CI )

domradio.de: Wie ist die Situation der Flüchtlinge jetzt im Winter?

Löffelsend: Schlimmer als ich befürchtet hatte. Im Nordirak herrschen jetzt schon Temperaturen um den Gefrierpunkt, dazu hat es die letzten vierzehn Tage fast ständig geregnet. Wir haben immer noch über 90.000 Menschen, die ohne Unterkunft sind, die in irgendwelchen Rohbauten oder Kellern hausen müssen und auf Hilfe warten. Wohnen kann man das gar nicht nennen. Einen Großteil stellen christliche Flüchtlinge, weil die Kirchen und alle kirchlichen Gebäude schon überfüllt sind im Moment. Besserung ist nicht deutlich in Sicht.

domradio.de: Das heißt, da müssen jetzt auch mehr stabilere Unterkünfte her?

Löffelsend: Container stellen die einzige vernünftige Möglichkeit für den Winter dar. Die Zelte sind bei Dauerregen, Matsch und Schnee nicht geeignet.

domradio.de: Welche Zukunft haben die christlichen Flüchtlinge?

Löffelsend: Wenn man mit den betroffenen Menschen spricht, dann wollen wirklich fast alle raus und Richtung Westen. Nach Europa oder USA oder Kanada. Hauptsache weg! Sie sehen für sich in der Heimat absolut keine Zukunft mehr. Die Gebiete, aus denen sie kommen, sind von dem IS entweder immer noch besetzt oder zerstört. Das Bischofshaus des Erzbischofs von Mossul ist jetzt Hauptquartier der IS, die Kathedrale ist Ausbildungszentrum. Selbst bei einer Rückkehr wären die Gebäude wahrscheinlich weitgehend kaputt. Es gibt kaum Hoffnung, in der Heimat wieder ein vernünftiges Leben führen zu können. Wenn denn die Gebiete überhaupt je befreit werden, was ja auch sehr zweifelhaft ist.

domradio.de: Auf absehbare Zeit werden sie nicht mehr nach Mossul zurückkehren können?

Löffelsend: Angesichts der politischen Lage und des Unwillens der Staatengemeinschaft, da wirklich durchzugreifen, wird das nicht gelingen.

domradio.de: Wird es bald keine Christen mehr im Irak geben?

Löffelsend: Es wird nur noch Spurenelemente von Christentum geben, das befürchte ich sehr. Und das ist wirklich mehr als dramatisch bei dieser unglaublich langen Geschichte, die die Kirche dort hat. Der IS zerstört eine jahrtausendealte christliche Kultur und Tradition.

domradio.de: Wohin können die Menschen denn überhaupt noch flüchten?

domradio.de: Jordanien und der Libanon haben die Grenzen quasi zu gemacht. Und weil Europa das so will, bleibt den meisten nur der lebensgefährliche und illegale Weg entweder über das Mittelmeer, da haben wir schon über 3.000 Tote in diesem Jahr, oder über Türkei, Griechenland, Bulgarien. Und zunehmend über das Schwarze Meer mit Booten nach Rumänien. Da ist im Grund genommen aber auch alles dicht. Die Flucht ist immer lebensgefährlich und immer mit Kosten für die Schlepperbanden verbunden, das ist kein Weg!

domradio.de: Gibt es überhaupt Hoffnung?

Löffelsend: Hoffnung macht mir nur, dass es vielen Menschen trotz allem gelingt, hierhin zu kommen. Und dass diejenigen, die hier sind, die Hoffnung nicht aufgeben, eines Tages wieder in ihre Heimat zurückkehren zu können.

Das Interview führte Uta Vorbrodt.

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Quelle:
DR