Wiener Kardinal plädiert für Fleischverzicht

Nicht nur in der Fastenzeit

Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn plädiert für Fleischverzicht auch außerhalb der Fastenzeit. Der Grund: Ein Drittel der globalen Getreideernte wird an Vieh verfüttert; die Fleischerzeugung weltweit verbraucht eine Futtermenge, die dem Kalorienbedarf von 8,7 Milliarden Menschen entspricht.

Autor/in:
Ralf Walter
Die Kuh: Wider besseres Wissen viel zu oft auf dem Teller (DR)
Die Kuh: Wider besseres Wissen viel zu oft auf dem Teller / ( DR )

"Ein einziges Steak von 225 Gramm enthält so viel Pflanzenenergie, wie benötigt wird, um einen Tag lang rund 40 hungernde Menschen zu ernähren", argumentiert Schönborn. Solche Daten seien dazu angetan, einem "den Appetit auf Fleisch zu verderben", so Schönborn in seiner wöchentlichen Kolumne in der österreichischen Tageszeitung "Heute".  



Schönborn nannte hohen Fleischkonsum und den damit verbundenen Energieverbrauch "einen der großen Risikofaktoren für eine gute Zukunft". Weniger Fleischproduktion bedeute auch weniger Massentierhaltung und damit weniger Leid für Tiere. Viele gesundheitliche Probleme bei Tier und Mensch ließen sich durch weniger Einsatz von Antibiotika in Futtermitteln vermeiden. Mehr Tierschutz und Umweltschutz sowie eine bessere Fleischqualität seien "möglich und dringend notwendig", so der Kardinal.



Maßlose Fleischesser

Konsumenten in Mitteleuropa seien abgesehen von Ausnahmen "fast maßlose Fleischesser" geworden. Für eine nachhaltige globale Ernährung müsse die Weltbevölkerung ihren Fleischkonsum auf die Hälfte reduzieren. "Die Fastenzeit wäre der richtige Zeitpunkt, damit zu beginnen", schreibt Schönborn.



In Deutschland hat sich seit 2008 das Institut für Theologische Zoologie zum Ziel gesetzt, das Verhältnis des Menschen zum Tier als Brennpunkt der Theologie und als Vollzug einer schöpfungsgemäßen Spiritualität zu begreifen. Das Institut hat im Herbst 2009 den Status eines An-Institutes an der Philosophisch-Theologischen Hochschule der Kapuziner in Münster (PTH) erhalten.



"Puten, Hühner, Rinder und Schweine scheinen im Bewusstsein vieler Menschen nicht mehr als Geschöpfe zu existieren, sondern nur noch als Rohling der Fleischindustrie und der Massentierhaltung", sagt Institutsleiter Dr. Rainer Hagencord gegenüber domradio.de.



Nach seinen Worten könnten Christen ein enormes Signal setzen, wenn sie kein Billigfleisch mehr kauften oder Gemeinden bei ihren Festen entweder vegetarisch kochten oder nur noch Biofleisch anböten. "Dann würde sich wirklich etwas ändern in unserer Gesellschaft, und vielen Tieren bliebe so manches Leid erspart", so Hagencord. Zwar gebe es inzwischen eine größere Wachsamkeit für die Eine Welt und Gerechtigkeit und damit für die Themen Fleischkonsum und Tierethik. "Auf der anderen Seite erlebe ich weiterhin eine große Vergessenheit, vielleicht auch Ignoranz", so der Theologe.



Unter der Begrifflichkeit "Bewahrung der Schöpfung" werden laut Hagencord meistens nur Regenwald, Klima oder Meere thematisiert, nicht aber Tiere. Sie seien theologisch mehr zu würdigen und ein geändertes Konsumverhalten notwendig. Es gehe um die Fragen, auf wessen Kosten man sich ernähre und was das Leben der Tiere wert sei.



Papst: Geschöpfe Gottes

Auch der heutige Papst Benedikt XVI. hat sich zum Thema geäußert. Als er 2002 in einem Interview zu den Rechten der Tiere befragt wurde, sagte Kardinal Joseph Ratzinger: "Das ist eine sehr ernste Frage. Jedenfalls sieht man, dass sie uns auch zur Hut gegeben sind, dass wir mit ihnen nicht beliebig umgehen dürfen. Auch Tiere sind Geschöpfe Gottes . . . Freilich, die Art von industrieller Verwendung, indem man Gänse so züchtet, dass sie eine möglichst große Leber haben, oder Hühner so kaserniert, dass sie zu Karikaturen von Tieren werden, diese Degradierung der Lebendigen zur Ware scheint mir tatsächlich dem Zueinander von Mensch und Tier zu widersprechen, das durch die Bibel durchscheint."



Das kanonische Recht, also das Gesetzbuch der katholischen Kirche, fordert unter Can. 1251 die "Abstinenz von Fleischspeisen an allen Freitagen des Jahres". Der katholische Katechismus besagt, dass "Tiere Gottes Kreaturen [sind]. Er umgibt sie mit seiner gnädigen Fürsorge. Sie segnen ihn durch ihre bloße Existenz und geben ihm Ruhm. Daher schulden die Menschen ihnen Freundlichkeit. Wir sollten uns an die Sanftmut ins Gedächtnis rufen, mit der Heilige wie Franz von Assisi oder Philip Neri Tiere behandelten. Es widerspricht der menschlichen Würde, Tiere unnötig leiden oder sterben zu lassen."



Weiter heisst es allerdings auch: "Man darf sich der Tiere zu Ernährung und zur Herstellung von Kleidern bedienen. Man darf sie zähmen, um sie dem Menschen bei der Arbeit und in der Freizeit dienstbar zu machen. Medizinische und wissenschaftliche Tierversuche sind in vernünftigen Grenzen sittlich zulässig, weil sie dazu beitragen, menschliches Leben zu heilen und zu retten".