Weihbischof Ansgar Puff über das Beichten

"Der innere Müll muss irgendwann raus"

Sünden gibt es vermutlich genug, dennoch sind die Beichtstühle leer. Schade, meint der Kölner Weihbischof Ansgar Puff. Denn Beichten gehört für ihn zum inneren Frühjahrsputz.

Autor/in:
Sabine Kleyboldt
Weihbischof Ansgar Puff / © Wolfgang Radtke (KNA)
Weihbischof Ansgar Puff / © Wolfgang Radtke ( KNA )

Katholische Nachrichten-Agentur (KNA): Herr Weihbischof Puff, gerade vor Ostern sollte man als Christ zur Beichte gehen. Warum eigentlich?

Weihbischof Ansgar Puff: Weil man ja auch regelmäßig seinen Müll aus der Wohnung bringt. Der innere Müll muss irgendwann weg, sonst fängt es an zu stinken. Und die Müllabfuhr ist der Beichtstuhl.

KNA: Wie funktioniert diese Art der Entsorgung?

Puff: Das Prinzip des Beichtens ist ja bekannt: Man geht zum Priester, sagt ihm seine Sünden, und er spricht einen dann davon los. Beichte ist eigentlich ein ganz blödes Wort, vielmehr geht es um die Feier der Umkehr von der Sünde. Das Wort Sünde kommt von Absondern und meint Trennung von Gott. Wenn ich sage, diesen Gott brauche ich nicht mehr, dann bin ich Gott-los. Gott respektiert die Freiheit meiner Entscheidung. Wenn ich aber ohne Gott unglücklich bin, kann ich durch die Beichte umkehren. Sünde hat auch immer eine soziale Komponente, denn man kann nie sündigen ohne Konsequenzen für die Gemeinschaft. Wenn etwa ein Priester ein Kind sexuell belästigt, schädigt er die ganze Kirche. Und die trennt sich dann von ihm, denn ein solches Verhalten ist völlig inakzeptabel.

KNA: Das ist ein extremes Beispiel...

Puff: Anderes Beispiel aus dem Alltag: Ich habe gerade selbst eine Art Exkommunikation erlebt - durch meinen Computer-Provider. Der schickte mir die Tage eine Mail, dass er mich nicht mehr ins Netz lässt, weil mein PC einen Virus hat. Das ist für alle anderen PCs im Netzwerk gefährlich. Solange ich das nicht repariert habe, muss ich draußen bleiben. Also: die klassische Exkommunikation. Bringe ich das aber in Ordnung, kann ich wieder mitmachen. So funktioniert das in Computersystemen und auch beim Beichten.

KNA: Woher kommt diese Beicht-Praxis?

Puff: Vorbild sind hier die ersten Christen, die in kleinen Gemeinschaften als Nachfolger Jesu Christi lebten. Wenn da jemand die Ehe brach oder einen umbrachte, wurde er von den Außenstehenden als Heuchler und gottlos entlarvt. Das schadete natürlich der Gemeinschaft. Die schloss ihn dann eine Zeit lang aus. Dieser Ausschluss erfolgte zum Beispiel zu Beginn der Fastenzeit, an Aschermittwoch. An Gründonnerstag konnte der Betroffene dann zur Kirchentür kommen und bitten, wieder mitmachen zu dürfen. Darauf holte ihn der Priester als Vertreter der Gemeinschaft wieder herein. Und damit war klar, dass Gott ihm auch vergeben hat. Das ist der Vorläufer der heutigen Beichte.

KNA: Woran liegt es, dass die Beichtstühle heute nicht mehr sonderlich voll sind?

Puff: Ich glaube, dass die Leute mehr beichten, als sie ahnen - wenngleich nicht unbedingt sakramental bei einem Priester. Man geht zum Beispiel zum Psychologen oder redet mit einem guten Freund; Kinder beichten in der Regel ihre Sünden bei den Eltern. Es gibt ganz viel Suche danach, wie man leben oder neu anfangen kann trotz Schuld. Denn Techniken wie verdrängen, verharmlosen oder die Schuld auf jemand anderen schieben, funktionieren ja nicht wirklich. Beim Beichten geht es zusätzlich um die Gemeinschaft der Kirche und das Verhältnis zu Gott. Der Priester kann den Menschen im Auftrag und sozusagen als Lautsprecher Gottes sagen, dass ihre Sünden vergeben sind.

KNA: Sie selbst betätigen sich auch regelmäßig als so ein Lautsprecher, unter anderem im Kölner Dom, mit Kommunionkindern oder Firmlingen. Eine lästige Pflicht als Priester?

Puff: Nein, das ist eine sehr schöne und beglückende Erfahrung. Allerdings finde ich manche Formen und die Vorbereitung der Beichte eher schwierig. Vielleicht ist das auch ein Grund, warum viele Leute nicht mehr kommen. Samstags zwischen halb fünf und fünf in eine Kirche zu gehen und ohne alles drauflos zu beichten, ist für viele irgendwie komisch. Ich war voriges Jahr mit Jugendlichen in Taize, da gibt es immer nach dem Abendgebet die Möglichkeit, mit den Priestern zu sprechen. Zuerst erlebt man also diese meditativen Gesänge in der vollen Kirche, und dann kommt zwei Stunden lang ein Jugendlicher nach dem anderen und packt aus. Das sind nicht unbedingt Beichten, aber sehr existenzielle Gespräche. Also offenbar sind die Leute auf der Suche, aber sie brauchen dazu eine entsprechende Atmosphäre. Wir sollten also unser Beicht-Setting verbessern.

KNA: Was schlagen Sie vor?

Puff: Wenn wir an einem schönen Sonnentag mit 20 Priestern und entsprechender Werbung draußen auf der Domplatte sitzen würden und sagen, "wenn Sie dicke Sorgen haben und nicht mehr wissen, mit wem Sie reden können - wir sind für Sie da": Ich garantiere Ihnen, dann kämen die Massen gelaufen. Wir sind bei diesem Thema offenbar ein bisschen feige, dabei schließe ich mich mit ein.

KNA: Also müssen wir vorläufig mit dem Vorhandenen auskommen. Was ist besser: fremder Beichtvater oder mein Gemeindepfarrer? Dunkler Beichtstuhl oder offenes Beichtgespräch?

Puff: Alles ist möglich, denn es geht ja um ein objektives Sakrament. Eine Vertrauensperson könnte Sie konkreter beraten, weil sie Sie kennt. Aber wenn Sie es nur Gott sagen wollen, wäre es vielleicht besser, zu einer fremden Person zu gehen. Auch die Alternative Beichtstuhl oder offenes Gespräch etwa in der Sakristei ist letztlich Geschmackssache. Bei Kommunionkindern erlebe ich aber immer wieder, dass die meisten in den Beichtstuhl möchten. Klar, für Kinder ist das irgendwie geheimnisvoll, aber die spüren auch, dass dieser Ort einen gewissen Schutz bietet.

KNA: Das Geheimnisvolle des Beichtstuhls machen sich auch viele Krimis zunutze. Klassisches Motiv: Was tut ein Priester, wenn ihm ein Mord gebeichtet wird?

Puff: Das ist völlig klar geregelt in der katholischen Kirche: Es gibt ein Beichtgeheimnis, und das steht, ohne Ausnahme. Wenn jemand mir einen Mord beichtet, beichtet er mir einen Mord. Und da wird kein Priester dieser Welt irgendein Tönchen sagen. Das ist sehr wichtig zum Schutz derjenigen, die zum Beichten kommen. Da gibt es in der Historie klassische Fälle bis hin zum Heiligen Johannes Nepomuk, der 1393 in Prag ermordet wurde, weil er laut Legende dem böhmischen König nicht offenbaren wollte, was ihm die Königin gebeichtet hatte.

KNA: Ist es nicht belastend für einen Beichtvater, wenn er sich diese ganzen Sünden anhören muss?

Puff: Man meint immer, dass der Priester sehr viel aus der Beichte mit nach Hause nimmt. Aber vielleicht ist das so eine Art innerer Schutz: Ich vergesse die Sachen immer gleich. Das ist ganz praktisch.


Quelle:
KNA