Spirituelles Fasten - ein Erfahrungsbericht

"Auszeit für Körper und Geist"

Zehn Tage lang nur Brühe, Kräutertee und Fruchtsäfte. Im Kloster Grandchamp bei Neuchâtel in der französischsprachigen Schweiz können Gäste das Fasten lernen. Dabei geht es nicht allein ums Abspecken. Susanne von Schenck hat es ausprobiert.

Symbolbild Fastenzeit / © vetre (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Frau von Schenk, wie läuft so eine spirituelle Fastenzeit ab?

Susanne von Schenck (Journalistin): Das Fasten ist gut für den Geist, aber eigentlich gar nicht zum Abnehmen, weil man nimmt zwar ein bisschen ab – drei, vier, fünf Kilo – aber die hat man auch relativ schnell hinterher wieder drauf. Es ist eigentlich eine Auszeit für Körper und Geist und auch eine sehr positive Wirkung, weil der Verzicht auf äußere Ablenkung eigentlich dazu führt, dass man mehr zu sich kommt.

DOMRADIO.DE: Was heißt spirituelles Fasten? Dieses zu sich kommen?

von Schenck: Man hat früher immer aus religiösen Gründen gefastet, und heute ist es so ein bisschen in der Mode. Es gibt ja ganz viele verschiedene Fastenformen. Es hat auch etwas mit Meditation zu tun. Aber Fasten spielt ja auch in der Bibel eine Rolle. David, Moses, Elias, Jesus – alle haben sich zurückgezogen in die Einsamkeit, in die Wüste, 40 Tage gefastet. Einmal, um sich über etwas klarzuwerden – eine Bewusstseinserweiterung. Auch, um Gott zu begegnen, um essentielle Fragen zu klären.

Und das Fasten im Kloster Grandchamp, wo ich teilgenommen habe, ist auch dahingehend ausgerichtet, dass man sich mit dem Gebet beschäftigt und nicht einfach dahin fährt, um abzunehmen. Solche Leute werden gar nicht aufgenommen. Man muss auch ein Bewerbungsschreiben hinschicken. Es geht darum, die Leere zu füllen, die im Körper durch das Fasten entsteht, weil der Magen ja nicht mit Verdauen beschäftigt ist. Durch diese Leere entsteht Raum für etwas anderes, das durch etwas Spirituelles gefüllt werden kann.

DOMRADIO.DE: Macht das jeder Körper mit oder wird das für manchen Gast im Kloster zu einer Qual, nichts zu essen? Was gibt es da für Feedback?

von Schenck: Es ist so: Wenn man das schon einmal oder mehrmals gemacht hat, dann weiß der Körper genau, was passiert. Wenn man es zum ersten Mal macht, ist das furchtbar hart. Ich war zum ersten Mal beim Fasten dabei, und die ersten drei Tage habe ich gedacht: Was mache ich hier, ich halte es nicht aus!

Der Körper stellt sich um – eine Art Energiesparprogramm. Das hat aber auch körperliche Beschwerden zur Folge. Man hat Kopfschmerzen, ist psychisch instabil, man hat Schwächeanfälle. Die Reserven halten allerdings relativ lange. Aber die ersten drei Tage waren eine Qual. Erst dann - als würde ein Schalter umgelegt - kommt wirklich eine positive Stimmung auf und das gibt eine ganz tolle Energie zurück. Die hält sich dann auch die ganze Zeit.

DOMRADIO.DE: Bei dieser Durststrecke, die Sie beschreiben, gab es da auch medizinische Unterstützung oder irgendeine Art von Begleitung?

von Schenck: Ja, es ist eine Fastenärztin dabei, die seit Jahrzehnten darauf spezialisiert ist. Es wird jeden Tag der Taillenumfang, das Gewicht, der Blutdruck gemessen. Und wenn das Fasten jemandem nicht so gut bekommen ist, dann ist immer die Ärztin dazugekommen und hat beraten. Die Ärztin ist Tag und Nacht dabei.

DOMRADIO.DE: Es geht ums spirituelle Fasten, aber nicht ums Schweigen. Das heißt, Sie konnten auch über diese Schwierigkeiten reden, die Sie beim Fasten hatten. Zum Beispiel, dass Sie vielleicht das Gefühl hatten: Oh Gott, ich halte das gar nicht durch.

von Schenck: Ja, das ist eigentlich auch ganz positiv. Da ist der Gruppeneffekt dabei. Man hat zwar manchmal einen Gruppenkoller, weil man mit ungefähr 20 Menschen zusammen ist, die man alle gar nicht kennt und Fasten ja auch etwas sehr Intimes ist. Aber man tauscht sich aus und stützt sich gegenseitig, und das hilft natürlich sehr.

DOMRADIO.DE: Warum ist es aus Ihrer Sicht im Nachhinein doch reizvoll, ein paar Tage auf feste Nahrung zu verzichten?

von Schenck: Weil es befreit, weil es einen klarer und wacher macht und weil es ein Reinigungsprozess für den Körper ist. Ich habe gemerkt, dass in mir selber Dinge hochgekommen sind, an die ich sonst gar nicht denke, die ich vielleicht auch gar nicht zulasse und die plötzlich in diesem geschützten Raum, den das Kloster bietet, herauskommen. Ich habe Kollegen, Bekannte, Freunde, die im Alltag neben der Arbeit fasten. Das könnte ich gar nicht. Ich habe festgestellt, dass ich diesen Schutzraum brauche, in dem ich mich voll auf das Fasten konzentrieren kann. Und das ist eine sehr positive Erfahrung gewesen.

DOMRADIO.DE: Frau von Schenk, wie läuft denn so eine spirituelle Fastenzeit ab?

von Schenck: Man bereitet sich eigentlich schon zuhause darauf vor. Man reduziert Alkohol, Fleisch, man soll auch nicht rauchen. Dann verzichtet man auf Kaffee in der Woche, bevor man startet. Und die ersten zwei Tage, die man noch zu Hause ist, isst man nur Obst und Gemüse und trinkt viel. Das ist die sogenannte Entlastungsphase. Dann kommt man ins Kloster oder beginnt mit dem Fasten. Da gibt es noch ein bisschen Apfelkompott und ein bisschen Obst, aber am nächsten Tag ist Schluss. Dann beginnt die Entschlackungphase. Da gibt es nur Tee und Saft und eine ganz leichte Brühe - je nach Fastenkurs und Länge. Ich habe es acht Tage mit gemacht, man kann es auch 14 Tage lang machen. Schließlich erfolgt das sogenannte Fastenbrechen, wo man wieder ein kleines Apfelmus bekommt oder eine kleine Nuss. Dann baut man das ganz langsam wieder auf und nimmt wieder feste Nahrung zu sich.

DOMRADIO.DE: Womit wird denn der Tag gefüllt? Ich würde wahrscheinlich in den ersten Tagen dauernd an das nicht-essen-dürfen denken.

von Schenck: Das macht man auch. Jedenfalls dann, wenn man es noch nie gemacht hat. Dann denkt man wirklich: Was mache ich bloß hier? Aber danach geht es gut. Der Tagesablauf ist sehr strukturiert. Es gibt in Grandchamp vier Andachten. Die sind über den Tag verteilt, und an denen soll man auch immer teilnehmen. Morgens gibt es Yoga oder Pilates, weil der Körper auch ein bisschen bewegt werden muss. Am Vormittag gibt es medizinische Vorträge, die erklären: Was passiert beim Fasten im Körper? Dann gibt es ein kleines Mittagessen, das schweigend eingenommen wird. Man stellt sowieso fest, dass man eigentlich dann gar nicht mehr so große Lust hat zu reden. Aber es ist jetzt nicht aufgezwungen, dass man nicht sprechen darf. Danach hat man eine Ruhepause, macht Leberwickel, weil die Leber ein ganz entscheidendes Organ beim Entgiften ist. Dann gibt es ein bisschen Freizeit: man geht schwimmen, spazieren – was man auch möchte.

Nachmittags gibt es einen Vortrag zu biblischen Themen, dann wieder eine Andacht und am Abend die sogenannte Partage: Da setzt man sich im Kreis in der Gruppe zusammen, und jeder erzählt, wie ihm das Fasten bekommt und was er erlebt hat. Da kommen auch sehr persönliche Sachen zum Tragen. Man kehrt doch ein bisschen sein Innerstes nach außen. Da fließen zuweilen auch die Tränen. Das ist eigentlich sehr intensiv. Ich habe es oft als sehr lang empfunden. Das ging manchmal anderthalb Stunden, und danach ist man einfach sehr erschöpft und sinkt ins Bett.

DOMRADIO.DE: Dabei macht man ja eigentlich den ganzen Tag nicht viel, und trotzdem ist man abends erschöpft. Liegt das an den eigenen Gedanken?

von Schenck: Ja, das liegt an den eigenen Gedanken. Es liegt aber vor allen Dingen auch daran, dass man plötzlich so zur Ruhe kommt. Man kommt zur Ruhe und hat eben diesen strukturierten Tagesablauf, den man vielleicht sonst nicht so hat. Und natürlich sorgt das wenige Essen oder der komplette Verzicht auf Essen auch für eine gewisse Müdigkeit im Körper. Obwohl: Man ist ja nicht schwach, aber man ist sehr verlangsamt in allem.

DOMRADIO.DE: Ist das denn überhaupt gesund?

von Schenck: Da gibt es ganz unterschiedliche Meinungen. Die Schulmedizin sagt, das ist nicht schädlich. Aber der Stressfaktor, der beim Fasten entsteht, ist vielleicht nicht so gut wie eine Therapie. Die Naturheilkunde sagt: Das ist prima, der Körper regeneriert sich, die Immunabwehr wird gestärkt, man entgiftet den Körper. Da gibt es unterschiedliche Meinungen. Es ist auf jeden Fall, denke ich, eine Form der Vorsorge – gegen Übergewicht, gegen Rheuma, gegen Bluthochdruck.

Man muss natürlich schauen. Nicht jeder kann fasten. Jemand, der schwer krank ist, sowieso nicht. Jemand, der Übergewicht oder beispielsweise Depressionen hat, sollte auch nicht fasten. Auch ganz alte oder ganz junge Leute sollten nicht fasten. Oder Leute, die extrem gestresst sind. Für die ist es auch nicht so gut, weil eben auch sehr viel aufgewühlt wird.

DOMRADIO.DE: Wie verändert gehen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer denn nach Hause?

von Schenck: Das fand ich ganz interessant. Als wir ankamen, war eigentlich jeder sehr mit sich und mit seinem kleinen Leben beschäftigt. Im Verlauf des Fastens öffnet man sich aber. Man wird wacher, klarer. Man hat so eine positive Ausstrahlung, nimmt den Anderen sehr stark wahr und trägt ihn oder sie. Wenn man dann zwischendurch so einen Koller kriegt und denkt: "Ich halte es nicht aus! Ich will nach Hause, und was mache ich hier?", ist es dann doch die Gruppe, die einen trägt. Da sind viele Erfahrene dabei, die dann sagen: "Nein, das geht vorüber, mach' dir keine Sorgen. Das wird schon!" Dieses Getragensein nimmt man auch ein Stück weit mit.

DOMRADIO.DE: Wer lange genug durchhält, der wird belohnt. Womit?

von Schenck: Einmal ist der Abschluss sehr schön, also das Fastenbrechen. Nachdem man zwei Tage so langsam die Nahrungsaufnahme wieder aufgebaut hat, gibt es ein richtig festliches Mahl, wo jeder den Tisch dekoriert und Namensschilder schreibt. Das ist nochmal ein sehr positiver Abschluss, und man nimmt natürlich auch das Gefühl mit: Ich habe durchgehalten. Ich habe meinen inneren Schweinehund überwunden. Ich konnte das schaffen, obwohl ich eigentlich solche Angst davor hatte, dass ich es nicht schaffe und dass ich nach drei Tagen abbreche. So hat man seine Angst auch bekämpft hat und stellt fest, dass es letztendlich überhaupt nicht schlimm ist.

Das Interview führte Dagmar Peters.


Quelle:
DR
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